Die Pandemie hat auch die Arbeit der Polizei verändert. Kriminelle Banden passen sich den neuen Gegebenheiten immer schneller an, das spüren auch Kurz Etzel, Leiter der Polizeiinspektion Haßfurt, und sein Stellvertreter Jan Stoll.
Der neue Lagebericht, der die Straftaten in der Region aufschlüsselt, bestätigt das. Ein Gespräch über die aktuellen Entwicklungen und Problemfelder im Dienstbereich der PI Haßfurt.
Kurt Etzel: Sehr gut. Es gibt keine außergewöhnlichen Kriminalfälle, die Unsicherheit in der Bevölkerung erzeugen könnten. Wir haben eine hohe Aufklärungsquote bei den Vergehen und Verbrechen. Und auch in der Gesamtschau, was die Entwicklung der Straftaten betrifft, kann die Bevölkerung beruhigt sein.
Jan Stoll: Das verdeutlichen auch die Zahlen. 2688 Straftaten je 100.000 Einwohner waren es im vergangenen Jahr in unserem Dienstbereich. Zum Vergleich: Unterfranken und auch Bayern lagen da deutlich drüber, mit 3124 beziehungsweise 3869 Fällen. Man kann also durchaus sagen, dass man bei uns sehr sicher wohnt.
Stoll: Das stimmt. Bei uns sind die erfassten Straftaten während der Pandemie um sieben Prozent zurückgegangen, in Unterfranken waren es etwa 14 Prozent.
Stoll: Man muss wirklich sagen, dass wir hier in unserem Dienstbereich uns auf einem sehr hohen Niveau bewegen - unterfranken- und auch bayernweit. Den aktuellen Wert würde ich als sehr gutes Mittelmaß bezeichnen. Im Vergleich mit der unterfränkischen Quote von 72, 1 Prozent und der bayerischen Quote von 66,9 Prozent stehen wir gut da. Wirklich gespürt haben wir diesen Rückgang unserer Aufklärungsquote bei unserer Arbeit nicht. Ich sehe keine wirkliche negative Entwicklung.
Etzel: Das Rauschgiftdelikt ist ein sogenanntes Aufgriffsdelikt. Die meisten Straftaten dieser Art werden durch Kontrolle und Überprüfung bekannt. Wird jemand aufgegriffen, der Drogen mit sich führt, haben wir den Täter. Der Besitz von Rauschgift ist nun mal verboten.
Etzel: Aus meiner Sicht gibt es bei uns in der Region genauso viele Möglichkeiten, an Rauschgift zu gelangen, wie anderswo auch. Ich war als Polizist schon in verschiedenen Landkreisen tätig. In jedem herrscht in der Bevölkerung die Meinung vor, dass die Rauschgiftproblematik im eigenen Landkreis größer ist als bei den Nachbarn. Ich will nicht auf Rhön-Grabfeld deuten, nicht auf Bad Kissingen, nicht auf das Schweinfurter oder Bamberger Land – das sind unsere Nachbarlandkreise. Wir alle befinden uns nicht auf einer Insel der Glückseeligen. Drogen sind überall verfügbar, besonders durch das Internet. Jeder ist vernetzt, ist mobil und kann an Rauschgift gelangen. Ob das in der Freizeit ist oder in der Schule. Aber wir sind keine Hochburg. Das zeigen mir auch die Gespräche mit Kollegen der Kripo, die die größeren Fälle bearbeiten.
Stoll: Die Polizeiinspektion Haßfurt hat in den letzten sieben, acht Jahren einen großen personellen Umschwung erlebt. Die jüngeren Kollegen, die nachgekommen sind, sind sehr gut ausgebildet auf diesem Gebiet. Viele Aufgriffe resultieren aus den aufmerksamen Kontrollen im Straßenverkehr. Anschließende Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Handys können dann einen Stein ins Rollen bringen. Der Wandel in der Belegschaft wird so auch in den höheren Aufgriffszahlen sichtbar.
