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Hofheim
Café-Sterben in Hofheim: Warum auch die Traditionskonditorei Finger aufgeben musste
2015 traf es das Café Kupfer mitsamt Bäckerei und Konditorei, nun folgte das nächste Aus. Was die Handwerkskammer für Unterfranken zu dieser Entwicklung sagt.
Die Auslage bleibt künftig leer: Die Konditorei und Bäckerei Finger hat den Betrieb  nach 137 Jahren eingestellt. Für die Geschwister Karen Finger und Manfred Finger kein leichtes Unterfangen.
Foto: Lukas Reinhardt | Die Auslage bleibt künftig leer: Die Konditorei und Bäckerei Finger hat den Betrieb  nach 137 Jahren eingestellt. Für die Geschwister Karen Finger und Manfred Finger kein leichtes Unterfangen.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 09.02.2024 04:35 Uhr

Immer, wenn sich die Tür in den Verkaufsraum öffnete und ein Kunde eintrat, ertönte die Glocke. Am letzten Tag im November 2021 klingelte sie öfter als in den Jahren zuvor. Die Hofheimer versorgten sich noch dieses eine Mal mit frischem Gebäck aus der Traditionsbackstube Finger: mit Wurzelbrot und Brötchen, Torten, Kuchen.

"Ich war an diesem Morgen nicht da", erzählt Karen Finger, Urenkelin des Gründers. "Das war für mich zu emotional." Nach 137 Jahren musste das stolze Hofheimer Unternehmen - einst Bäckerei, dann Konditorei, am Ende beides inklusive Café und Restaurant - schließen. Am 30. November verstummte die Glocke an der Eingangstür.

Hofheim verliert das zweite Traditionsunternehmen

Es war nicht das erste Traditionsunternehmen dieser Art in Hofheim, dessen Zeit ablief. Schon im Juni 2015 hatte die Konditorei und Bäckerei Kupfer ihr letztes Brot und ihre letzte Torte gebacken - nach immerhin 112 Jahren. "Meine Frau Elisabeth und ich sahen den idealen Zeitpunkt für uns gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen", sagte Bäcker- und Konditormeister Peter Kupfer damals. Tatsächlich waren weder Nachfolgerin noch Nachfolger für die Backstube inklusive Café in Sicht. Der Generationenwechsel war gescheitert.

Die Gründe, warum es nun das Café Finger traf, sind vielfältig, erzählen die Geschwister Karen und Manfred Finger. Und sie reichen teils weit zurück, begannen auch mit dem Bau der Bundesstraße 303 zwischen den 1960er und 1990er Jahren, sagen sie: "Bevor es diese Straße gab, waren die 120 Plätze im Café sonntags immer besetzt", erinnert sich Karen Finger. Damals, erzählt die 63-jährige Bürokauffrau, mussten die Menschen aus der Region mit ihren Autos durch Hofheim fahren. Nach Fertigstellung der B303 floss der Verkehr dann südlich an der Stadt vorbei. Für die Bewohnerinnen und Bewohner des Ortes ein Segen. Für das Café der erste spürbare Umsatzrückgang, so Karen Finger.

Der Betrieb war auch über die Hofheimer Stadtgrenzen bekannt für das Wurzelbrot. Inzwischen ist der Ofen in der Backstube jedoch erloschen, das zugehörige Café geschlossen.
Foto: Lukas Reinhardt | Der Betrieb war auch über die Hofheimer Stadtgrenzen bekannt für das Wurzelbrot. Inzwischen ist der Ofen in der Backstube jedoch erloschen, das zugehörige Café geschlossen.

Mit der Ausweisung des Gewerbegebiets in Hofheim und der Ansiedlung zahlreicher Supermärkte am Rande der Stadt habe sich dieser Trend deutlich verstärkt, sagt Manfred Finger. "Früher waren diese Einkaufsläden im Ort." Doch mit den Märkten verschwanden zunehmend auch die Menschen aus dem Stadtbild. Während die Kundschaft der Fingers kleiner wurde, stieg der Konkurrenzdruck durch die großen Ketten weiter und weiter, so der 56-Jährige. 

