Vor kurzem sind 20 junge Männer aus Syrien und Afghanistan in ein Haus in Altenstein im Markt Maroldsweisach eingezogen. Das Haus hat das Landratsamt angemietet. In dieser Woche stellten sich nun 16 der Geflüchteten im Pfarrsaal ihren neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern vor. Dass die jungen Männer zwischen 18 und 36 Jahren überhaupt noch am Leben sind, grenzt an ein Wunder, wie auf der Veranstaltung deutlich wurde. Sie berichteten, dass sie vor dem Terror-Regime der Taliban geflohen seien oder in Syrien auf ihre eigenen Landsleute hätten schießen sollen.
Die Flucht selbst war nicht minder gefährlich: Griechische Soldaten hätten auf die Schlauchboote der Flüchtenden geschossen, von denen viele ertrunken seien. Ein 18-jähriger Syrer gab an, er habe tagelang nichts gegessen. In Bulgarien hätten ihn Soldaten beraubt und nackt zurück über die Grenze geschickt. Ein Afghane berichtete, sein Sohn sei von den Taliban gekidnappt worden. Sein Landsmann erzählte, dass seine Frau ständig ihren Aufenthaltsort ändere, um den Taliban-Kriegern zu entfliehen.
Geflüchtete sind dankbar, in Altenstein nun in Sicherheit zu sein
Sichtlich erleichtert und dankbar zeigten sich die Geflüchteten daher, im sicheren Altenstein angekommen zu sein. Unter den geflüchteten Afghanen sind ein Diplom-Ingenieur, ein Soldat, ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter, der Inhaber eines Musikladens und ein Englischlehrer. Unter den Syrern sind ein Abiturient, ein Psychologie-Student, ein Mechanik-Student und mehrere Arbeiter.
Dieter Sauer, Leiter am Landratsamt für Soziales und Senioren, sagte, er und das Amt seien überrascht worden von der momentanen Entwicklung. Noch im September dieses Jahres habe der Landkreis auf Anweisung der Regierung von Unterfranken 16 Asylsuchende pro Monat aufnehmen sollen. Nun seien es plötzlich circa 100. "Wir sind in einer Zwangslage", stellte Sauer fest. Die Lage sei chaotisch, das Ankerzentrum in Schweinfurt überfüllt. Ein weiterer Syrer käme noch nach Altenstein.
Deutsch als wichtige Grundlage, um Arbeit zu finden
Jeder Geflüchtete solle einen Grundsprachkurs erhalten, um möglichst schnell auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können, so Sauer. Ein Grund für den großen Zustrom Geflüchteter sei, dass Moskau deren Einreise nach Europa derzeit erleichtere. Vor allem die Afghanen hätten einen extrem schwierigen Fluchtweg hinter sich, da das Nachbarland Iran keine Afghanen mehr aufnehme und auch nicht ins Land lasse. Sie müssten daher über die nördliche Route durch Länder wie Turkmenistan und Kasachstan fliehen.
Kerstin Brückner von der Gemeinde-Allianz Hofheimer Land sagte, die Geflüchteten seien ebenso erstaunt gewesen, wie die Altensteinerinnen und Altensteiner selbst, in dem rund 300 Einwohnerinnen und Einwohner großen Dorf "in den Bergen" gelandet zu sein. Ethnische Konflikte gebe es zwischen den beiden Gruppen aus Syrern und Afghanen nicht. Sie würden sich teilweise auf Türkisch unterhalten.
Christina Bendig vom Freundeskreis Asyl Hofheim drängte darauf, dass die Asylsuchenden schnell die deutsche Sprache erlernen. Dies müsse nicht unbedingt durch einen Deutsch-Lehrer oder eine Deutsch-Lehrerin erfolgen. Auch Ehrenamtliche könnten sich hier einbringen. Geflüchtete bis zum 22. Lebensjahr hätten einen Anspruch auf den Besuch einer Integrationsklasse in der Berufsschule in Haßfurt. Die Warteliste sei jedoch endlos, da Lehrkräfte fehlten.
Die Sprache lernen könnten die Asylsuchenden auch durch gemeinsame Aktivitäten wie Kochen, Sport oder gemeinsames Arbeiten im Dorf, meinte Brückner. Versichert seien sie dabei über die Ehrenamtsversicherung, ergänzte Sauer. Jeder Asylsuchende erhalte 300 Euro im Monat für den Lebensunterhalt. Um gemeinsam Einkäufe erledigen zu können, wurde noch während der Versammlung eine WhatsApp-Gruppe gegründet.
Wer Fahrdienste oder Deutschkurse übernehmen will, kann sich bei Kerstin Brückner melden unter Tel. (09523) 5033725.