Überlegungen dazu gab es schon lange. Jetzt hat die Gemeinde Breitbrunn Nägel mit Köpfen gemacht. Sie hat den "Weißen Bock" gekauft, sprich das ganze Areal der seit gut zehn Jahren leer stehenden Gastwirtschaft in der Ortsmitte erworben. Das hat Bürgermeisterin Ruth Frank am Donnerstag gegenüber der Redaktion bestätigt. Der bisherige Eigentümer, die ehemalige Gastwirtfamilie, und die Gemeinde hätten die Notarverträge Ende Oktober unterzeichnet, sagte Frank. Die Immobilie soll für knapp eine Viertelmillion Euro den Besitzer gewechselt haben.
Welches Ziel verfolgt die Gemeinde mit dem "Weißen Bock"?
Kann man ein Angebot, das nicht existent ist, bewerten? Im gesamten Gemeindegebiet von Breitbrunn, Kernort plus Ortsteile, gibt es keine einzige Kneipe mehr - und das ist selbst für abgelegene Landstriche ungewöhnlich. Beim Haßberge-Check, der großen Online-Umfrage der Redaktion zur Lebenssituation in den einzelnen Kommunen und Teilgebieten des Landkreises Haßberge, haben die Breitbrunner der Kategorie "Gastronomie" folglich mit deutlichem Abstand die schlechteste Note gegeben.
"Ein Dorf ohne Gasthaus, da fehlt schon ein Stück Heimat und Lebensqualität", weiß Bürgermeisterin Frank. Es sei deshalb von Anfang an das Ziel Breitbrunns gewesen, den Weißen Bock als Gastwirtschaft zu erhalten. "Seit Jahren hoffen wir, dass jemand kommt und das Ganze übernimmt."
Musste Breitbrunn das Gasthaus unbedingt kaufen?
Bürgermeisterin Frank nennt drei wesentliche Gründe, warum die Gemeinde nun fast 250 000 Euro investiert und die Immobilie selbst erworben hat - Unterhalt und Planungskosten kommen noch hinzu: Erstens hat es die Lokalpolitik nun selbst in der Hand, was aus dem alten Gasthaus wird. Es gab offensichtlich Kaufinteressenten für die ortsbildprägende Immobilie, deren Nutzungsideen im Rathaus nicht auf große Begeisterung stießen. Ungewünschten Entwicklungen ist nun vorgebeugt.
Zweitens habe die Gemeinde ganz andere Möglichkeiten, an Fördergelder für Maßnahmen zur notwendigen Sanierung oder Modernisierung zu kommen als ein Gastronom. Und drittens sei es angesichts der Corona-Pandemie ohnehin nicht wahrscheinlich, dass sich schnell ein Pächter finde, der auch noch viel Geld für Renovierung oder Umbaumaßnahmen mitbringe. "Wir haben jetzt Sicherheit - und notfalls können wir das Gasthaus zu einem späteren Zeitpunkt weiterverkaufen", sagt die Rathauschefin.
Ist der "Weiße Bock" aus heutiger Sicht nicht zu groß?
Ruth Frank weiß die Zahlen auswendig: 780 Quadratmeter Nutzfläche auf 1000 Quadratmeter Grund. Einst war der "Weiße Bock" eine stolze Gastwirtschaft mit mehreren Wirtsstuben, aber eben auch mit darüber liegenden Wohnungen. 2004 feierte die Wirtsfamilie den 100. Geburtstag ihres Betriebs. Potenzielle Pächter aber könnten die genannten Dimensionen abschrecken. Zumal es Breitbrunn dank des 1993 eingeweihten Gemeindezentrums nicht an einem komfortablen Veranstaltungsort fehlt. Der Bürgermeisterin schweben deshalb für den "Weißen Bock" durchaus Doppelnutzungen vor, etwa Kneipe und Ferienwohnungen. Aber: Soweit will sie noch gar nicht denken. Erst einmal kommen die Bürgerinnen und Bürger ins Spiel.
Was die Gemeinde von ihren Bürgerinnen und Bürgern verlangt
"Der Gemeinderat braucht die Gastwirtschaft nicht. Die Bürger müssen sich entscheiden, ob sie das Gasthaus wollen", verkündet Frank. Soll heißen: Weder Verwaltung noch Lokalpolitik wollen der Bevölkerung hier ein Projekt überstülpen, das letztlich keine Akzeptanz findet. Und das möchte Frank auch von Anfang an klarmachen.
Denn keine andere Kommune weit und breit hat gerade erst eine so schmerzliche Erfahrung gemacht wie Breitbrunn, wo das im Ort erdachte und hier auch zunächst gefeierte Leuchtturmprojekt "Erlebniswelt fränkischer Sandstein" schließlich am Widerstand der Dorfbewohner selbst gescheitert ist. Bürgermeisterin Frank verlangt von ihren Bürgern ergo, Farbe zu bekennen: Wollen sie wieder ein Lokal im Ort? Welche Art Gastronomie würden sie bevorzugen? Und wenn die Breitbrunner lieber zu Hause oder auswärts essen: Was soll dann mit dem "Weißen Bock" geschehen?
Wie soll es nun konkret weitergehen?
Die Frau an der Spitze der Gemeinde plant zeitnah eine Bürgerversammlung im Kernort, die es seit ihrem Amtsantritt bedingt durch die Pandemie noch nicht gegeben hat. Diese Zusammenkunft soll ein Stimmungsbild ergeben. Über den Winter will die Gemeinde Pläne schmieden und dann im Frühjahr ein Konzept für den "Weißen Bock" präsentieren. "Im Idealfall findet sich jetzt schnell ein Pächter, den wir dann gleich in die Planungen einbeziehen", wünscht sich Ruth Frank.
Warum es mehr ist als "nur" ein Gasthaus
Die Bürgermeisterin bestreitet nicht, dass es Kritik an der jüngsten Investition der Gemeinde gibt. Aus den Erfahrungen mit der Sandsteinwelt habe sie gelernt, wie wichtig es ist, die Menschen mitzunehmen, sie ernst zu nehmen, immer wieder auf ihre Bedenken einzugehen. Was den "Weißen Bock" anbelangt, will sie deshalb für die "Riesenchance" werben, die das Vorhaben für Breitbrunn mit sich bringe. Es geht für sie nicht nur um die Wiederbelebung einer Kneipe. Es geht für sie auch um "ein neues Leuchtturmprojekt", ein Stück Zukunft für Breitbrunn, das sich die Bürgerinnen und Bürger selbst schaffen können, wenn sie sich ihrer Geschichte und Traditionen bewusst seien und trotzdem auch nach vorne blickten.