Etzel: Vordergründig sicherlich. Es würde uns entlasten, wenn wir bestimmte Fälle, die Straftaten waren, nicht mehr verfolgen müssten. Wir müssten keine Anzeigen mehr schreiben, keine Durchsuchungen durchführen, keine Formblätter ausfüllen. Das ist die eine Seite. Zusätzlich belasten würden uns zwei Dinge. Einmal die Folgekriminalität, also die Straftaten, die unter Drogeneinfluss begangen werden. Zum zweiten würden wir uns bei einer Legalisierung eine bewusstseinsverändernde Droge mit unkalkulierbarem Ausmaß der Folgen aufbürden. Wir sehen doch täglich den gedankenlosen Umgang von Menschen mit der legalen Droge Alkohol. Beim Umgang mit anderen Rauschmitteln würden sich die Menschen nicht vernünftiger verhalten.
Sie sind also gegen eine schrankenlose Legalisierung?
Etzel: Ja. In diesem Fall liege ich auf einer Linie mit der bayerischen Staatsregierung. Ich habe früher in der Drogenprävention gearbeitet. Meine Erfahrungen aus dieser Zeit haben mir gezeigt, dass Konsumenten von Cannabis schleichend in ein Milieu geraten können, das sich negativ auf das eigene Verhalten, das Unrechtsbewusstsein und die Entwicklung auswirkt. Die Folgen können gesundheitliche und gesellschaftliche Probleme sein.
Etzel: Die Pandemie hatte bei uns zur Folge, dass wir die neuen gesetzlichen Regelungen – ob Ausgangssperre oder Maskentragepflicht – durchsetzen mussten. Wobei wir uns da schon sehr bemüht haben, nicht jeden Verstoß direkt anzuzeigen. Sondern erst einmal mit den Menschen zu sprechen, sie zu überzeugen. Zum Beispiel wenn die Maske nicht richtig saß. Für absolute Verweigerer gab es natürlich eine Anzeige.
Stoll: Klar, die Menschen waren viel Zuhause. Kriminelle passen sich aber immer auch den Gegebenheiten an. Schon vor Corona stieg die Zahl der sogenannten Cybercrime-Delikte in unserem Dienstbereich. In der Pandemie nahmen diese Aktivitäten im Internet noch einmal zu. Im ersten Lockdown zum Beispiel blieben die Schwimmbäder geschlossen. Jeder wollte sich einen Pool kaufen, entsprechend hoch war die Nachfrage. Kriminelle haben diese Bedürfnisse der Menschen gnadenlos ausgenutzt, indem sie dieses Produkt in Fake-Shops angeboten haben. Teils 800 Euro haben die Geschädigten überwiesen, die Ware aber nie erhalten. Hier haben wir massiv Aufklärungsarbeit geleistet, um dem vorzubeugen. Das zeigt sich auch in den Zahlen.
Etzel: Ich bin mir sicher, dass durch die angekündigten Festivitäten die Straftaten steigen. Ob das jetzt Körperverletzungen vor Ort sind, die mit Alkohol zu tun haben, oder andere Delikte, die häufig bei Veranstaltungen und Festen vorkommen. Das wird uns sicher beschäftigen. Denn Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es immer auch ein gewisses Konfliktpotential.
Herrn Etzels Erfahrungen in der Drogenprävention hat er gemacht, als Cannabis illegal war. Durch diese Kriminalisierung kann es natürlich sein, dass Cannabis-Konsumierende in das genannte „Milieu“ geraten. Könnten Sie es an kontrollierten Verkaufsstellen mit kompetenter Beratung und Verbraucherschutz (und auch entsprechender Konsum- und Mehrwertsteuer) erwerben, wäre diese Gefahr direkt gebannt.
Herrn Etzels Bedenken bezüglich der „Folgekriminalität“ und des „unkalkulierbaren Ausmaß der Folgen“ einer Legalisierung, sehe ich (schon in der Wortwahl) als zu dramatisch formuliert. Er sollte sich dringend mit empirischen Daten aus Ländern mit bereits erfolgter Legalisierung auseinandersetzen.