Ist es ein unauflösbarer Nutzungskonflikt? Für die einen ist Freiflächenphotovoltaik ein unerlässlicher Baustein der Energiewende beim Kampf gegen den Klimawandel. Für die anderen eine Verschwendung wertvollen Acker- und Weidelandes. Allerdings sieht man durchaus Schafe, die zufrieden unter Photovoltaikmodulen grasen. Das weiß auch Christoph Thomas, Inhaber des einzigen Lehrstuhls für Mikrometeorologie in Deutschland, der an der Universität Bayreuth angesiedelt ist.
Der Professor geht sowieso davon aus, dass Solarparks einen viel größeren Nutzen haben als den, ohne fossile Brennstoffe Energie zu erzeugen. Und will genau das in der Gemeinde Ermershausen nachweisen - an einem Sonnenkraftwerk, erst noch errichtet werden muss.
Gemeint sind positive Einflüsse der Freiflächenphotovoltaik auf ihre unmittelbare Umgebung. Und auf das Klima insgesamt. Diesen Auswirkungen der Anlage, etwa auf Windgeschwindigkeit oder Luftfeuchte, die sich allein aus ihrer Anwesenheit ergeben, wollen Thomas und sein Forschungsteam in einer Langzeitstudie auf den Grund gehen. "Es werden hier viele Argumente ins Feld geführt, die wissenschaftlich aber noch nicht belegt sind", sagt der 46-Jährige. Das gilt es nun zu ändern.
Um welche Effekte soll es sich handeln?
Solarpaneele sind dunkel, sie absorbieren Sonnenstrahlung. Sie werden sich also stark aufheizen und dadurch die Luft darüber deutlich stärker erwärmen als es über Wiese oder Acker der Fall ist. "Das wäre sicherlich vor dem Hintergrund des Klimawandels ein potenziell negativer Effekt."
Darüber hinaus aber vermutet der Geoökologe zahlreiche positive Effekte unterhalb der Photovoltaikelemente, die das Mikroklima verändern, mithin die Kreisläufe von Wasser, Kohlenstoff und Energie beeinflussen. Die Hypothese: Dadurch, dass die Konstruktion viel Sonnenlicht abfängt und Winde abbremst, erwärmt sich die Luft am Boden weniger, was gemeinsam die Verdunstung reduziert. Zu dunkel wird es der Vegetation nicht, schätzt der Forscher. "Die meisten heimischen Pflanzen können die hohen Lichtintensitäten ohnehin nicht ausnutzen", die Fotosynthese werde durch das diffuse Licht wenig eingeschränkt.
Indes dürfte mehr Bodenfeuchte auf den Flächen gerade in niederschlagsärmeren Gegenden zur Verlängerung der Vegetationsperiode führen. "Das bietet die Möglichkeit einer verstärkten Biomasseproduktion und besseren Kohlenstoffspeicherung", lautet der wissenschaftliche Ansatz. Professor Thomas denkt noch weiter, etwa daran, dass die Böden dann Wasser besser aufnehmen könnten, was dem Hochwasserschutz und der Grundwasserneubildung zugute käme.
Warum ausgerechnet Ermershausen?
Zunächst einmal, weil der Solarpark etwa zwei Kilometer nordwestlich der Ortschaft zwar bis spätestens Frühjahr 2023 gebaut sein soll, aber eben noch nicht steht. Andernfalls hätte die Wissenschaft keine Vergleichsmöglichkeit mehr zur Situation vor dem Ausbau der Solarpaneele. Außerdem scheint über Ermershausen häufig die Sonne, es gibt relativ wenig Bewölkung und Niederschläge - folglich rechnen die Bayreuther Geowissenschaftler mit deutlichen Effekten des Solarparks. Und der passt zudem mit seinen 49 Hektar, knapp einem halben Quadratkilometer, gut in den Maßstab, in dem die Mikrometeorologie arbeitet: Sie betrachtet atmosphärische Prozesse in Skalen bis zu einem Kilometer (und in zeitlicher Auflösung von 20 Minuten bis zu einer halben Stunde).
