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Bad Kissingen
Bad Kissingerin: Angst um die Familie in Afghanistan
Vor über einem halben Jahr nahmen die Taliban Kabul ein. Wir sprachen erneut mit der Kissingerin Derya Rahimi, deren Familie noch immer dort feststeckt.
Die Taliban kontrollieren wieder Teile Afghanistans. Auch hier sorgen sich Angehörige wie Derya Rahimi um ihre Verwandten.       -  Die Taliban kontrollieren wieder Teile Afghanistans. Auch hier sorgen sich Angehörige wie Derya Rahimi um ihre Verwandten.
Foto: Ahmad Halabisa, dpa | Die Taliban kontrollieren wieder Teile Afghanistans. Auch hier sorgen sich Angehörige wie Derya Rahimi um ihre Verwandten.
Ellen Mützel
 |  aktualisiert: 09.10.2022 19:27 Uhr

Derya Rahimi (Name geändert) kam vor neun Jahren nach Deutschland, nachdem ihr Mann und ihr Sohn in Afghanistan getötet wurden. Nun lebt sie mit ihrem neuen Mann und ihren Kindern im Landkreis Bad Kissingen . Doch sie hat Angst um ihre Familie in Kabul. Seitdem die Taliban im August 2021 die Hauptstadt einnahmen, sorgt sich Rahimi sehr.

Rahimi erzählt auf Englisch, wie sich die Lage darstellt - spricht leise, bedacht. Die Sätze, die sie am meisten sagen wird, sind: "Ich habe Angst um.." und "Ich weiß nicht, was ich tun kann". Noch öfter: betretenes Schweigen auf beiden Seiten. Die Lage ist verzwickt.

Schwester bei der Polizei

Bei dem Gespräch mit der Redaktion im August 2021  hatte sie gesagt, sie mache sich vor allem um ihre Schwester Sorgen. Daran hat sich leider nichts geändert: Die Schwester arbeitete bis dato bei der Polizei . Damals ging sie nicht mehr vor die Tür - das hat sich bis heute nicht geändert: "Sie darf nicht, und sie hat auch Angst ", berichtet Rahimi.

Sie darf nicht, weil sie eine Frau ist. Sie hat Angst , weil bereits etliche Polizeibeamte von den Taliban hingerichtet wurden oder verschwanden. Die Schwester sorge sich ebenfalls um ihren Mann, denn er sei oft in der Nähe des Polizeigebäudes gewesen, um sie abzuholen - er wurde dort also gesehen.

Versuche, sie aus dem Haus zu locken

In dem Haus, in dem die Schwester mit Mann und Kindern wohnt, leben auch ihre Eltern und eine weitere Schwester . Rahimis Mutter arbeitete früher bei der ISAF , der Sicherheits- und Wiederaufbaumission der Nato - die war ebenfalls nicht beliebt bei den Taliban .

Bereits mehrfach habe es den Versuch gegeben, ihre Mutter und ihre Schwester aus dem Haus zu locken, wie Rahimi erzählt: "Etwa vor zwei Monaten haben sie angerufen und sagten, sie hätten einen Termin, sie sollten rauskommen, damit sie miteinander sprechen können."

Ein Blick in den Laptop verrät alles

Es hieße am Telefon: "Wir wissen, wer ihr seid, kommt raus, wir wollen mit euch reden." Die Familie von Rahimi hat Angst . Sie haben das Gefühl, beobachtet zu werden. Und die Bedrohung kommt näher: Die Taliban wollten kommen und sich in ihrem Haus umsehen. Das passiert dort vermehrt.

Ihre Schwester habe sie gefragt: "Ich habe noch die Polizeiuniform. Wenn sie kommen und uns kontrollieren, was soll ich tun?" Sie habe auch viele Papiere, die ihre Polizei-Ausbildung beweisen. Sie könne zwar alles verbrennen, aber das würde das Problem nicht lösen: Die Taliban könnten einfach am Laptop nachsehen.

Tränenreiche Telefonate

Sie sieht ihre Familie oft im Videochat: "Immer wenn ich anrufe, merke ich, dass meine Schwester sehr angespannt ist. Sie ist jetzt schwanger und ist einfach sehr belastet. Sie weint oft. Ich schaue sie nur an und muss dann auch weinen", berichtet Rahimi.

Zu all dem komme, dass das Geld knapp werde, weil die Schwester nicht arbeiten kann. Und alle Lebensmittel in Afghanistan würden teurer werden.

"Nur noch die kleinen Leute" da

"Ich fragte meine Schwester , ob sie ihren Chef anrufen kann, vielleicht kann er etwas tun", sagt Rahimi. Doch der habe schon das Land verlassen. Viele seien seit August geflüchtet: "Nun sind nur noch die kleinen Leute in Afghanistan, die kein Geld oder keine Arbeit haben. Aber die Doktoren, Ingenieure, Journalisten sind alle weg."

In der Nachbarschaft der Familie lebt eine weitere Schwester Rahimis, die früher bei den deutschen Truppen in Masar-e Sharif arbeitete. Auch sie traut sich kaum aus dem Haus, hat Angst , kontrolliert zu werden, denn ihr Name könnte auf Listen der Taliban auftauchen.

Keine Lehrerinnen - keine Schule

Ihre beiden Söhne gingen seit der Übernahme der Taliban nicht zur Schule, erzählt Rahimi. Schulverbot haben offiziell Mädchen ab zwölf Jahren. Doch nachdem Frauen nicht arbeiten gehen dürfen und die meisten Lehrkräfte weiblich sind, sei es schwierig, die Kinder zu unterrichten.

Hilfe ist schwierig

Rahimi hat in Deutschland verschiedene Stellen angefragt, ob sie ihrer Familie helfen könnte. "Eine sagte, wir können nichts tun. Die anderen haben nicht geantwortet", sagt sie.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es: "Ortskräfte, die ab 2013 für die Bundesregierung in Afghanistan tätig waren, können sich betreffend die Prüfung einer Aufnahme an ihren ehemaligen Arbeitgeber wenden."

Die Liste der "besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen", über die Rahimis Schwester bei der Polizei hätte aufgenommen werden können, wurde zum 31. August 2021 geschlossen.

Lage von Kabul

 

 

 
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