Günther Jackl saß in den vergangenen vier Jahren häufig im Gerichtssaal. Dabei hat der Mann aus Eltmann weder Straftaten begangen noch Jura studiert. Aber Jackl ist Schöffe, ein Richter ohne Robe also. Bei Verhandlungen sitzt er als Laie neben den Profis und entscheidet "im Namen des Volkes" maßgeblich mit, ob Angeklagte schuldig sind oder nicht.
Rund 4600 dieser ehrenamtlichen Richterinnen und Richter gibt es derzeit in Bayern, 20 sind es am Amtsgericht Haßfurt. Am 31. Dezember endet ihre fünfjährige Amtszeit. Bundesweit werden die Posten dann neu besetzt. Der Bewerbungsprozess für die nächste Periode läuft bereits. Doch immer weniger Freiwillige melden sich. Jackl aber möchte es noch einmal versuchen. Was treibt den 52-Jährigen an, einen Teil seiner freien Zeit auf der Richterbank zu verbringen?
Früher stand er als Schiedsrichter auf dem Fußballplatz
"Man braucht einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit", antwortet Jackl auf die Frage, was in seinen Augen zu den wichtigsten Voraussetzungen für das Schöffenamt zählt. Und bei ihm, Betriebsratsvorsitzender bei einem großen Konzern im Kreis Haßberge, zeigte sich dieser Sinn offenbar schon früh. Im Alter von 16 Jahren, so erinnert er sich, trat Jackl das erste Mal als Richter in Erscheinung: Statt einem Hammer in der Hand, hatte er damals aber eine Trillerpfeife im Mund. Und Strafen verteilte er, wenn nötig, in Form von Freistößen, Elfmetern oder Platzverweisen. Über zehn Jahre leitete er als Schiedsrichter Fußballspiele. "Ich würde mich auf jeden Fall als fairen Sportsmann bezeichnen", sagt er.
Heute aber geht es nicht mehr darum, dass zwei Mannschaften einem Ball hinterherjagen und versuchen, ein Tor zu erzielen. Das weiß auch Günther Jackl. "Eine Verhandlung im Gerichtssaal ist kein Spiel, es geht um menschliche Schicksale." Schicksale, wie er sie in seinem persönlichen Umfeld nicht kenne. Was in den Prozessen zutage trete, wirke deshalb zum Teil lange nach. In den Verhandlungen erfahre er, wie Menschen in die Situation gekommen sind, in der sie nun stecken. Nämlich vor ihm auf der Anklagebank sitzend.
"Unsere Gesellschaft neigt dazu, schnell und leichtfertig Urteile zu fällen", sagt Günther Jackl. Doch der Gerichtssaal sei kein Stammtisch. Hier trage er Verantwortung für das Leben eines anderen Menschen. Das habe er in den vergangenen Jahren gelernt. "Wichtig ist immer, ohne Vorurteile in ein Verfahren zu gehen und die Menschen nicht in Schubladen zu stecken." Rund zwölf Verhandlungstage im Jahr verbrachte er so auf der Richterbank.
Wie weitreichend Jackls persönliches Urteil in einem Prozess sein kann, zeigt das Stimmgewicht der Schöffinnen und Schöffen an den Amtsgerichten. Hier sind die Ehrenamtlichen für gewöhnlich in der Mehrheit. Denn ein Schöffengericht setzt sich aus einem Berufs- und zwei Laienrichtern zusammen. Die drei Beteiligten wiederum sind mit je einer Stimme ausgestattet, alle haben das gleiche Gewicht. Theoretisch könnten die Laien den Profi beim Urteil also überstimmen. Sie sind nur dem Gesetz unterworfen, nicht aber dem Richter. Ans Licht dringen darf nach einem Urteil aber nichts: Die Beteiligten sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, was die Entscheidungsfindung und das Abstimmungsverhalten betrifft.
Auch der Blick auf das zu erwartende Strafmaß, über das Schöffinnen und Schöffen an den Amtsgerichten mitentscheiden, verdeutlicht deren wichtige Rolle in der Rechtsprechung. Es liegt zwischen zwei und vier Jahren Freiheitsstrafe. Um sich ein Urteil zu bilden, haben die Laien aber nur die Hauptverhandlung. Sie kennen die Aktenlage nicht, und das sei so auch gewollt, erklärt Christoph Gillot, Direktor des Amtsgerichts Haßfurt: "In der Hauptverhandlung kommt alles Wesentliche auf den Tisch", sagt er. Beweise werden präsentiert, Zeugen, Ermittlerinnen und Beschuldigte sagen aus. Sachverständige ordnen ein, Staatsanwältinnen und Verteidiger plädieren. Auf dieser Grundlage sollen die Schöffen objektiv und unparteilich entscheiden, unter juristischer Anleitung des vorsitzenden Richters oder der vorsitzenden Richterin. "Letztlich indem sie ihren gesunden Menschenverstand nutzen", sagt Gillot.
