Darf Lebensqualität mit Glück und Zufriedenheit gleich gesetzt werden? Wenn ja, dann sind die Sander die mit ihrem Wohnort glücklichsten und zufriedensten Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Haßberge: Beim großen Haßberge-Check haben sie ihre Lebensqualität auf einer Skala von 1 bis 10, sprich von sehr schlecht bis sehr gut, am besten bewertet. Und zwar mit 8,3. Es folgen Ebelsbach und Breitbrunn mit jeweils 7,3, während in beiden Fällen mit 4,4 Bundorf und Stettfeld die Schlusslichter bilden. Der Landkreisdurchschnitt beim Kriterium Lebensqualität beträgt 6,7 - exakt bei diesem Wert landen übrigens die Städte Haßfurt und Hofheim.
Wo der Schuh drückt: Vor allem beim öffentlichen Personennahverkehr
Diese ganz unterschiedliche Wahrnehmung der Lebensqualität im eigenen Dorf oder der eigenen Stadt gehört zu den Punkten, die bei der Sichtung der Antworten aus dem Haßberge-Check sofort ins Auge springen. Ebenso, dass das Thema Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) im Landkreis insgesamt mit gerade mal 3,9 Punkten am schlechtesten abschneidet. Das spiegelt sich auch in vielen Kommentaren zur Umfrage wider: Wie soll man ohne Auto vom Dorf in die nächste Stadt kommen, zum Arztbesuch, zum Einkaufen oder wozu auch immer? Das ist hinsichtlich der Mobilität das am häufigsten angesprochene Problem gerade der älteren Generation. Tröstet es da, dass der Landkreis insgesamt recht sauber und sicher zu sein scheint? Zumindest geben ihm die Bürgerinnen und Bürger hier mit 7,8 (Sauberkeit) und 7,1 (Sicherheit) die besten Noten in den 15 befragten Kategorien.
Über 1900 Bürgerinnen und Bürger haben mitgemacht
Über 1900 Menschen aus dem Haßbergkreis haben sich an der großen Online-Umfrage beteiligt, die die Main-Post in Zusammenarbeit mit der Meinungsforschungsagentur Umfrageheld (Oldenburg) vom 14. August bis 5. September durchgeführt hat. Übrigens haben mehr Frauen als Männer auf die 35 Fragen der Redaktion geantwortet. Im Verhältnis ausgedrückt waren es 53,4 Prozent Frauen, 44,1 Prozent Männer, 2,2 Prozent machten keine Angaben zu ihrem Geschlecht, 0,2 Prozent kreuzten "divers" an.
Zwei Drittel der Befragten sind verheiratet, und am stärksten vertreten in der Umfrage war mit rund 41 Prozent die Altersgruppe der 46- bis 64-Jährigen, gefolgt von den 32- bis 45-Jährigen mit knapp 29 Prozent. Aber auch das eine oder andere Kind hat mitgemacht, was folgendes Beispiel aus Breitbrunn belegt. "Ich bin Grundschulkind", heißt es hier, gefolgt vom Wunsch nach regelmäßigen Gruppenstunden unter Kindern und einer Fahrradstrecke über Wiesen und Äcker mit Bergen und Hügeln. "Nicht so eine Pumptrack-Strecke oder Skatstrecke, sondern eine von der Natur geschaffene (bisschen nachhelfen mit Aufschütten wäre kein Thema)", präzisiert der Bub oder das Mädchen und fordert zudem weniger und vor allem langsameren Verkehr an der Breitbrunner Hauptstraße.
Keine guten Noten für Kultur und medizinische Versorgung
Zu den Merkmalen, die schon bei der ersten Sichtung der Umfrage-Ergebnisse hervortreten, gehört, dass die Haßbergler gemeindeübergreifend die Kinderbetreuungsmöglichkeiten (7,0) besser bewerten als die Seniorenfreundlichkeit (5,5). Das kulturelle Angebot kann mit 4,7 offenbar nicht überzeugen. Nur minimal besser steht mit 4,8 die medizinische Versorgung da. Hier dürfte die aktuelle Debatte um das Krankenhaus Ebern mit hinein spielen, dessen bevorstehende Teilschließung in vielen Kommentaren kritisiert wird.
