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AIDHAUSEN
Oldtimer-Bulli: Grinse-Bus auf vier Rädern
Der VW Bulli aus Aidhausen hat schon fast ganz Europa gesehen. Das Bild zeigt ihn vor einer Windmühle auf der Mittelmeerinsel Ibiza. Seit der Restaurierung hat der Bus schon 140 000 Kilometer zurückgelegt.
Foto: Hochrein (2)/Mößlein (6) | Der VW Bulli aus Aidhausen hat schon fast ganz Europa gesehen. Das Bild zeigt ihn vor einer Windmühle auf der Mittelmeerinsel Ibiza. Seit der Restaurierung hat der Bus schon 140 000 Kilometer zurückgelegt.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:59 Uhr

Wer den VW Bulli sieht, glaubt es kaum. Das Büschen soll 60 Jahre alt sein?! Man sieht es ihm nicht an. Wie aus dem Ei gepellt steht der Bulli da: der Lack glänzt ohne Schrammen, die Scheiben sind spiegelblank und der Motor schnurrt beim Fahren wie ein Kätzchen, nirgends klappert es.

Julius Hochrein am Steuer seines 60 Jahre alten VW Bullis. Sobald er mit dem Oldtimer unterwegs ist, sagt er, fühle er sich sofort, als wäre er im Urlaub.
Foto: Michael Mößlein | Julius Hochrein am Steuer seines 60 Jahre alten VW Bullis. Sobald er mit dem Oldtimer unterwegs ist, sagt er, fühle er sich sofort, als wäre er im Urlaub.

Der Oldtimer mit der für den Bulli charakteristischen Frontpartie, die den Eindruck erweckt, als lächle der VW-Bus den Betrachter an, ist zweifellos ein Prachtexemplar.

Zweifellos ein Original

Um letzte Zweifel zu zerstreuen, zeigt Julius Hochrein aus Aidhausen ein Zertifikat des Herstellers. Dort steht's schwarz auf weiß: Der VW T1 wurde am 1. Oktober 1957 gebaut und verließ zwei Tage später das Werk in Hannover, wo VW übrigens bis heute seine Bullis fertigt, aktuell das sechste Modell der Reihe, den T6. Der Bulli, den Hochrein vor 24 Jahren in Zeil am Main gekauft hat, war als Feuerwehrauto im Einsatz gewesen und entsprechend Feuerwehrrot (RAL 3000) lackiert.

Fotoserie

Fahrzeugbrief verzeichnet mehrere Besitzer

Laut dem ebenfalls noch vorhandenen original Fahrzeugbrief ging der Bulli mit der Fahrgestell-Nummer 290 209 – die damals noch identisch war mit der Produktionsnummer – nach Österreich, an die Firma Haberkorn in Bregenz. Im Januar 1958 kauften dort die Veitscher Magnesitwerke das Fahrzeug für ihre Werkfeuerwehr in Breitenau in der Steiermark.

Der noch vorhandene original Fahrzeugbrief zeigt die Besitzerwechsel des Bullis.
Foto: Michael Mößlein | Der noch vorhandene original Fahrzeugbrief zeigt die Besitzerwechsel des Bullis.

1977 erhielt die Feuerwehr in Bad Aussee, ebenfalls in der Steiermark, den Bulli. Im August 1984 wechselte dieser nach kurzer Liaison mit einer Dame zu einem Besitzer in Altaussee, im steirischen Salzkammergut.

Als Teil eines Schuldenausgleichs landete er letztendlich in Zeil, wo ihn Hochrein auf den Tipp eines Kollegen hin in der Mittagspause entdeckte – und aus dem Stand weg für 900 DM kaufte. Für heutige Oldtimer-Preise war dies ein Schnäppchen.

Der Bulli war schwer beschädigt

Der Bulli war damals nur noch ein Schatten seiner selbst, berichtet der Aidhäuser, der als Kfz-Mechaniker und erfahrener Oldtimer-Sammler genau wusste, auf was er sich einließ. Der VW-Bus war übersät von Rostlöchern, auch am Chassis hatte der Rost kräftig genagt. Der feuerrote Lack war blass und hinüber und musste komplett ersetzt werden.

Der Bulli (noch im verblassten Feuerwehrrot), bevor Julius Hochrein ihn restauriert hat.
Foto: Michael Mößlein | Der Bulli (noch im verblassten Feuerwehrrot), bevor Julius Hochrein ihn restauriert hat.

Frisch gemacht und aufgehübscht

Kurzum: Der Bulli hatte eine Komplettsanierung nötig. Und die gönnte ihm sein neuer Besitzer. Im Jahr 2004 waren die Frischekur und das Aufhübschen beendet, nach 2000 Stunden Arbeitszeit, schätzt Hochrein.

Soweit möglich hatte er zum Ausbessern nur Originalbauteile verwendet, oder zumindest originalgetreue Nachbauten, für die es vor allem in den USA einen großen Markt gibt. Er wollte nichts modernisieren, was aus Sicherheitsgründen nicht geboten war, wie den Einbau von Blinkern und zusätzlicher Bremsleuchten.

