Im Film "Der Pferdeflüsterer" gewinnt Schauspieler Robert Redford das Vertrauen eines traumatisierten Pferdes und versteht es, das Tier wieder ins Leben zurückzuführen. Julius Hochrein aus Aidhausen kennt sich hingegen eher mit Pferdestärken aus. In Fachkreisen gilt der 56-jährige Kfz-Mechaniker als ausgewiesener Experte für VW-Käfer-Modelle und ist so etwas wie ein "Käferflüsterer". Schon an seiner ersten Arbeitsstelle im Autohaus Gelder in Haßfurt war er der erste Ansprechpartner, wenn es galt, einen Käfer zu reparieren.
"Bei den alten Modellen höre ich meist schon am Motor- oder Fahrgeräusch, was dem Auto fehlt", sagt Hochrein. "Wenn man ein altes Auto verstehen und genießen will, darf man auf keinen Fall die neue Technik mit der alten vergleichen. Du musst dich auf das Fahrzeug einlassen können und dich auch in die Lage der Menschen von damals versetzen können, wie zum Beispiel den Aufstieg vom Fußgänger oder Motorradfahrer zum Autofahrer", ist er überzeugt. In den 1950-er Jahren sei man schon deshalb mit so einem Auto aufgefallen, weil es sich die wenigsten haben leisten können den Kaufpreis von 5150 Mark bei einem Stundenlohn von ein bis zwei Mark aufzubringen.
Ein Käfer im Dornröschenschlaf
Seit dem Jahr 1989 ist Hochrein selbst stolzer Besitzer eines alten Käfers, Baujahr 1951. Seine Geschichte, wie er zu dem Fahrzeug kam, erinnert an die biblische Geschichte vom Vater, der seinen verlorenen Sohn wiederfindet. Im Jahr 1989 hörte Hochrein in einem Käfer-Club-Stammtisch in Schweinfurt, dass in Urspringen in der Rhön ein alter Käfer irgendwo in einem Garten im Dornröschenschlaf schlummert.
Hochrein machte sich auf in die Rhön. Er suchte den ganzen Ort ab, spähte in jedem Garten nach dem ominösen Auto. Er wollte bereits aufgeben und heimfahren, als er in der letzten Straße unter Büschen zugewuchert den Käfer. Er verhandelte mehrere Wochen mit dem Besitzer, der ihn eigentlich nicht verkaufen wollte. Der Käfer stand seit 15 Jahren im Freien und war im Boden eingesunken.
Die Karosserie war von Rost zerfressen
Hochrein investierte in zwei Jahren 1500 Arbeitsstunden, um sein Schätzchen herzurichten. Motor und Getriebe waren noch in Ordnung. Die Karosserie war vom Rost zerfressen und auch der Innenraum war weitgehend in schlechtem Zustand. Die Rückscheibe ist geteilt, wie bei allen Modellen dieser Zeit. Daher bekamen diese Autos den Spitznamen "Brezelkäfer". Der Grund für die geteilte Heckscheibe ist banal: In der 1950ern war es noch sehr teuer und aufwendig, Glas zu biegen, weiß Hochrein. Deshalb wurden anstelle einer gebogenen zwei gerade Scheiben verbaut.
Für die Wiederherstellung des restaurierungsbedürftigen Vehikels verwendete Hochrein ausschließlich Originalteile. Dafür wurde das Auto auch schon als schönster Käfer in Wolfsburg prämiert. Der Käfer wurde übrigens in den 1950er Jahren noch nicht so genannt. Offiziell wurde er am 17. Juli 1951 als "11 C Exportlimousine" ausgeliefert. Erst später verwendeten die US-Amerikaner in der Werbung den Namen "Beetle", zu Deutsch Käfer. Der setzte sich Ende der 1960-er Jahre dann auch in Deutschland durch.
Eine Reise nach Wolfsburg zum Jubiläum
Vor kurzem konnte der Jubilar einen runden Geburtstag feiern, nämlich den Siebzigsten. Dazu spendierte Hochrein seinem Schmuckstück eine Reise an dessen Geburtsort. Er wählte eine Route, wie es sie auch in den 1950er Jahren schon gab – fernab der Autobahnen, quer durch den Harz. Pünktlich am Geburtstag fuhr Hochrein vor dem VW-Museum am Stammsitz des Unternehmens in Wolfsburg vor und wurde herzlich empfangen. Es wurden Fotos gemacht und Hochrein erhielt freien Eintritt ins Museum. Die rund 400 Kilometer nach Wolfsburg absolvierte er mit seinem Käfer in knapp sieben Stunden. Dabei verbrauchte der 25 PS starke Volkswagen 6,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer.
"Er läuft und läuft und läuft", wiederholt Hochrein einen bekannten VW-Werbeslogan. Der erste Käfer ist der 1951er VW allerdings bei weitem nicht. Er trägt die Fahrgestellnummer 1-0267823, das heißt, er ist der 267 823. Käfer, den VW je gebaut hat. Schon 1938 lief der erste Käfer vom Band. Erst 2003 endete die Produktion. Mit insgesamt 21 529 464 hergestellten Exemplaren war der VW Käfer lange Zeit das meistgebaute Auto der Welt. Inzwischen hat nur das VW-Erfolgsmodell Golf den alten Veteran in Stückzahlen überflügelt.
65 Jahre lang das gleiche Modell
Was aber nur der Käfer von sich behaupten kann: Der letzte Käfer aus dem Jahr 2003 war im Grunde das gleiche Modell wie das aus dem Jahr 1938: Er hatte die gleiche Form, den gleichen Hinterradantrieb, den gleichen luftgekühlten Motor, die gleiche Federung und das gleiche Zentralrohrchassis.
Hochrein hat übrigens noch andere Autos in seinen Garagen stehen – freilich alles Volkswagen. "Ich fahr nix anderes", sagt er. Man glaubt es ihm.