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HOFHEIM
Das letzte Brot
Café Kupfer Nach 112 Jahren schließt das Tradtionsunternehmen. Viele Stammkunden deckten sich zum letzten Mal mit Torten, Brötchen und Brot ein, um sie einzufrieren. Eine Institution in Hofheim sperrt zu.
Das letzte Brot ist gebacken: Peter Kupfer steht vor dem leeren Backofen, den er jahrzehntelang befüllte.
| Das letzte Brot ist gebacken: Peter Kupfer steht vor dem leeren Backofen, den er jahrzehntelang befüllte.
Von unserer Mitarbeiterin Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:03 Uhr

Das letzte Brot ist gebacken. Backstube und Konditorei sind aufgeräumt, alle Maschinen sind gesäubert und stehen still, der große Backofen ist kalt. Statt Torten und Brot nur gähnende Leere in der Kühltheke und den Regalen im Ladenbereich.

Seit Montag ist die Stadt Hofheim um ein Traditionsunternehmen ärmer. Das alteingesessene Café Kupfer hat nach 112 Jahren seine Pforten geschlossen.

„Meine Frau Elisabeth und ich sahen den idealen Zeitpunkt für uns gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen“, sagt Firmenchef Peter Kupfer. Die letzten Lehrlinge haben ihre Ausbildung beendet, ein Nachfolger aus der Familie oder aber ein Pächter sind nicht in Sicht – Zeit für den 65-Jährigen, in den wohlverdienten Ruhestand zu treten.

Der Familienbetrieb blickt auf eine lange, bewegte Geschichte zurück. In Zeiten von Weltkriegen, Wirtschaftskrisen und persönlichen Schicksalsschlägen lenkten vor allem die Frauen der Familie das Geschick des Unternehmens. Im Jahr 1903 erwarben Eugen und Rosalie Kupfer, geborene Fries, das Anwesen in der Grünen Marktstraße und betrieben dort die „Bäckerei und Weinstube Kupfer“.

Als Eugen Kupfer 1910 starb, war seine Witwe mit vier Kindern – das fünfte war unterwegs – auf sich alleine gestellt. Nach der erneuten Hochzeit mit einem Bäckermeister firmierte das Unternehmen unter dem Namen des neuen Ehemannes, Andreas Rügheimer. „Deshalb sagten die älteren Kunden immer, sie gehen nach 'Hofingä zum Rüchheimer'“, lacht Peter Kupfer.

Mit Hans Kupfer übernahm ein Sohn des Firmengründers Eugen Kupfer den Betrieb. 1949 heiratete er Maria Görlich, die bereits seit einigen Jahren als Verkäuferin in der Bäckerei tätig war. Die Söhne Hans und Peter kamen auf die Welt. 1954 schien sich das Schicksal zu wiederholen: Im Alter von 47 Jahren starb der Firmenchef. Ein Jahr später verlor Maria Kupfer auch noch ihren Sohn Hans.

Drei Jahre nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratete Maria Kupfer Bäckermeister Karl Häusner aus Werneck. Die Geschäftsfrau, die mit Leib und Seele mit ihrem Betrieb verbunden war, starb vor zwei Jahren mit 91 Jahren.

„Die ganze Familie hat über alle Generationen hinweg immer an einem Strang gezogen“, sagt Peter Kupfer, der den Betrieb seit 30 Jahren führt. Der Bäcker- und Konditormeister hat seine beiden Ausbildungen in Würzburg absolviert und auf der Walz lange Jahre Erfahrungen im In- und Ausland gesammelt. 1982 heiratete er Elisabeth Schneider, die ihre Beamtenlaufbahn aufgab, um das Geschäft mit ihrem Ehemann zu betreiben.

Im Laufe der Jahrzehnte veränderte das Anwesen immer wieder sein äußeres Erscheinungsbild, aber auch Ausstattung und Inneneinrichtung wurden Stück für Stück modernisiert. Aus der Bäckerei mit Weinstube wurden „Café und Konditorei Kupfer“.

