TÜV-Termin wäre im April 1961 gewesen. Und auch das Ölwechselschild im Motorraum kündet von früher: „Durchgeschmiert: 25.5. 61“, ist dort zu lesen. Und trotzdem ist der blaue Käfer in einem hervorragenden Zustand. Auch wenn hier und da ein paar Dellen zu sehen sind, ist er Manfred Künzels Liebling. „So ein Auto bekommt man – wenn überhaupt – nur einmal im Leben.“
Künzel ist verrückt nach den Wolfsburger Kultautos. Zehn VW Käfer hat er mittlerweile zuhause stehen – die meisten sind auch fahrtüchtig. Mit dem Blauen hat sich der Augenoptiker aus Ebern aber einen Herzenswunsch erfüllt: Baujahr 1952 – genau so alt wie der Besitzer –, ein relativ seltenes Modell, ein sogenannter „Brezelkäfer“. Der Name ist angelehnt an die brezelförmig geteilte Heckscheibe. Ein Auto mit einer bewegten Geschichte.
„Der Käfer hat sogar noch die Originalschilder drauf“, sagt Manfred Künzel, während er seine aktuellen amtlichen Kennzeichen abschraubt. Darunter kommen die vergilbten Originalkennzeichen zur Vorschau. „Das Auto läuft nach wie vor wunderbar“, sagt Künzel. „Ich habe eigentlich nichts wirklich repariert und auch die typischen Roststellen eines solchen Käfers waren bei ihm kein Problem.“ Über 40 Jahre lang stand der Brezelkäfer bei der Familie seines Vorbesitzers in einer Garage. Das Maurer- und Baugeschäft Müller aus Bad Staffelstein hat den kleinen blauen damals als Baustellenfahrzeug genutzt.
Auch die Ladung ist authentisch
Dem trägt Künzel jetzt Rechnung: Er hat das Auto kaum verändert und somit komplett in Handwerkeroptik belassen. „Die Rückbank wurde damals ausgebaut, um mehr Arbeitsmaterial und Werkzeug transportieren zu können.“ Das Holzbrett, das statt der Sitze eingebaut wurde, sei das Selbe wie damals. Und auch die Ladung ist authentisch: Vom „Maurerwännla“ mit Hammer, Meißel und Kelle, über eine originale Arbeitertasche, bis hin zu einem Kasten Bier, dem „Treibstoff eines Maurers“, wie Künzel sagt. Und auch ein paar Steine liegen im Rückraum. Diese sehen zwar täuschend echt aus, sind aber lediglich detailreich aus Styropor nachgebaut. „Manchmal tue ich auf Oldtimertreffen so, als würde ich die ,schweren‘ Steine aus dem Auto hieven und werfe sie dann plötzlich den Leuten entgegen“, sagt Künzel mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
Manfred Künzels Brezelkäfer in Bewegung. Eine Besonderheit gibt es im Video zu sehen: Denn damals hatten die Autos noch keine Blinker.
Posted by Main-Post Haßberge on Montag, 15. Juni 2015
Seit einem Jahr kann Manfred Künzel den Käfer sein Eigen nennen. Seitdem ist er ein gern gesehener Gast auf Oldtimerveranstaltungen im Umland: „In dem einen Jahr habe ich mit dem Käfer schon fünf Preise gewonnen, mit einem anderen bin ich schon zehn Jahre unterwegs und habe erst einen Preis“, resümiert Künzel. Das zeige, dass der Käfer etwas ganz Besonderes sei. Künzel führe auf den Treffen regelmäßig Umfragen durch, ob der Käfer in seinem jetzigen Zustand bleiben soll oder ob die Leute ihn lieber komplett überholt, neu lackiert und aufpoliert sehen wollen. Klares Ergebnis: „Bisher steht es 192 zu fünf für ,So lassen‘.“
Dem TÜV nicht poliert genug
Das freut den Besitzer, denn der denkt nicht im Traum daran, das Baustellenfahrzeug umzugestalten: „Das Auto ist etwas Einmaliges, etwas Unverwechselbares. Das muss man so lassen.“ Der TÜV hat das jedoch anders gesehen und dem alten Käfer das Recht aberkannt, ein Historienkennzeichen tragen zu dürfen. Einzig und allein wegen des eigentlich authentischen, gebrauchten Zustands, wie Künzel sagt. „Aber das ist die Geschichte des Autos“, sagt der stolze Besitzer, der auf den Treffen passend zum Auto regelmäßig Maurerkluft trägt. Und diese Geschichte soll das Auto auch erzählen dürfen. Deshalb bleiben die Dellen, deshalb fährt Künzel auf dem Dachträger eine Leiter umher, deshalb wird der Lack nur eingeölt aber nicht erneuert.
Manfred Künzel hat sich nicht nur bei den Autos der Vergangenheit verschrieben. Der Optiker interessiert sich außerdem für Archäologie und Geschichte. Die Käfermodelle von Volkswagen sind unbestreitbar ein Stück moderner Industriegeschichte. So verbindet Künzel mit seiner Käfersammlung zwei große Interessengebiete: Fahrzeuge und Geschichte. Dazu hat er im Eberner Umland die richtigen Freunde. Zusammen mit dem Aidhäuser Julius Hochrein und Peter Marx kümmert sich Künzel um seine Autos. Peter Marx besitzt eine Oldtimerwerkstatt in Kraisdorf. Dort wurde auch dem blauen Baustellenkäfer neues Leben eingehaucht. Einen Namen hat Künzel dem alten Maurergefährt auch verpasst. „Erwin“ steht in geschwungenen Lettern auf dem Armaturenbrett. Auch wenn Erwin jetzt gewissermaßen im Ruhestand ist: Er läuft und läuft und läuft und...