Zahl der Bäckereibetriebe im Handwerk geht deutlich zurück

Eine Entwicklung, die auch die Handwerkskammer (HWK) für Unterfranken sieht. "Handwerkliche Bäckereien sind durch das Backwarenangebot in Supermärkten und Discountern einem immensen Preisdruck ausgesetzt", heißt es aus Würzburg. Die dort angebotenen Backwaren seien zumeist industriell hergestellt. "Die Teiglinge werden in Backautomaten vor Ort aufgebacken und können so viel günstiger angeboten werden als solche, die in den Backstuben in handwerklicher Arbeit hergestellt werden." Laut HWK einer von mehreren Gründen für den Rückgang dieses Handwerks, nicht nur im Haßbergkreis. Dort sank die Zahl der Bäckereien in der Handwerksrolle in den vergangenen zehn Jahren um 27 Prozent, von 33 Betrieben auf heute 24. In ganz Unterfranken beträgt der Rückgang laut HWK sogar 30 Prozent.

Anders sieht es laut der Vereinigung im Konditorenhandwerk aus. Dort hat die Zahl der gemeldeten Betriebe in den vergangenen zehn Jahren gar zugelegt. Fünf waren es Stand 2011 im Landkreis Haßberge, inzwischen sind es acht. Und in ganz Unterfranken? Da zählte die HWK zuletzt 88 Konditoreien. Eine Steigerung um knapp 40 Prozent zum Jahr 2011 (63). Doch die Zahlen sind trügerisch. Denn laut Handwerkskammer bedeute der Anstieg der vergangenen Jahre nicht, dass es "mehr Konditoren im klassischen Sinn" gebe: "Zu dieser Steigerung tragen auch Betriebe von Selbstständigen bei, die mit Ausnahmegenehmigung und oftmals im Nebenerwerb Torten und Süßes anbieten", heißt es weiter. Dafür sei zwar eine Sachkundeprüfung nötig. Nicht aber die klassische Ausbildung.

Vom Problem des Generationenwechsels nicht verschont

"Wir haben dieses Handwerk noch richtig gelernt", sagt Manfred Finger. Mit "wir" meint der 56-Jährige sich und seinen Bruder, der die Backstube bis zuletzt als Konditormeister betrieben hatte - und nun krankheitsbedingt kürzertreten musste. "Unser Betrieb hat seit seinem Bestehen bestimmt 100 Lehrlinge ausgebildet", schätzt Finger. Doch eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger, der die Backstube nun in die Zukunft führen wollte, war nicht unter ihnen. Das Problem des Generationenwechsels, es hat auch die Traditionskonditorei Finger nicht verschont. 

Die Konkurrenz in Supermärkten und Discountern setzt dem Bäckerei- und Konditorenhandwerk immer stärker zu, auch in Hofheim. 
Foto: Lukas Reinhardt | Die Konkurrenz in Supermärkten und Discountern setzt dem Bäckerei- und Konditorenhandwerk immer stärker zu, auch in Hofheim. 

Genauso wenig verschont blieb der Betrieb von den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, sagt Karen Finger. "Seit März 2020 waren Café und Restaurant geschlossen", so die 63-Jährige. Viele Gesellschaften, die Geld brachten, fielen weg - Geburtstage, Betriebsfeiern. "Der Umsatz brach ein, um etwa drei Viertel." Staatshilfen habe man keine mehr beantragt, wegen des "hohen bürokratischen Aufwands". Was in dieser Zeit blieb, war der Verkauf des Gebäcks. Doch auch der endete mit dem letzten Tag im November 2021. Immerhin: In der Küche des Restaurants bleibt der Herd vorerst im Einsatz: "Wir kochen und beliefern noch zwei Kindergärten, ein Rehazentrum und Senioren mit Essen", sagt Karen Finger. Auch an diesem Tag bereiten sie und ihr Bruder frisches Gemüse in der Küche zu.