Orientiert hat er sich an VW-Prospekten aus der Zeit, in der der Bulli entstanden ist. Das Faltschiebedach beispielsweise stammt von einem ausrangierten Bulli, der als Gartenhäuschen diente. „Die Schienen des Schiebedachs kannst du nicht selbst bauen“, erklärt Hochrein. So war er heilfroh über dieses kaum aufzutreibende Originalteil.

Der neue Motor ist auch ein alter

Das Getriebe hatte er komplett zerlegt. Der Motor, den er vorm Einbau neu aufbauen musste, stammt aus dem Jahr 1965 und hat 44 PS – 14 PS mehr als der Motor, den der Bulli ab Werk hatte. 140 000 Kilometer hat Hochrein mit diesem mittlerweile zurückgelegt. Zum Vergleich: Als er den Bus kaufte, stand der Kilometerzähler bei 46 000.

Ein Zertifikat vom Hersteller beweist die Herkunft und das Alter des VW T1.
Foto: Michael Mößlein | Ein Zertifikat vom Hersteller beweist die Herkunft und das Alter des VW T1.
Der Aidhäuser hat eine Grundphilosophie, was Oldtimer angeht. Diese gehören für ihn nicht in die Garage, sondern auf die Straße. Elf Autos hat er, darunter zwei weitere VW-Busse, einen T2 und einen T3. Er hat sie alle selbst wiederhergerichtet. Sein jüngstes Auto ist ein VW Käfer, der 1997 in Mexiko gebaut wurde. Diesen fährt er im Winter. Mit den restlichen Fahrzeugen ist er im Sommer unterwegs.

Mit dem Oldtimer geht's zum Campen

Mit dem 60 Jahre alten Bulli macht Hochrein gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin jährlich mehrere größere Spritztouren – und eine richtig große Urlaubsfahrt. Normalerweise campen sie.

Beim Camping-Urlaub wird selbst gekocht. Dafür gibt's ein eigenes Kochbuch.
Foto: Michael Mößlein | Beim Camping-Urlaub wird selbst gekocht. Dafür gibt's ein eigenes Kochbuch.

Essen bereiten sie auf einem Gaskocher zu. Die Sitze des Bullis werden zu einem Bett umgebaut – mit direktem Blickkontakt durchs offene Faltdach zum Sternenhimmel, schwärmt Hochrein, der es liebt, den Bulli auch mal direkt am Strand abzustellen.

Traumziel Kanaren

Er ist mit dem Bulli beinahe durch ganz Europa gereist. Seine erste Fahrt nach der Restaurierung ging 2004 nach Sizilien. Seitdem waren sie unter anderem in Skandinavien, Osteuropa, in Spanien, in der Schweiz, auf Sardinien und auf Korsika.

Zu Hochreins 50. Geburtstag erfüllt sich ein Traum: eine Reise zu dritt (er, seine Freundin und Bulli) auf die Kanaren. 36 Stunden dauerte die Überfahrt mit der Fähre. Sie waren auf allen sieben Inseln.

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Foto: Michael Mößlein

Der Bulli, der Steigungen bis 24 Grad erklimmt, beförderte sie auf über 2400 Meter Höhe, er kutschierte sie durch Lava-Felder und Bananenplantagen, und auf der Insel El Hierro, dem westlichsten Zipfel Spaniens, standen sie mit dem Bulli an der Playa del Verodal, dem „Ende der Welt“; vor der Entdeckung Amerikas dachten die Seefahrer, von dort aus steuere man schnurstracks auf den Rand der Erdscheibe zu.

Beim Fahren ist Vorsicht geboten

Den Bulli fährt er „wie ein rohes Ei“, erzählt der 52-jährige Besitzer. Schneller als Tempo 95 auf der Autobahn ginge eh kaum. Und ohne Anschnallgurte weiß er, dass jeder Unfall gravierende Folgen haben könnte. Egal, wo sie mit dem Bulli auftauchen, würden sie bemerken, wie dessen Charme abfärbt, berichtet Hochrein. Der Oldtimer mit dem Grinse-Gesicht bringe Passanten dazu, ebenfalls zu lächeln.

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Foto: Michael Mößlein

Selbst strenge Zöllner könnten sich davor nicht schützen, erzählt Hochrein eine Anekdote: Als ein Zöllner nicht glauben wollte, dass sich hinter der Hecklappe des VW tatsächlich der Motor verbirgt, musste er bei der Kontrolle feststellen: „Your engine is cleaner than my kitchen!“ („Ihr Motor ist sauberer als meine Küche!“) Damit war die Kontrolle vorzeitig beendet.

Bulli hatte bisher keine Pannen

Bislang hatte Hochrein keine Panne mit seinem T1. Er hofft, dass dies auch bei dessen Geburtstags-Tour so bleibt. Denn zum 1. Oktober, wenn der Bulli 60 wird, wird Hochrein mit ihm nach Österreich fahren, zu allen Stationen, an denen Bulli seine Jugend verbrachte. Für den Bus wird das ein Kurztrip – für seinen Besitzer dagegen eine besondere Fahrt. Aber das ist es für ihn jedes Mal, wenn er Bullis Motor startet. „Du steigst in den Bulli ein“, sagt er, „und du fühlst dich sofort im Urlaub.“

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Foto: Michael Mößlein
 
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