
Wer im Winter 2023/24 mit dem Auto unterwegs war, musste an manchen Tagen viel Zeit mitbringen, denn oft waren Straßen und vor allem Autobahnauffahrten durch Traktoren blockiert. Spätestens seit diesen Bauernprotesten dürfte den meisten Deutschen klar sein: Viele Landwirtinnen und Landwirte fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Die Kreisverbände Haßberge, Bad Kissingen und Bad Neustadt des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) wollten daher kurz vor der Bundestagswahl noch einmal mit den Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Wahlkreis Bad Kissingen über ihre Anliegen diskutieren. Erstmals veranstaltete der Verband daher ein "Landwirtschaftliches Politikergespräch".
In der Rudolf-Mett-Halle in Königsberg (Landkreis Haßberge) stellten sich die Direktkandidatinnen und -kandidaten Dorothee Bär (CSU), Sabine Dittmar (SPD), Christian Ruser (Grüne), Karl Graf Stauffenberg (FDP) und Frank Helmerich (Freie Wähler) den Fragen der Landwirte. Eine Einladung sei auch an die AfD gegangen, als noch nicht bekannt war, dass diese im Wahlkreis keinen Direktkandidaten haben würde. Von der Partei sei jedoch keine Antwort gekommen, heißt es vom BBV.
Rund 160 Besucherinnen und Besucher kamen zu der Veranstaltung. Die Moderation übernahm Dieter Reisenweber, Kreisobmann des BBV im Landkreis Haßberge. Er und andere Vertreterinnen und Vertreter des Verbandes hatten Fragen an die Politikerinnen und Politiker vorbereitet, später konnten sich aber auch Gäste zu Wort melden. Das waren einige der größten Themen des Abends:
1. Viel Arbeit am Schreibtisch: Bürokratie und Dokumentationspflichten
Die Politikerinnen und Politiker waren sich weitgehend einig, dass Dokumentationspflichten in der Landwirtschaft mittlerweile zu weit gingen."Wir müssen die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass Sie den Job machen können, den Sie machen wollen, und weniger am Schreibtisch sitzen", kommentierte Stauffenberg die Situation.

Sabine Dittmar machte deutlich, dass an den Problemen nicht allein die Ampel-Parteien schuld seien: "Die Bürokratie ist nicht erst in den letzten drei Jahren aufgebaut worden." Zudem betonte sie, dass bereits an Lösungen gearbeitet werde. "Die ersten Schritte sind gemacht." Dorothee Bär forderte ein "Entrümpelungsgesetz", nachdem die Bürokratie "über 70 bis 80 Jahre immer mehr geworden" sei.
2. Von Tierwohl bis Düngeverordnung: Kritik an strengen Auflagen
Viele Landwirtinnen und Landwirte fühlen sich gegängelt. Sei es von der Düngeverordnung oder von Vorschriften zum Tierwohl. Dabei gehe die Wettbewerbsfähigkeit verloren gegenüber anderen Ländern, in denen diese Auflagen nicht gelten und in denen somit deutlich billiger produziert werden kann.
Frank Helmerich kommentierte: "Beim EU-Recht sind wir Deutschen gut darin, die Regeln zu befolgen." Andere Länder würden sich dagegen nicht an alle Richtlinien halten, wodurch die Wettbewerbsverzerrung entstehe. Christian Ruser räumte ein, dass man bestimmte Regeln überdenken müsse, verteidigte aber grundsätzlich die Existenz von Einschränkungen, um Tierquälerei und Überdüngung durch einzelne Übeltäter zu vermeiden. Weiter appellierte er: "Die Politik in Berlin will Ihnen nichts Böses."
Dorothee Bär sagte dagegen: "Mich stört der Generalverdacht." So dürften nicht einzelne "schwarze Schafe" dazu führen, dass es für alle zu Verschärfungen komme.
3. Große Investitionen völlig umsonst: Der Wunsch nach mehr Planungssicherheit
"Wir Landwirte denken in Generationen", betonte Hanna Zwierlein von der "Next Generation", einer Gruppe von Jungunternehmerinnen und -unternehmern innerhalb des BBV. So waren am Donnerstagabend einige Geschichten zu hören, von Bäuerinnen und Bauern, die auf ihrem Hof große, teure Veränderungen vorgenommen und bestehende Vorgaben sogar übererfüllt hatten – vom Umbau der Ställe bis zur Anschaffung neuer Gerätschaften. Doch nur wenige Monate später seien dann neue Richtlinien gekommen, die erneut Veränderungen nötig gemacht und praktisch dafür gesorgt hätten, dass die erste Investition weitgehend umsonst war.