Die Kreisstadt: Nicht deutlich mehr Lebensqualität als anderswo
Noch etwas fällt auf den ersten Blick auf: Ob Gastronomie oder Einzelhandel, Breitbandausbau oder Familienfreundlichkeit: Die Kreisstadt Haßfurt schneidet in keiner einzigen Kategorie herausragend ab, nur bei der Kultur hat sie die Nase vorn. Hier mag sich zum einen auswirken, dass die Bewohner der Stadtteile zum Teil eine ganz andere Sicht auf ihre Wohnsituation haben mögen als die Menschen in der Kernstadt. Es könnte aber auch sein, dass sich die Kreisstädter mit Schweinfurt oder Bamberg vergleichen, wenn sie ihre Lebensqualität beurteilen, und dann kritischer sind als die Landkreisbewohner anderswo.
Kritischer als zum Beispiel in Sand, das in den Augen der eigenen Bevölkerung fast überall vorne dabei ist, seien es Sportangebote, Familienfreundlichkeit oder Kinderbetreuung. Und somit auch in der Summe aller Kriterien "gewinnt": Im Gesamtranking steht Sand mit 6,5 an erster Stelle. Haßfurt nimmt nur den 4. Platz ein -und zwar nicht nur hinter Eltmann, sondern - auch das ist eine Überraschung, hinter der ehemaligen Kreisstadt Ebern.
Haßfurt hat ein Krankenhaus - Sand fühlt sich trotzdem medizinisch besser versorgt
Selbst gesundheitlich/medizinisch fühlen sich die Sander besser versorgt als die Umfrageteilnehmer aus Haßfurt, wo ja bekanntlich das Haupthaus der Haßberg-Kliniken samt Medizinischem Versorgungszentrum steht. Das verblüfft ebenso wie am unteren Ende der Skala das Abschneiden der Gemeinden Bundorf und Stettfeld, die entweder eine Menge echte Sorgen oder ein Imageproblem in der eigenen Bevölkerung haben. Was ist hier los?
Ab der kommenden Woche wird die Redaktion berichten
Fragen wie diesen wird die Redaktion in den kommenden Wochen nachgehen, wenn es um die Analyse des Haßberge-Checks auf Ebene der Gemeinden beziehungsweise Teilregionen geht. Dabei wird die Berichterstattung auch auf die Kritik der Befragten eingehen und ihre vielen Anregungen aufgreifen. Am kommenden Donnerstag stellen wir eine erste detailliertere Auswertung des Haßberge-Checks auf Landkreisebene vor.
In meiner Gemeinde gibt es z.B. fast keine Einkaufsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite: Ich erwarte hier aber auch keine. Ich fahre zum Einkaufen woanders hin und bin damit zufrieden.
Was soll ich nun antworten auf eine Frage wie "Wie beurteilen Sie die Einkaufsmöglichkeiten in Ihrer Gemeinde?" ? (in meiner Erinnerung, war das etwa die Formulierung).
Ich kann danach urteilen wieviele Geschäfte es gibt - dann muß ich eine schlechte Bewertung abgeben.
Ich kann aber auch nach meiner Zufriedenheit urteilen - dann muß ich eine gute Bewertung abgeben, denn ich bin damit zufrieden zum Einkaufen nach Haßfurt zu fahren.
Es war m.E. nicht so ganz klar wie hier geantwortet werden soll. Wenn das anderen Leuten auch so ging, verfälscht das die Umfrage enorm.
vielen Dank für die kritischen Anmerkungen.
Sicherlich haben die Fragen des Haßberge-Checks Unschärfen. Und natürlich kann sich jemand glücklich schätzen, der in der Nachbargemeinde alles findet, was er sucht, im Prinzip aber die eigene Gemeinde negativ bewerten müsste.
Aber es geht in erster Linie darum, Stimmungen und Empfindungen einzufangen. Wie bewerten die Bürgerinnen und Bürger die Lebenssituation in ihrer Kommune? Was ist ihr ganz persönlicher Eindruck, losgelöst von objektiven Maßstäben? Wie ist die "Stimmung im Lande", diese Frage stellt sich ja jetzt auch vor der Bundestagswahl.
Beim Haßberge-Check ist es zum Beispiel interessant zu sehen, dass sich manche Teilnehmer der Umfrage in einer eher abgelegenen Gemeinde medizinisch besser versorgt wähnen als einige Haßfurter, die zweifellos auf das breiteste medizinische Angebot zurückgreifen können.
Nochmal: Vielen Dank fürs Mitmachen und den kritischen Blick auf die Auswertung!
MfG, Martin Sage, Redaktion
Auch ich bin der Ansicht, wenn dies mein wichtigster Aspekt wäre, daß ich wenig bis gar nicht im Ort einkaufen kann, dann würde ich unter Umständen auch die Konsequenz ziehen!
Aber in der Tat war hier schwer zu antworten!!