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Theinheim
Bürokratie nach dem Hochwasser: Warum zwei Sägewerksbetreiber aus Theinheim verärgert sind
Das Holz auf ihrem Hof wurde durch das Wasser beschädigt. Doch um Hilfen zu beantragen, müssten sie selbst ein Gutachten zahlen – ein Verfahren mit unsicherem Ausgang.
Hochwasserschäden im Sägewerk Dümler in Theinheim: Eduard Dümler zeigt den farblichen Unterschied zwischen dem beschädigten Holz (oben) und den Brettern, die nicht mit Wasser und Schlamm in Berührung gekommen sind.
Foto: Peter Schmieder | Hochwasserschäden im Sägewerk Dümler in Theinheim: Eduard Dümler zeigt den farblichen Unterschied zwischen dem beschädigten Holz (oben) und den Brettern, die nicht mit Wasser und Schlamm in Berührung gekommen sind.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:01 Uhr

Nach Naturkatastrophen versprechen Politiker oft "unbürokratische Hilfen" für die Betroffenen. Auf ebendiese haben auch Eduard und Willibald Dümler gehofft, nachdem das Sägewerk der beiden Brüder in Theinheim (Lkr. Haßberge) vom Hochwasser im Juli betroffen war. Dass sie nun verärgert sind, liegt weniger daran, dass es wohl doch kein Geld für sie gibt. Wütend sind sie vor allem wegen des bürokratischen Aufwandes, den die Anträge für sie bedeuteten.

Eigentlich, so erzählen die beiden, wollten sie gar keinen Antrag auf Hilfen stellen, schließlich waren die Schäden nicht existenzbedrohend. Doch dann kam eine E-Mail aus dem Landratsamt. "Die Regierung von Unterfranken fragt nun sehr kurzfristig an, welche Schäden entstanden seien und bittet um eine grobe Kostenschätzung", heißt es dort. Das Schreiben ist so formuliert, dass es sich für die Sägewerkbetreiber wie eine Aufforderung liest: Man solle doch Schäden bitte geltend machen, wenn welche entstanden sind.

Das Wasser reichte Eduard Dümler bis zum Knie

Das taten sie dann auch. Immerhin fließt die Rauhe Ebrach direkt hinter ihrem Betriebsgelände vorbei. Beim Hochwasser trat der Bach über die Ufer, sodass der Hof, auf dem die Dümlers Holzbretter lagern, überschwemmt wurde. Etwa knietief stand Eduard Dümler im Wasser, als er am Tag des Hochwassers über den Hof lief.

Direkt hinter dem Sägewerk fließt die Rauhe Ebrach.
Foto: Peter Schmieder | Direkt hinter dem Sägewerk fließt die Rauhe Ebrach.

Das Wasser habe Schlamm mitgebracht, der die Bretter, die unterhalb der Wasserlinie lagen, beschädigte. Das Holz werde dadurch zwar nicht komplett unbrauchbar, es müsse aber aufwendig gereinigt werden und auch die Qualität leide darunter. So schätzten Eduard und Willibald Dümler den Schaden an insgesamt 27 Holzstapeln schließlich auf 6000 bis 7000 Euro, die sie in ihrem Antrag auf Hochwasserhilfen geltend machten.

Doch dann folgte ein langer Schriftverkehr zwischen den beiden Geschäftsführern des Sägewerks und den Behörden. Die E-Mails liegen der Redaktion vor, daneben gab es aber auch Telefonate der Brüder mit den zuständigen Stellen. Wie die beiden berichten, habe das Landratsamt den Antrag zunächst abgelehnt, weil es in der Soforthilfe zunächst nur um Schäden an Privateigentum ging, nicht um Schäden in Betrieben. In schriftlicher Form findet sich diese Begründung nicht, allerdings schrieb ein Katastrophenschutz-Sachbearbeiter des Landratsamtes am 19. August: "Voraussichtlich in der kommenden Woche wird es eine Soforthilfe für gewerbliche Unternehmen aus Mitteln des Bayerischen Wirtschaftsministeriums geben. Vielleicht fängt diese Hilfe den von Ihnen beschriebenen Schaden ab."

Die Aussage des Bürgermeisters reicht nicht aus

Immer wieder hieß es in dem Prozess, die Angaben der Sägewerks-Geschäftsführer würden nicht ausreichen und sie müssten mehr, genauere und detailliertere Belege vorlegen. "Es heißt immer 'sofortige, unbürokratische Unterstützung' und dann kommt sowas", kommentiert Eduard Dümler den Schriftwechsel und bezeichnet das Verhalten der Behörden als "Unverschämtheit".

Zunächst forderte das Landratsamt zum eingereichten Antrag eine amtliche Schadensermittlung der Gemeinde. Bürgermeister Matthias Bäuerlein sei zum Sägewerk gekommen und habe sich vor Ort angesehen, was das Hochwasser angerichtet hatte, berichten die Dümlers. Außerdem dokumentierten sie mit Fotos, wie hoch das Wasser gestanden und welchen Schaden der Schlamm hinterlassen hatte.