Verpflichtung als Schöffe ist per Gesetz möglich
"Mir ist es wichtig für das demokratische und rechtsstaatliche Verständnis, dass wir uns in die Karten schauen lassen", so Gillot über die Bedeutung des Amtes der Laienrichter. Tatsächlich liegt dem Ganzen auch der Gedanke zu Grunde, dass alle Macht vom Volk ausgeht, wie in der Verfassung festgehalten. Die Justiz in Deutschland soll kein undurchdringlicher Apparat sein. Inzwischen aber bewerben sich immer weniger Menschen um das Ehrenamt.
Doch die Behörden können Bürgerinnen und Bürger per Gesetz dazu verpflichten. Auch wer ohne sein Zutun auf der Vorschlagsliste der Kommunen landet, bekommt Post vom Amtsgericht. Eine Absage ist kaum möglich. So erging es auch Günther Jackl. "Ich hatte zwar schon in den Jahren zuvor mit dem Gedanken gespielt mich zu bewerben, war am Ende aber überrascht", sagt er. Jackl folgte der Berufung durch die Stadt Eltmann deshalb gerne. "Die vergangenen vier Jahre waren so lehrreich, das möchte ich nicht missen."
Experten befürchten, dass inzwischen von der falschen Seite Interesse an dem Ehrenamt kommen könnte. Laut der Friedrich-Ebert-Stiftung etwa versuchen demokratiefeindliche Gruppierungen zunehmend, in diese Lücke zu stoßen und das System zu unterwandern. Während den Kommunen häufig die passenden Instrumente fehlen, um die tatsächliche Verfassungstreue der Bewerberinnen und Bewerber zu überprüfen, sieht Amtsgerichtsdirektor Gillot die Justiz grundsätzlich gut gerüstet. Etwa wenn Kandidatinnen und Kandidaten in der Vergangenheit strafrechtlich auffällig geworden sind. "Es gibt Regelungen, dass man Personen die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter absprechen kann", sagt Gillot. Das sei geknüpft an bestimmte Straftaten.
Zwar gelte es aufmerksam zu bleiben, in seinen Augen handle es sich aber nur um eine theoretisches Problem: "In meiner langjährigen Praxis hat sich dieses Problem nie gezeigt", so Gillot weiter. Vielmehr habe er es stets mit Bürgerinnen und Bürgern zu tun gehabt, die sich konstruktiv und verantwortungsvoll eingebracht hätten.
Menschen wie Günther Jackl. Der hat eine weiße Weste, sein Führungszeugnis ist makellos und ohne Eintrag. Bislang habe er nicht mit der Polizei zu tun gehabt, sagt er. "In meinem Leben musste ich nicht mal einen Atemalkoholtest machen, ich scheine also sehr vertrauenswürdig", erklärt er lachend. Jackl bringt also die besten Voraussetzungen mit, um fünf weitere Jahre mitzuentscheiden, wenn ein Urteil "im Namen des Volkes" fällt.
Habe mich in meinem Wohnort ebenfalls als Schöffe beworben. Leider bin ich aber weder Mitglied einer Partei noch ein "Vereinsmeier". Daher wurde meine Bewerbung nicht berücksichtigt. Im Nachhinein habe ich festgestellt, dass die Bewerbungen von Parteimitgliedern und von maßgelichen Vereinsmitgliedern der örtlichen Vereine wohl wohlwollend weitergeleitet wurden und diese dann auch als Schöffen ausgewählt wurden.
Soviel zur der Aussage, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.
dass bei jeder Wahlperiode der Schöffen das Jammern über fehlende ehrenamtliche Richter ausbricht.
Als ich beruflich etwas kürzer treten konnte, jenseits der sechzig, habe ich mich auch einmal beworben.
Aber da ich sonst in der Gemeinde keine Kontakte in Parteien oder Vereinen hatte wurde ich nicht berücksichtigt.
Der Schöffenausschuss bei Gericht wählt die Schöffen dann aus.
Ob ihre Aussage also so haltbar ist, ist also ehr unwahrscheinlich.