Kapitel der Hofheimer Stadtgeschichte geht zuende

In der Backstube steht die Welt seit zwei Monaten still. Doch die beiden Geschwister blicken gerne auf die Jahre in ihrem Familienunternehmen zurück. "Schon als Kinder haben wir hier viel geholfen", sagt Karen Finger. "Diese Erinnerungen werden auf jeden Fall bleiben." Was auch bleibe, sei der Dank an die Stammkundschaft - "für all die Jahre, in denen sie treu an unserer Seite standen", sagt Karen Finger. Das Gebäude möchte die Familie nun verkaufen, "mit der Backstube und all dem, was dazugehört". Für sie ist das Kapitel abgeschlossen. Auch für Hofheim ist mit dem Aus des Café Finger ein Teil der Stadtgeschichte zu Ende gegangen. Wie schon 2015 mit dem Café Kupfer.

 
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  • domzel07342901
    Sehr schade. Aber bald eröffnet Mayas Unverpacktladen & Café in Hofheim. Wir sind gespannt grinsen
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  • popp.58
    Cafe Finger kenn ich noch von Mitte der 50er Jahre
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  • uwe.luz@t-online.de
    Wer sein Smartphone mehr wertschätzt als ein gutes Nahrungsmittel, wird am Ende feststellen, dass er sein Handy nicht essen kann.
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  • st-gerner@web.de
    Was hat das bitte mit dem Handy zu tun?
    Schuld sind die großen Backketten im Supermarkt, die die kleinen Bäckereien zur Aufgabe zwingen.
    Und natürlich der fehlende Nachwuchs,……
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  • rudi-nenner@online.de
    Da sind wir alle mit schuldig, auch die Politik. Jeder will nur noch studieren, wer will noch einen Handwerksbetrieb erlernen? Früher konnte ein Bäckergeselle seine Familie mit dem Gehalt ernähren, heute geht das nicht mehr...Die Handwerksleistung wird heute nicht mehr bezaht... Die Frage ist, wo stehn wir in 10 Jahren? Es wird wohl keine kleinen Betriebe mehr geben...
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  • wwolrich@t-online.de
    "Staatshilfen habe man keine mehr beantragt, wegen des "hohen bürokratischen Aufwands". 
    Kann doch nicht sein, daß man dann lieber seinen Laden schließt?
    Gab es denn niemanden, der helfen konnte?
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  • Albatros
    Viele Menschen möchten gerne wieder mehr Produkte aus der Region und vor allem selbst hergestellte Ware. Aber machen wir uns nicht vor, den meisten Menschen geht es um billig. Aber das Sterben von heimischen Bäckern und Metzgern hat eine lange Geschichte. Das fängt damit an, dass diese Berufsbilder unattraktive Arbeitszeiten haben und zudem schlecht bezahlt sind. Den Rest hat die Bürokratie besorgt, in dem die Hygiene-Auflagen für einen kleinen Metzgerbetrieb beispielsweise nicht mehr bezahlbar waren. Der Discounter um die Ecke versetzt letztlich den Todesstoß. Alles das was sich heute viele Menschen wieder wünschen, nämlich Regionalität, das hatten wir früher alles. Aber es musste ja viel und billig werden und so entstanden die Tönnies und Co.. Am besten 5 mal die Woche Fleisch, viel und billig. Und im Januar die Erdbeeren aus Spanien und die Avocado aus Peru. Das kommt selbstverständlich alles mit dem Fahrrad hier her, man muss es sich nur einreden.
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  • TLW-tu_W
    Ich werde die Leute nie verstehen die mit dem neusten SUV zum Discounter fahren und sich irgendwelchen Dreck kaufen, weil er ein paar Cent günstiger ist.
    Das neue Auto, bekommt natürlich nur das Markenöl. Alles andere wäre schlecht für den Motor...

    Kauft beim Lokalen Bäcker, solange es die Chance noch gibt.
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