Und schließlich ist da noch der Solarpark-Projektierer Südwerk (Burgkunstadt), der den Forschungen gegenüber aufgeschlossen ist. Geschäftsführer Manuel Zeller Bosse beobachtet schon seit längerem eine "rasch zunehmende Biodiversität und eine üppige Vegatation" in seinen Sonnenkraftwerken und hatte nach eigenem Bekunden selbst die Idee, hier wissenschaftliche Untersuchungen anzustoßen. Umso schöner, dass die Uni Bayreuth dann auf ihn zukam.
Wie wird in Ermershausen geforscht?
Schon jetzt ist die nötige Technik vor Ort: Im östlichen Randbereich des Solarparkareals steht ein sechs Meter hoher Messturm. An ihm angebrachte Instrumente zeichnen 20 Mal pro Sekunde Parameter auf wie Richtung und Geschwindigkeit des Windes, Lufttemperatur und Luftfeuchte oder ihr Gehalt an Kohlenstoffdioxid. Die Experten messen aber nicht nur in der Luft, sondern auch im Boden, auch hier geht es zum Beispiel um Wassergehalt, Temperatur und Dichte.
Die Datenerhebung erstreckt sich über mindestens drei Jahre: Lange genug, um die Situation vor dem Bau, während der Bauphase und nach Inbetriebnahme des Solarfelds zu erfassen. Informationen sammeln ist das eine, die Auswertung das andere. Was Software, Statistik und Interpretation anbelangt, "ist das unser Kerngeschäft, da sind wir die Experten", beschreibt der Wissenschaftler das Alleinstellungsmerkmal seines Lehrstuhls.
Ist diese Art der Forschung neu?
Soweit es sich um eine Photovoltaikausbaufläche handelt, ist es das erste größere mikrometeorologische Projekt überhaupt, sagt Professor Thomas. Insgesamt sind er und seine Mitarbeiter mit diesem Instrumentarium allerdings schon seit Jahren weltweit unterwegs: "Wir waren in der Antarktis und der Arktis, im tropischen Regenwald, den Wäldern Nordamerikas und dem Fichtelgebirge."
Der Forscher spricht von bis zu 800 Messstellen, die inzwischen mit dieser Methodik arbeiten, die auch einen Namen hat: Eddy-Kovarianz-Methode. Das englische Wort "eddy" bedeutet Wirbel und meint hier die einzelnen turbulenten Luftwirbel, die den Austausch von Energie oder Wasserdampf überhaupt erst möglich machen. Kovarianz ist die statistische Größe, die die Wissenschaftler für diesen Austausch berechnen.
Wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?
Da bereits Messungen laufen und dies fortwährend der Fall sein wird, ist mit ersten Erkenntnissen zu rechnen, sobald der Bau des Solarparks beginnt. Dessen Einflüsse sollten sich dann unverzüglich in den Messergebnissen niederschlagen. In der Folgezeit werden Studierende mit Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten dazu beitragen, das Bild zu verfestigen, wie sich die Wärme-, Wasser- und Kohlenstoffbilanzen auf den Ermershäuser PV-Flächen verändern.
Werden die Ergebnisse übertragbar sein auf alle Solarparks in Mitteleuropa?
Das ist Professor Thomas zu hoch gegriffen; er geht aber davon aus, dass das Beispiel Ermershausen wertvolle Erkenntnisse zumindest für den fränkischen Raum und Gebiete mit ähnlichen klimatologischen Rahmenbedingungen - viel Sonnenschein, wenig Niederschlag - bringt. Und vielleicht sind die Ergebnisse so aussagekräftig, dass sie in "Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu einer Neubewertung von Photovoltaikanlagen führen". Das wäre ganz im Sinne der Geoökologie, die nach den Worten des Hochschullehrers großes Interesse an den gesellschaftlichen Auswirkungen etwa von Energiewende und Klimawandel hat. Und deshalb wissenschaftlich fundierte Grundlagen für Entscheidungen und zum Handeln liefern möchte.
