
Entscheidungen über große, weltpolitische Fragen werden üblicherweise nicht im Kreistag eines einzelnen Landkreises getroffen. Dennoch: Auch in einem solchen Kreistag sitzen Politiker der gleichen Parteien, die sich in Landtagen, im Bundestag oder im Europaparlament mit eben jenen großen Fragen wie dem Ausstieg aus der Atomkraft oder der militärischen Abrüstung beschäftigen. So ging es im Kreistag im Landkreis Haßberge am Montag auch darum: Sollte ein solches kommunales Gremium zu weltpolitischen Themen Stellung beziehen, einfach, um ein Zeichen zu setzen?
Kein Atomlager vor der Haustür
Gleich drei Anträge dieser Art hatten es in die Sitzung geschafft. Zwei davon stammten von den Grünen und drehten sich um den Umgang mit Atommüll – konkret im Bezug auf das nahe gelegene Kraftwerk in Grafenrheinfeld. Ein dritter stammte vom Linksbündnis, das vom Landkreis eine Positionierung zum Thema Atomwaffen fordert.
"Keiner hat gern ein Atomlager vor der Haustür", begründete Harald Kuhn von den Grünen den Antrag seiner Fraktion, sich dafür einzusetzen, dass kein Atommüll aus anderen Kraftwerken nach Grafenrheinfeld transportiert wird. Dabei beziehen sich die Grünen auf das Vorhaben der Betreibergesellschaft Preussen Elektra, radioaktive Abfälle aus dem ebenfalls stillgelegten Kernkraftwerk Würgassen in Grafenrheinfeld zwischenzulagern.
Die Bevölkerung wird verunsichert
Die Verwaltung im Landkreis kam jedoch zum Ergebnis, dass ein Teil des Verlangens nicht aufgegriffen werden könne, denn der Landkreis habe "keine rechtlich fundierte Position, um gegen Transport und Lagerung von Atomabfall vorzugehen". Allerdings gab es auch einen Antrag der CSU, der in eine ähnliche Richtung zielte wie der der Grünen, aus Sicht der Verwaltung aber die Sach- und Rechtslage eher im Blick behielt.
Die CSU verwies in ihrem Antrag auf eine Resolution des Landkreises Schweinfurt zum Rückbau des AKW Grafenrheinfeld. Darin fordern die Schweinfurter Kreisrätinnen und Kreisräte eine "von Sicherheitsinteressen geleitete Prüfung bei der Wahl des Rückbau-Verfahrens". Der Kreistag des Landkreises Haßberge beschloss einstimmig, der Resolution beizutreten und die Anliegen der Nachbarkommune zu unterstützen.
Zur Begründung hieß es, die Region müsse "mit einer Stimme sprechen", außerdem seien auch die Bürger des Haßbergkreises betroffen, obwohl die Atommülltransporte voraussichtlich nicht durch den Landkreis fahren würden. "Die Lagerung von Atommaterial an einem nicht weit von der Landkreisgrenze entfernten Standort vermag die Bevölkerung und Unternehmen zu beeinflussen bzw. zu verunsichern", heißt es in den schriftlichen Ausführungen von Landratsamts-Geschäftsführer Horst Hofmann.
Wie viel Strahlung steckt in einem Putzlappen aus dem Atomkraftwerk?
Im zweiten Antrag der Grünen ging es um die Verbrennung von "freigemessenem" Material aus dem Grafenrheinfelder Kraftwerk im GKS, dem Gemeinschaftskraftwerk in Schweinfurt. Dabei handelt es sich um Gegenstände, die zwar selbst nicht aus radioaktivem Material bestehen, aber in einem Kernkraftwerk verwendet wurden, so dass nun auch von ihnen Strahlung ausgeht – vom Schutzanzug bis zum Putzlappen. Im Gegensatz zu den Brennstäben selbst, die in ein Endlager gebracht werden müssen, kann dieses Material freigemessen werden. Sprich: Wenn eine Messung ergibt, dass die Strahlenbelastung einen Grenzwert von zehn Mikrosievert pro Jahr unterschreitet, kann dieses Material auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden.
"Ärzte ohne Grenzen" hält die Grenzwerte für gefährlich
Die Grünen beantragten allerdings, dass der Haßbergkreis in Person von Landrat Wilhelm Schneider (CSU) als Anteilseigner des GKS darauf hinwirken solle, dass die Verbrennung des freigemessenen Materials dort unterbunden wird. Harald Kuhn betonte, seine Fraktion wolle damit vor allem auf die Strahlbelastung hinweisen. Nicht zuletzt gebe es deutliche Kritik an den geltenden Grenzwerten, unter anderem warne die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" ausdrücklich, dass von diesem Material noch immer eine Gefahr ausgehe.
Wilfried Neubauer vom Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Haßberge entgegnete, er wolle die Einschätzung von "Ärzte ohne Grenzen" gar nicht in Abrede stellen, "aber wir müssen uns an die rechtlichen Grundlagen halten". Sprich: So lange die Regierung an den aktuellen Grenzwerten festhält, sei das GKS zur Entsorgung des Materials verpflichtet. Der Antrag der Grünen würde den Landrat demnach dazu verpflichten, das Gemeinschaftskraftwerk zu einem Vertragsbruch aufzufordern. So lehnte der Kreistag mit 31 zu 14 Stimmen den Antrag ab.
Wer ist für die Verteidigungspolitik zuständig?
Der dritte Antrag, bei dem es eher darum ging, ein Zeichen zu setzen, kam vom Linksbündnis, das einen Beitritt des Landkreises zum ICAN-Appell forderte. Dieser setzt sich für ein Verbot von Atomwaffen ein. Mittlerweile sind ihm auch zahlreiche Städte beigetreten. Geschäftsführer Hofmann führte aus, der Antrag sei zulässig, "es ist halt die Frage, inwieweit sich ein Landkreis mit Verteidigungspolitik beschäftigen sollte".
Steffen Vogel (CSU) stellte einen Antrag auf "Nichtbehandlung mangels Zuständigkeit". Thomas Dietzel vom Linksbündnis argumentierte dagegen: Auch der Antrag der Grünen zur Atommülllagerung in Grafenrheinfeld sei behandelt worden mit der Begründung, dass das radioaktive Material in der Nähe zum Landkreis die Bevölkerung beunruhige. Da könne doch auch das Thema Atomwaffen behandelt werden, denn auch deren Existenz beunruhige die Bevölkerung.
Zustimmung erhielt Dietzel unter anderem aus den Reihen von Grünen, ÖDP und SPD, dennoch stimmte die Mehrheit des Kreistages Steffen Vogels Antrag entsprechend dafür, das Thema gar nicht zu behandeln.