An einem noch nicht umgelagerten Holzstapel ist gut zu sehen, wie hoch das Wasser stand.
Foto: Peter Schmieder | An einem noch nicht umgelagerten Holzstapel ist gut zu sehen, wie hoch das Wasser stand.

In einem Antwortschreiben der Regierung von Unterfranken heißt es allerdings: "Die E-Mail des Bürgermeisters kann nicht als Aussage eines Sachverständigen anerkannt werden." Und in einer Mail aus dem Landratsamt Haßberge ist zu lesen: "Die dem Antrag beigefügten Bilder sind unbrauchbar."

Missverständnis: Wie viel Hilfe wurde beantragt?

In einem Punkt dürfte es zudem ein massives Missverständnis zwischen den Dümlers und den Behörden gegeben haben. In dem Formular, in dem die Sägewerksbetreiber die Höhe des Schadens beziffern, haben sie bei "Unbedingt erforderliche Aufwendungen für die Beseitigung von Schäden" die 6000 bis 7000 Euro eingetragen, auf die sie den Schaden an ihrem Holz schätzen. Eine Zeile darunter ist im Vordruck "am Betriebsvermögen" zu lesen, dahinter wieder ein Feld, in dem Platz ist, um etwas auszufüllen.

Offenbar ist das Formular so konzipiert, dass erst in dieser unteren Zeile einzutragen ist, welcher Schaden am Betriebsvermögen entstanden ist. Willibald Dümler hatte den Vordruck hingegen so verstanden, dass er in der ersten Zeile die entstandenen Schäden eintragen sollte, in der zweiten das gesamte Betriebsvermögen, weshalb er dort den Betrag von 300 000 Euro eingetragen hat.

So lässt sich aus einigen E-Mails herauslesen, dass beide Seiten aneinander vorbeiredeten: Während für die beiden Sägewerks-Geschäftsführer klar war, dass sie einen Antrag auf Hilfen in Höhe von 6000 bis 7000 Euro gestellt hatten, gingen die Behörden offenbar davon aus, dass die Brüder Schäden von insgesamt 306 000 bis 307 000 Euro geltend machen wollten.

Ein Gutachten wäre zu teuer

Allerdings hätte dieses Missverständnis spätestens mit einer Mail aufgeklärt sein müssen, die Willibald Dümler am 18. August an das Landratsamt schrieb. Dort beschreibt er die Situation in Worten: "Die ganzen Stapel sind ja im Durchschnitt 4,20 Meter hoch und haben einen Wert von circa 300 000 Euro. Vom Hochwasser betroffen ist der untere Bereich von circa 60 Zentimetern."

Etwa 60 Zentimeter hoch stand das Wasser auf dem Hof des Sägewerks.
Foto: Eduard Dümler | Etwa 60 Zentimeter hoch stand das Wasser auf dem Hof des Sägewerks.

Dennoch schreiben die Behörden auch im weiteren Verlauf, die Schadenshöhe sei nicht genau beziffert. Man könne mit Dümlers Angaben nichts anfangen. Einen neuen, überarbeiteten Antrag auf Hilfen an die Regierung von Unterfranken haben die beiden mittlerweile vorbereitet, aber noch nicht eingereicht.

Zudem hatte die Regierung die beiden letzten Jahresbilanzen des Unternehmens sowie ein Gutachten über die Schadenshöhe angefordert. "Die zwei letzten Bilanzen kann ich ihnen zeigen", sagt Willibald Dümler. Allerdings will er den Antrag ohne Gutachten einreichen. "Das Unverschämte ist: Ich soll den Gutachter bestellen, dann muss ich den auch zahlen", sagt er. Sollte der Antrag abgelehnt werden, würde das Sägewerk nicht nur auf dem Hochwasserschaden sitzen bleiben, sondern auch auf dem teuren Gutachten.

Hilfe nur in existenziellen Notlagen

Und das Risiko, dass der Antrag abgelehnt wird, scheint groß zu sein. Denn in einem Schreiben aus dem Landratsamt heißt es, es könne keine Notstandsbeihilfe gezahlt werden, wenn keine finanzielle Notlage bestehe. Der Härtefonds sei nur für existenzielle Notlagen gedacht. "Der Staat kann nicht sämtliche durch ein Naturereignis zugefügten Schäden ausgleichen."

Das sehen auch die Dümlers ein, ebenso wie die Tatsache, dass die Schäden an ihrem Holz weit davon entfernt sind, existenzbedrohend zu sein. Doch sie ärgern sich darüber, dass sie diese Information erst sehr spät erhalten haben, nachdem sie Anträge gestellt und zahlreiche E-Mails geschrieben haben, die sie sich wohl hätten sparen können.

In einer früheren Fassung das Artikels war zu lesen, Bürgermeister Thomas Sechser sei vor Ort gewesen. Tatsächlich war es Bürgermeister Matthias Bäuerlein.

 
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