Er läuft und läuft und läuft: Der VW 1302 von Johann Geißler aus Marktheidenfeld ist vor fast 40 Jahren erstmals zugelassen worden. Das Kennzeichen MAR – Z 340, das der kasanrote Käfer damals zugeteilt bekommen hat, trägt er heute noch – ergänzt um den Zusatzbuchstaben „H“, den „historische Fahrzeuge“ bekommen können, die mindestens 30 Jahre alt sind. Geißlers Käfer ist das letzte Auto, das in Marktheidenfeld mit einem MAR-Nummernschild herumfährt.
„Annemir'l“ heißt der kugelige Wagen – eine Hommage an seine erste Besitzerin: Annemarie Winkler, die ihren Neffen Johann nach dem Tode von dessen Großeltern großgezogen hatte, kaufte den VW im Jahre 1972 für 5700 D-Mark bei der Firma Helmut Hettinger; zugelassen wurde er am 11. April. Der Schriftzug mit dem Namen der inzwischen verstorbenen Tante klebt links am Heck, zwischen der silbernen Typenbezeichnung und den Lüftungsschlitzen.
Die Welt hat der Käfer nicht gesehen, meistens war er auf der B 8 zwischen Marktheidenfeld und Würzburg unterwegs, wo Annemarie bei der Universität arbeitete. Als Johann den VW 1994, also nach 22 Jahren, übernahm, hatte dieser gerade mal 19 200 Kilometer zurückgelegt. Inzwischen hat er immerhin 61 850 Kilometer auf dem Buckel. In den vergangenen drei Jahren ist der Käfer jedoch kaum gefahren worden; am 11. Juni 2008 hat Geißler ihn das letzte Mal vollgetankt. Sämtliche Tankquittungen verwahrt der 54-Jährige in einem schon etwas ausgebleichten Heftchen im Handschuhfach.
Als „Nutzfahrzeug“ verwendet Geißler den schnuckeligen Wagen kaum. „In erster Linie fahre ich damit zu Oldtimertreffen“, erzählt er. Regelmäßige „Bewegungsfahrten“ müssen aber ebenfalls sein; denn je länger der Käfer in der Scheune, in der er abgestellt ist, vor sich hindämmert, umso größer ist die Gefahr, dass er „einrostet“ und irgendwann nicht mehr anspringt.
Wenn Geißler mit seinem „Annemir'l“ übers Land zuckelt, hat er stets den gleichen Beifahrer: Auf dem weißen Kunstledersitz hockt Nikou, ein Plüsch-Gorilla, mit breiter Zigarre im Maul und blauer Käppi auf dem Kopf, auf der ein Aufnäher mit der Aufschrift „Rettungsassistent“ prangt. An der Fahrertüre steht in schwarzen Lettern „Die Rettung naht – Johann kommt!“ Aus gutem Grund: Geißler ist seit 35 Jahren Rettungssanitäter beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) und Wachleiter in Marktheidenfeld.
Wenn er nicht gerade als Retter im Einsatz ist, ist Geißler „am Wurschteln“, wie er sagt. Das heißt, er bastelt in seiner Werkstatt an Autos herum, an denen von Bekannten oder an seinen eigenen. Nicht weniger als acht Stück hat er, darunter neben dem Käfer noch zwei weitere Oldtimer: ein Audi 100 CD 5E, Baujahr 1978, und ein Mercedes-Benz W 116, Baujahr 1977. Zwei Zündapp-Mopeds von 1961 nennt Geißler ebenfalls sein Eigen – und, nicht zu vergessen, sein erstes Mofa, das er 1972 bekam.
So viele Fahrzeuge zu besitzen, ist natürlich nicht ganz billig. Alleine für seinen Käfer zahlt Geißler jährlich 199 Euro Kfz-Steuer und 80 Euro Versicherung. Hätte der VW nicht das „H“-Kennzeichen bekommen, müsste Geißler noch deutlich mehr berappen (siehe Infokasten). Weil er seine Autos aber heiß und innig liebt, greift er für sie auch tiefer in die Tasche. „Fast jeder hat doch ein Hobby, das Geld kostet“, sagt Geißler.
Sein Käfer steht da wie eine Eins – kaum zu glauben, dass er im nächsten Jahr seinen 40. „Geburtstag“ feiert. Macken hat er keine, Spuren von Rost sucht man vergeblich. Neue Stoßdämpfer habe der VW einmal bekommen und auch der Auspuff sei nicht mehr der erste, aber sonst sei er noch im Originalzustand, sagt Geißler.
Damit er im April wieder durch den TÜV kommt, bekommt der Wagen in der nächsten Woche vier neue Bremsbeläge. Den „Eingriff“ lässt Geißler bei seinem Freund, dem Kfz-Meister Rainer Schätzlein, in Marienbrunn vornehmen. Und der wird gewiss dafür sorgen, dass der Käfer auch weiter läuft und läuft und läuft . . .
ONLINE-TIPP
Viele Bilder von Johann Geißlers Käfer unter www.mainpost.de/regional/main-spessart/marktheidenfeld.
Oldtimer-Kennzeichen
In Deutschland genießen Besitzer von Oldtimern für ihre Fahrzeuge steuerliche Vergünstigungen, zu erkennen am „H“ am Ende des Autokennzeichens. Auch die Versicherungskosten sind oftmals niedriger, soweit ein weiteres „normales“ Alltagsfahrzeug darauf hindeutet, dass der Oldtimer nur zum Vergnügen unterhalten wird. Das „H“-Kennzeichen wird erst nach einer technischen Untersuchung zugeteilt, in der der originale bzw. zeitgenössische und gut erhaltene Zustand des Fahrzeugs bestätigt wird. Bei veränderten Fahrzeugen (Leistungssteigerung, Fahrwerksumbauten) oder durch alltägliche Verwendung abgenutzten Altfahrzeugen verweigern die technischen Prüfer oftmals den „H“-Status.