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Bamberg/Landkreis Haßberge
Von null auf hundert im Drogengeschäft: 20-Jähriger soll 18 Kilogramm Haschisch und sechs Kilogramm Marihuana verkauft haben
Lange war der Angeklagte weder bei Justiz noch Polizei bekannt. Dann flog seine kriminelle Karriere auf. Hat der Landkreis Haßberge ein Problem mit Rauschgiftkriminalität?
Der 20-Jährige aus dem Haßbergkreis muss sich unter anderem wegen bewaffneten Drogenhandels vor Gericht verantworten. 
Foto: Martin Schweiger | Der 20-Jährige aus dem Haßbergkreis muss sich unter anderem wegen bewaffneten Drogenhandels vor Gericht verantworten. 
Lukas Reinhardt
 und  Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 19.01.2025 15:07 Uhr

Es war eine Nachricht, die für Aufsehen sorgte: Rund 18 Kilogramm Haschisch und sechs Kilogramm Marihuana soll ein 20-Jähriger aus dem Landkreis Haßberge nach Ermittlungen der Kripo Schweinfurt in den Jahren 2023 und 2024 im Raum Frankfurt eingekauft und zum Großteil weiterverkauft haben. Das Besondere: Der Beschuldigte war bis zu seiner Festnahme am 1. August vergangenen Jahres ein unbeschriebenes Blatt bei Polizei und Justiz, sein Einstieg ins Drogengeschäft war offenbar ein großer, von null auf hundert.

Seit Montag muss sich der Mann vor dem Landgericht Bamberg verantworten, unter anderem wegen bewaffneten Drogenhandels. Es ist nicht der einzige Fall dieser Art im Landkreis Haßberge. Die Rauschgiftkriminalität in der Region hält die Sicherheitsbehörden seit Jahren im Atem. Das bestätigt ein Blick auf die Zahlen.

Rauschgift unter falschem Namen an Packstation geliefert

Laut Anklageschrift soll der 20-jährige Arbeitslose bei 20 Gelegenheiten teilweise mehrere Kilogramm Haschisch oder Marihuana bestellt haben. Die Drogen wurden an Packstationen geliefert. Zur Verschleierung soll der Angeklagte falsche Namen oder Nummernkonten genutzt haben. Die Übergabe der Drogen an seine Abnehmer erfolgte offenbar auf Waldwegen, einem Spielplatz oder auf dem Parkplatz einer Gastwirtschaft.

Ein Mann teilte der Polizei im Mai letzten Jahres schließlich mit, dass er verdächtiges Verhalten beobachtet habe. Die Kripo Schweinfurt installierte daraufhin eine Überwachungskamera, die die Drogengeschäfte dokumentierte. Dabei war zu sehen, wie der Angeklagte die Drogen mit seinem E-Bike lieferte. Gleichzeitig lieferte ein Drogenkonsument der Kripo nähere Informationen über den Angeklagten, wie etwa über dessen Wohnort.

Das Verfahren am Landgericht Bamberg wird am 22. Januar um 8.30 Uhr fortgesetzt.
Foto: Lukas Reinhardt (Archivfoto) | Das Verfahren am Landgericht Bamberg wird am 22. Januar um 8.30 Uhr fortgesetzt.

Bei einer Razzia am 1. August 2024 mit einem Unterstützungskommando aus Würzburg wurden die Beamten fündig. In der Wohnung des Angeklagten im elterlichen Wohnhaus stellten die Ermittler unter anderem über 800 Gramm Haschisch, 1,2 Kilogramm berauschende Gummibärchen, eine Schreckschusswaffe, ein Messer sowie über 15.700 Euro Bargeld fest – mutmaßlich aus Drogenverkäufen. Es ist kein Einzelfall.

Die Rauschgiftkriminalität im Landkreis Haßberge beschäftigt die bayerische Justiz immer wieder. Erst im Oktober 2024 war vor dem Landgericht Bamberg ein ähnlich gelagerter Fall verhandelt worden. Eine 22-jährige Frau und ihr gleichaltriger Lebensgefährte hatten den östlichen Landkreis mit Cannabis-Produkten, Kokain und dem verschreibungspflichtigen Schmerzmittel Tilidin versorgt. Auch hier ging es um Drogenhandel im großen Stil. Auch hier bezog das Dealerpärchen die Ware aus Frankfurt am Main.

