
Ein Hackerangriff hat das Thoraxzentrum in Münnerstadt Ende September 2024 schwer getroffen. "Wir standen erst einmal vor einem Scherbenhaufen", blickt Betriebsleiter Martin Schleyer im Gespräch mit dieser Redaktion zurück. Von der Attacke in der Nacht auf den 1. Oktober war nahezu die gesamte IT-Struktur der bezirkseigenen Lungenfachklinik betroffen.
Bis heute wirkt der Angriff nach, der Schaden ist immens. Schleyer schätzt die Summe auf rund 1,5 Millionen Euro. "Wobei dabei Investitionen eingerechnet sind, die wir aufgrund der Attacke haben vorziehen müssen, aber ohnehin früher oder später getätigt hätten", so der 43-Jährige.
"Angefangen hat es mit einem Rechner, der nicht mehr ansprechbar war. Wir hatten noch Glück, dass ein IT-Mitarbeiter im Haus war. Er hat blitzschnell reagiert und alle Leitungen gekappt. Damit hat er wohl noch größeren Schaden verhindert", beschreibt Schleyer das Szenario. Dennoch: "Binnen 15 Minuten hat es sich einmal durchs ganze Haus gezogen und nichts ging mehr."
Am Thoraxzentrum Münnerstadt mussten geplante Operationen verschoben werden
Konkret hieß das für die Klinik: kein Telefon, kein Internet, kein Zugriff auf Datenserver und Formblätter, auf Patientendaten oder -bilder. "Im Endeffekt auf nichts", so Schleyer. "Das Personal hat sofort reagiert und auf Papier umgestellt. Wir haben versucht, zu rekonstruieren, welcher Patient welche Medikamente bekommt. Teilweise mussten wir in Apotheken anrufen und fragen, was wir zuletzt bestellt haben. Es gab ja auch keinen Zugriff auf die Dokumentation."
Ein kritischer Zustand für Patientinnen und Patienten. "Wir mussten uns sehr schnell organisieren, um eine Gefährdung auszuschließen", so Schleyer. Operationen mussten teilweise verschoben werden, neue Patienten konnte man anfangs nicht aufnehmen, einige wenige mussten sogar verlegt werden. Das Krankenhaus bietet Platz für bis zu 110 Patientinnen und Patienten, rund 250 Mitarbeitende sind dort beschäftigt.

Es habe sich um einen hochprofessionellen Hackerangriff gehandelt, so Schleyer. "Das war für uns verheerend, weil auch die erste Backup-Stufe betroffen war." Die Wiederherstellung der Daten mit Unterstützung einer sofort angeforderten Fachfirma dauerte teilweise wochenlang.
Aber: "Es ist uns relativ schnell gelungen, mit höherem Personalaufwand und auf etwas niedrigerem Niveau einen Normalbetrieb herzustellen", sagt Schleyer und dankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klinik dabei ausdrücklich. Diese mussten zeitweise auf Geld verzichten, da Zuschläge nicht verrechnet und entsprechend zunächst nur das Grundgehalt ausgezahlt werden konnte.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten schnell auf Papierdokumentation umstellen
"Das war für alle sehr anstrengend und aufwendig, der Abstimmungsbedarf war schon sehr hoch. Für uns waren natürlich diejenigen, die sonst vielleicht etwas mit der Digitalisierung hadern, extrem wichtig. Die wussten einfach, wie es ohne die modernere Technik funktioniert. So konnten wir relativ schnell auf Papierdokumentation umstellen", so Schleyer. Man habe es trotz der Umstände sogar geschafft, abermals Zertifizierungen für die Rehaabteilung und die Akutversorgung durch den TÜV Rheinland zu erhalten.
Gewissermaßen scheibchenweise kehrt die Klinik seither zurück zur Normalität. Zuerst mit Prepaid-Handys und einigen wenigen Computern, inzwischen sei man nach Schleyers Einordnung sehr weit. Jedoch: "Der Patient merkt es auf jeden Fall noch daran, dass momentan kein WLAN funktioniert", weiß der Betriebsleiter um den eingeschränkten Komfort. "Da müssen wir im Moment noch um Verständnis bitten", sagt er.
In naher Zukunft dürfte das Münnerstädter Thoraxzentrum in Sachen IT-Infrastruktur zu den modernsten Krankenhäusern überhaupt zählen. "Wir müssen quasi alles austauschen", so Schleyer. Das würde sonst schrittweise über Jahre und nach Bedarf erfolgen, nun eben auf einmal. Geplante Investitionen habe man deshalb zwar keine stoppen müssen. "Aber wir müssen natürlich schauen, wo wir sparen können", sagt der Betriebsleiter.
Ob die Hacker Kontakt aufgenommen und Lösegeld gefordert haben, möchte Schleyer derweil nicht beantworten und verweist auf die laufenden Ermittlungen der Kriminalpolizei. Auch aus der Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken heißt es auf entsprechende Anfrage der Redaktion: "Zum derzeitigen Ermittlungszeitpunkt können wir keine weiteren Auskünfte erteilen."