Das Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Hainert hält vor der geschotterten Einfahrt von Christiane Grünewald. Zwei Männer steigen aus. "Wir holen die Pumpe", ruft einer von ihnen. Christiane Grünewald nickt zögerlich - und atmet tief ein. "Die Pumpe hatten wir bis heute geliehen. Wir haben einfach unglaubliche Angst, dass das Wasser wieder kommt", sagt die Mutter von drei Kindern - und blickt hinauf auf den Hang, von dem am vergangenen Freitag die Fluten den Berg hinab strömten, geradewegs zu auf ihr Haus, hinein in den Keller.
Drei Tage nach dem Hochwasser strahlt die Sonne am Himmel über dem Knetzgauer Ortsteil Hainert. Doch das soll sich schon bald wieder ändern, sagen Meteorologen.
Familie Grünewald, Knetzgau: Als die zweite Flut binnen fünf Tagen kam
Die Fluten vom vergangenen Freitag trafen Teile Unterfrankens mit voller Wucht. Im Kreis Haßberge war das Hochwasser besonders verheerend, etwa 200 Einsätze verzeichneten die Feuerwehren hier. Viele Menschen stehen nun vor einem Scherbenhaufen. Menschen wie Christiane Grünewald. Auf der Wiese vor dem Haus befindet sich das Hab und Gut der Familie, das dem Wasser zum Opfer fiel: Kühlschrank, Gefriertruhe, Waschmaschine, Trockner.
Aber nicht nur das. "Die Liste ist gefühlt endlos", sagt Christiane Grünewald und blickt in den Entsorgungscontainer vor dem Haus, der bis zur Hälfte befüllt ist mit Teppichen, Stühlen und Möbeln. "Da kommen mir die Tränen. Und ein Container wurde schon abgeholt."
Es war das zweite Hochwasser innerhalb von fünf Tagen, das die Familie traf. Schon am Sonntag zuvor war der Keller vollgelaufen, 60 Zentimeter hoch. "Das Wasser strömte durch die Licht- und Heizungsschächte - ein vergeblicher Kampf", sagt sie. "Natürlich fragt man sich da: Warum schon wieder wir?"
Wie groß der Schaden am Ende sein wird, ist noch unklar. In den ersten Tagen war das Haus jedoch unbewohnbar, die Kinder müssen seither bei den Großeltern schlafen. "Wir haben so viel Unterstützung erhalten", sagt Grünewald, "das ist echt toll."
Doch die Angst vor dem Wasser ist weiterhin da: "Als es am Samstag erneut geregnet hat, fragte meine elfjährige Tochter, ob unser Keller nun schon wieder voll läuft. Ob wir schon wieder die Feuerwehr holen müssen. Das tut mir als Mutter natürlich weh."
Familie Ortegel, Zeil: Als die Altach zum reißenden Strom wurde
Die Zeiler Altach fließt am Montagnachmittag wieder gemächlich an der alten Mühle von Familie Ortegel vorbei. Nur das Schilf, das niedergewalzt von den Fluten auf dem Grund des Bachlaufs liegt, zeugt von der Wucht des Wassers vom frühen Freitagnachmittag.
In der Mühle, in der Karen, 76, und Lorenz Ortegel, 85 leben, schreiten die Aufräumarbeiten indes voran. Karen Ortegel und Schwiegertochter Ute Ortegel tragen bereits neues Inventar in das Wohnzimmer. Das blaue Sofa und die graue Wohnwand stehen bereits. "Wir kommen gerade vom Möbelhaus", erzählt Ute Ortegel mit Optimismus in der Stimme. Noch vor drei Tagen sah das anders aus. Da stand die Familie hier fast kniehoch in der braunen Brühe.
"Am Freitagmittag saßen wir noch gemeinsam am Esstisch: die Enkelkinder, mein Sohn und seine Frau, die gerade alle zu Besuch sind", erinnert sich Karen Ortegel. Dann kam das Wasser. Hundert Meter oberhalb der Mühle trat es über seine steinerne Fassung - und floss unaufhaltsam in das ebenerdige Erdgeschoss der Ortegels: in Wohnzimmer und Küche, in Büro und Bad. "Das große Schöpfen begann.", sagt Karen Ortegel. "Bis 23 Uhr haben wir geschöpft. Es müssen tausende Eimer gewesen sein".
Als das Wasser ging, blieb der braune Schlamm. Er drang ein in jeden Schlitz, in jede Öffnung: in den Kachelofen, die Waschmaschine, die Küchengeräte, die Schränke. Er hinterließ eine Spur der Verwüstung. Heute erinnert daran noch ein brauner Rand entlang der weißen Wand.
"Das Schlimmste aber sind die vielen Erinnerungsstücke, die verloren gegangen sind. Die alten Fotos, die an das Leben hier erinnern", sagt Ute Ortegel. Tatsächlich ist ihr Schwiegervater in der Mühle neben der Altach, die auch Krumbach genannt wird, aufgewachsen. "Seit 85 Jahren wohne ich hier, so ein Hochwasser habe ich aber noch nicht erlebt", erzählt Lorenz Ortegel.
Die Belastung der vergangenen Tage zehrt inzwischen an den Kräften der Familie. "Meine Energie ist weg", sagt Karen Ortegel. Sie ist dankbar, besonders für die helfende Hand ihrer Schwiegertochter: "Ohne sie und unseren Sohn wären wir heute noch nicht so weit. Wir säßen wohl noch auf unseren feuchten Möbeln."
Gerhard Zapf, Ebern: Als das Wasser die Mauer zum Einsturz brachte
Zehn Meter lang ist die Mauer aus rotem Backstein im Garten von Gerhard Zapf eigentlich. Und zwei Meter hoch. Doch die Mauer steht nicht mehr. Das massive Bauwerk konnte den noch massiveren Wassermassen des Angerbachs nicht standhalten, die sich in Ebern am Freitagnachmittag ihren Weg durch die tiefergelegenen Stadtteile bahnten.
Unterspült von der starken Strömung brach das Bauwerk im Garten von Gerhard Zapf innerhalb weniger Stunden in sich zusammen.
"Ich habe so etwas in meinem Leben noch nicht gesehen", erzählt Zapf, der vier Tage nach dem Hochwasser noch immer mit Aufräumarbeiten beschäftigt ist. Mit dem Dampfstrahler reinigt er den Innenhof seines Fachwerkhauses und spült die verbliebenen Spuren des Hochwassers von Ebern zurück in die Kanalisation.
Aber nicht nur im Garten, wo die Flut Bäume und Beete dem Erdboden gleichmachte, sorgte das Wasser des Angerbachs für großen Schaden. Es drang auch in das Gebäude ein. "Ich wohne hier wie meine Nachbarn am tiefsten Punkt der Stadt", sagt Zapf. Tatsächlich galt der Angerbach in Ebern, der für die Fluten verantwortlich ist, als sicher. Für ein hundertjähriges Hochwasser sollte die Einfassung ausgelegt sein. Wie hoch der Schaden am Ende sein wir, ist noch nicht klar, sagt Zapf. "Ich warte noch auf den Gutachter. Doch Gutachter haben aktuell viel zu tun."