„Die Zeiten haben sich ganz enorm gewandelt“, stellt Peter Kupfer fest. Oft sei früher bis weit in die Nacht hinein in der Weinstube Betrieb gewesen. Doch die Geselligkeit sei den Menschen inzwischen abhanden gekommen. Stammtische und Stammgäste wurden zusehends weniger. Während es Jahre gab, in denen neben anderen Angestellten bis zu vier Meister gleichzeitig in der Backstube arbeiteten, bewältigte Kupfer zum Schluss die Arbeit in der Backstube mit zwei bis drei Lehrlingen alleine.

Wie viele Beschäftigte im Laufe der 112 Jahre insgesamt in Lohn und Brot standen, kann er nicht sagen. „Es waren Hunderte von Mitarbeitern und viele, viele junge Leute, denen wir den Weg ins Berufsleben gezeigt haben.“ Bäcker, Konditoren und Verkäuferinnen gingen im Familienbetrieb in die Lehre, und lernten erst einmal „kleine Brötchen“ zu backen, bevor man sich an „große Brote“ wagen konnte.

Auch in Sachen Personal habe sich vieles verändert: „Keiner will mehr Verkäufer, geschweige denn, Bäcker lernen.“ Neben dem Personalmangel und den immer strengeren gesetzlichen Vorgaben für Betriebe bereite das veränderte Kundenverhalten kleinen Betrieben große Probleme, sagt Peter Kupfer. Alles werde in den großen Märkten vor den Stadttoren gekauft. „Das bringt die kleinen Betriebe um und führt dazu, dass die Innenstädte immer mehr veröden.“

Eines aber ist über all die Jahrzehnte hinweg unverändert geblieben: „Wir haben uns immer bemüht, ehrliche und anständige Ware anzubieten.“ Oberstes Prinzip sei ein hoher Qualitätsstandard, ohne die Verwendung von Fertigprodukten oder Fertigpulver gewesen. Und das wusste die Kundschaft zu schätzen: Weit über die Stadtgrenzen hinaus waren neben den Biobroten, Pralinen und Eis die Torten aus eigener Herstellung beliebt. Bei letzteren kam vor dem Genuss die Qual der Wahl: Bis zu 40 Sorten standen den Liebhabern der süßen Köstlichkeiten zur Verfügung. „Die beliebteste Torte war die Lübecker Nußsahne“, sagt Peter Kupfer, „der trauern die meisten unserer Kunden nach.“

„Wir gehen ohne Bitterkeit und wollen auch nicht jammern.“ Nein, für Wehmut sei noch gar keine Zeit gewesen. Es sei noch so vieles zu regeln, und dann müsse er erst einmal schlafen, sagt Peter Kupfer. „Ich bin jetzt ein halbes Jahrhundert lang nachts um drei Uhr aufgestanden, samstags sogar um Mitternacht“, da freue er sich jetzt so richtig aufs Durchschlafen. Neben dem Schlafen sei auch vieles andere zu kurz gekommen, wie in Urlaub fahren, die Kinder oder Hobbies.

Doch vor der Ruhe stand die letzten Wochen der Sturm - der Ansturm besser gesagt. Seit die Kunden wussten, dass der Backofen bald aus bleiben würde, deckten sich viele mit einem letzten Vorrat an Kupfer-Gebäck ein. „Wir sind richtig überrollt worden mit Aufträgen von Torten, Brot oder Brötchen zum Einfrieren.“ Ganz besonders gefreut haben sich die Kupfers über die zahlreichen Abschiedsgeschenke und guten Wünsche ihrer Kunden.

„Wir waren halt doch eine Institution in Hofheim“, sagt Peter Kupfer, „und nun endet das Lebenswerk von Generationen.“ Und ob er will oder nicht, etwas Wehmut schleicht sich nun doch in seine Stimme.

Das Gitter bleibt unten: Vergangenen Sonntag hob sich das Eisengitter vor dem Eingang zum Café Kupfer zum letzten Mal.
Foto: Gudrun Klopf | Das Gitter bleibt unten: Vergangenen Sonntag hob sich das Eisengitter vor dem Eingang zum Café Kupfer zum letzten Mal.
Blick ins Innere: So sah das Mobiliar im Café Kupfer bis 1990 aus.
Foto: Café Kupfer | Blick ins Innere: So sah das Mobiliar im Café Kupfer bis 1990 aus.
Das Haus um 1920.
Foto: Café Kupfer | Das Haus um 1920.
 
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