Letzte Frage: Was passiert, wenn sich die Messjahre vom Klima her völlig unterscheiden?
"Das wäre ein gewisser Pferdefuß", meint der Projektleiter. Es würde die Vergleichbarkeit schon einschränken, folgte etwa auf ein extremes Trockenjahr vor dem Bau ein überaus nasses Jahr nach der Inbetriebnahme. Aber: Die Langzeitstudie wäre dadurch nicht grundsätzlich gefährdet. Denn es werde von Projektphase zu Projektphase immer wieder einzelne Tage, Wochen oder Monate mit weitgehend übereinstimmendem Wetter geben, die dann die gewünschten Vergleiche beziehungsweise Rückschlüsse zuließen.
Liebe Grüße, Martin Sage
Solar-Strom kann deutlich günstiger produziert werden als bspw. Kohle- oder Atomstrom. Natürlich wollen die PV-Betreiber Gewinn erwirtschaften und Ihr Geld nicht verschenken. Genauso wie RWE oder Eon mit den Kohle-/Atomkraftwerken auch.
Solaranlagen oder Windkraftanlagen sehen wirklich nicht besonders schön aus. Aber immernoch besser als Tagebaue oder ein Atommüll-Lager direkt vor der Haustüre.
Photovoltaik ist bei der Energie-Erzeugung pro Fläche deutlich effizienter als Energie-Pflanzen wie Mais oder Raps ("Bio"-Gas, "Bio"-Diesel, etc.). So wird durch Photovoltaik die Fläche besser genutzt und bzw. frei für Nahrungsmittelanbau.
Nach allgemeinen statistischen Erhebungen verbraucht ein 1-Personen-Haushalt im Jahr ca. 2.300 Kilowattstunden. Damit dürfte die Berechnung in diesem Artikel nicht ganz korrekt sein, dass 50 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr etwa dem Strombedarf von 1200 Personen entspricht (50.000 000 / 2300 = ca. 21.739).
Bei einem 2-Person-Haushalt mit ca. 3.500 kWh pro Jahr würden die 50 Mio kwh dann für ca. 14.285 Haushalte reichen, also für insgesamt ca. 28.570 Personen.
vielen Dank für den Hinweis, wir werden die Angaben nochmals prüfen und gegebenenfalls korrigieren. Vielen Dank,
Martin Sage
sorry, es hat etwas gedauert: Hier nun die Angaben des Solarpark-Projektierers Südwerk: Die geplante Anlage erzeugt etwa 50 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Damit kann der Energiebedarf von 1200 Personen gedeckt werden oder der Strombedarf von ungefähr 38.000 Personen. Der durchschnittliche Energiebedarf pro Person liegt in Deutschland derzeit bei ca. 43.000 kWh pro Jahr. Der durchschnittliche Strombedarf pro Person liegt bei 1.300 kWh pro Jahr. Die Anlage würde also laut Südwerk um ein Vielfaches mehr Personen mit Strom versorgen als mit Energie. Das liege daran, dass Strom lediglich nur einen geringen Anteil der Energie ausmacht.
Vielen Dank nochmals für die kritische Nachfrage, liebe Grüße aus der Redaktion, Martin Sage
Ich bitte dennoch um etwas Nachsicht, weil es sich in diesem Fall ja wirklich nur um eine Randnotiz gehandelt hat. Es geht ja nicht um die Stromerzeugung des Solarparks, sondern um seine Auswirkungen auf die Umgebung.
Trotzdem werde ich das nächste Mal besser aufpassen...
Liebe Grüße aus der Redaktion, Martin Sage