Der Handel fand zunächst zu Hause statt. Später traf man die Kundinnen und Kunden auf Bahnhöfen, auf einem Spielplatz, einem Parkplatz oder einem Friedhof. Die dritte Strafkammer am Landgericht Bamberg verurteilte den Mann Anfang Oktober 2024 schließlich zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Die Frau kam mit einem dunkelblauen Auge davon. Sie erhielt eineinhalb Jahre, ausgesetzt zur Bewährung.

Deutliche Zunahme der Rauschgiftdelikte im Jahr 2023

Dass Teile des Landkreises durchaus ein Problem mit zunehmender Rauschgiftkriminalität haben, zeigt ein Blick in die Statistik. Zwar liegen die neuesten Zahlen für das Jahr 2024 noch nicht vor. Allerdings offenbarte der Sicherheitsreport der Polizeiinspektion (PI) Haßfurt für das Jahr 2023 mit 43,2 Prozent einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, nämlich von 146 auf 209 erfasste Delikte.

Damit setze sich der Negativtrend der vergangenen zehn Jahre fort, hieß es in dem Bericht der PI Haßfurt weiter, die für die Sicherheit von rund 65.000 Landkreisbewohnerinnen und -bewohner zuständig ist. Eine Drogenhochburg sei der Landkreis Haßberge aber nicht, das betonten leitende Polizeibeamte wie Kurt Etzel oder Daniel Müller in den vergangenen Jahren immer wieder. Die Dienststelle Ebern indes ging in ihrem Report für 2023 nicht genauer auf die Entwicklung der Rauschgiftkriminalität ein.

Hausdurchsuchung legt Netzwerk an Kunden offen

Fälle wie jene, die nun am Landgericht Bamberg verhandelt werden, sind für die Strafverfolgungsbehörden nicht selten Gold wert. Fliegt ein Händler auf, offenbart sich häufig ein ganzes Netzwerk. So konnten die Beamten bei der Hausdurchsuchung im August 2024 neben dem Rauschgift und dem mutmaßlichen Drogengeld einen Laptop und zwei Handys konfiszieren.

Bei der Auswertung der Geräte kamen die umfangreichen Drogengeschäfte des beschuldigten 20-Jährigen ans Licht. In einem Notizbuch hatte der Angeklagte zudem E-Mail-Adressen von Kunden aufgeschrieben. "Aus polizeilicher Sicht hat es der Angeklagte uns leicht gemacht", sagte ein Kripo-Beamter im Zeugenstand.

"Aus polizeilicher Sicht hat es der Angeklagte uns leicht gemacht."
Kripo-Beamter im Zeugenstand

In einem Rechtsgespräch kündigte der Beschuldigte ein weitreichendes Geständnis an. Das Gericht stellte hierfür eine Freiheitsstrafe zwischen drei Jahren und drei Jahren und neun Monaten in Aussicht. Der Angeklagte betonte danach, dass er nur Cannabis, nämlich Haschisch und Marihuana verkauft habe.

Den von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Handel mit 100 Gramm Amphetamin wies er von sich. Ein bis vier Gramm Cannabis habe er täglich selbst konsumiert, um damit seine ADHS-Erkrankung zu kurieren. Das Rauschgift habe ihm besser geholfen als Medikamente, gab er zu Protokoll. Darüber hinaus habe ihn das schnelle Geld gereizt. Seine Taten täten ihm leid. Er schäme sich dafür. Seine Familie stehe hinter ihm.

Verfahren am Landgericht wird am 22. Januar fortgesetzt

Nach Angaben der Jugendgerichtshelferin hat der Angeklagte Medikamente gegen seine ADHS-Erkrankung nicht vertragen und abgesetzt. In der Untersuchungshaft, in der er seit dem 1. August 2024 sitzt, habe er einen kalten Entzug durchgemacht, der ihn körperlich und psychisch stark zugesetzt habe. Die Hausdurchsuchung und Gefangennahme ihres Sohnes sei ein Schock für die Eltern gewesen.

Der Vorsitzende Richter Markus Reznik sagte, dass das konfiszierte Bargeld zur Begleichung der Verfahrenskosten verwendet werde, sowie für Wertersatz-Ansprüche, die auf den Angeklagten zukommen.

Das Verfahren wird am 22. Januar um 8.30 Uhr fortgesetzt. Dann soll ein psychiatrischer Gutachter zu Wort kommen und das Urteil verkündet werden.

 
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  • Alfred Mahler
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  • Peter Koch
    "Bei einer Razzia am 1. August 2025 mit einem Unterstützungskommando ..."

    Das Unterstützungskommando hat also eine Zeitreise in die Zukunft gemacht. Das ist ja die tollste Nachricht die jemals in der MP zu lesen war.
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  • Peter Koch
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