Ein Beispiel dafür ist die angekündigte Weidepflicht für Bio-Betriebe. Diese zwingt viele Biobauernhöfe, denen Weideflächen fehlen, auf konventionelle Landwirtschaft umzustellen. Besonders ärgerlich sei das für diejenigen, die ihren Hof gerade erst an aktuelle Bio-Standards angepasst hätten. Auch hier waren sich die Kandidatinnen und Kandidaten weitgehend einig: Es müsse einen Bestandsschutz geben, der den Betrieben garantiert, dass sie nicht umsonst investiert haben.
4. Abhängig von den Lebensmittelkonzernen: Der Kampf um faire Preise
Bäuerinnen und Bauern beklagen, dass die Lebensmittelkonzerne ihnen oft viel zu wenig für ihre Produkte bezahlen würden. Doch kann ihnen die Politik in dieser Sache überhaupt weiterhelfen? "Es ist gut, dass der Staat nicht die Preise vorgibt", betonte Karl Graf Stauffenberg. Christian Ruser forderte den BBV auf: "Ich muss den Ball an Sie zurückspielen: Nutzen Sie Ihre Macht gegenüber den Konzernen."
Ein Besucher – laut einem BBV-Vertreter handelte es sich dabei um Bernd Schuhmann, AfD-Kandidat im Wahlkreis Schweinfurt – erhob in einem Zwischenruf den Vorwurf, die Politik trage dennoch die Schuld an der Situation, da sie Oligopole zulasse, also die Möglichkeit, dass Konzerne so groß werden, dass sie die Preise diktieren können.

Dorothee Bär entgegnete, im europäischen Binnenmarkt könne man eben bestimmte Dinge nicht verbieten. Um faire Preise zu erzielen, sei es vor allem nötig, die Bevölkerung dahingehend zu erziehen, dass die Menschen Lebensmittel wieder mehr wertschätzen und den Wert von Regionalität erkennen. "Es gibt ja auch Höfe mit Selbstvermarktung, aber das muss halt auch angenommen werden."
Frank Helmerich berichtete, er habe einige Zeit in Irland gelebt und nannte das Land als Vorbild. Denn dort hätten Landwirtschaft und Regionalität einen viel höheren Stellenwert. "Die Bauern sind da ganz oben." Helmerich, der von Beruf Lehrer ist, betonte auch, dass er schon einen großen Beitrag leiste, indem er mit Schulklassen in landwirtschaftliche Betriebe gehe und ihnen gerade diese Themen näherbringe.
5. Wolf, Biber und Co.: Der richtige Umgang mit Schäden durch Wildtiere
Ein Punkt, der viele Bäuerinnen und Bauern beschäftigt, sind Wildtiere, die für die Landwirtschaft Probleme verursachen – von Wölfen, die Weidetiere reißen, über Biber, die für Überschwemmungen sorgen, bis hin zu Gänsen, die auf Äckern die Ernte wegfressen.

Sabine Dittmar betonte: "Wir müssen uns halt an EU-Vorgaben halten." So könne Deutschland nicht einfach Tiere zum Abschuss freigeben, die unter Schutz stehen. Christian Ruser meinte, die Landratsämter vor Ort bräuchten mehr Freiheiten. Oft gehe es um Einzelfallentscheidungen, wenn die Frage geklärt werden muss, ob ein bestimmtes Tier umgesiedelt oder abgeschossen werden soll.
Dorothee Bär sprach sich klar für ein härteres Vorgehen aus, gerade gegen Wölfe: "Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht. Die Weidetierhaltung ist es." Karl Graf Stauffenberg forderte mehr Rechtssicherheit für Jägerinnen und Jäger, die Wölfe abschießen.