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Machtilshausen/Würzburg
Statt an Autos zu schrauben, fährt er jetzt Lok: Familienvater wird Quereinsteiger bei der Deutschen Bahn
Seit Philipp Wieland als Lokführer bei der DB Cargo arbeitet, hat sich sein Leben verändert. Wie der Unterfranke den Berufswechsel erlebte und was die Herausforderung war.
Philipp Wieland sorgt dafür, dass wichtige Güter und Transporte von Würzburg aus über die Schienen in alle Regionen Deutschlands kommen.
Foto: Thomas Obermeier | Philipp Wieland sorgt dafür, dass wichtige Güter und Transporte von Würzburg aus über die Schienen in alle Regionen Deutschlands kommen.
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:27 Uhr

Morgens 4 Uhr aufstehen, den ersten Zug nach Nürnberg nehmen, pünktlich ab 8 Uhr die Schulbank  drücken. Nach dem Unterricht zurück in die Bahn, zurück nach Schweinfurt, abends nochmal aufraffen und lernen für den nächsten Tag. Für Philipp Wieland war das knapp sechs Monate lang Alltag. Auf sich genommen hat er das, um beruflich nochmal ganz von vorn anzufangen – als Lokführer bei der DB Cargo, im Quereinstieg.

Neun Monate dauerte die Umschulung insgesamt, nach sechs Monaten Schulbankdrücken durfte Wieland dann zum ersten Mal selbst in der Fahrkabine Platz nehmen. Wer denkt, Zugfahren bedeute, dass man nur einen Hebel nach vorn drückt und die Bahn fährt los, den belehrt Wieland eines Besseren. "Bei jedem Signal auf den Schienen muss man eine Taste bedienen", erklärt der Familienvater aus Machtilshausen (Lkr. Bad Kissingen) und zeigt auf die vielen bunten Knöpfe und Hebel in der Fahrerkabine. "Da muss man immer konzentriert bei der Sache sein."

Bahnfahren heißt mehr als nur einen Hebel nach vorn zu drücken

Bis es überhaupt soweit ist und sich die Lok in Bewegung setzt, muss der Lokführer einige Vorbereitungen treffen. Das Wichtigste: Warnweste und Helm aufsetzen. Ohne die Schutzkleidung darf keiner die Gleise der Deutschen Bahn betreten. Dann beginnt das "Aufrüsten" der Lok, wie es in der Eisenbahnersprache heißt.

Wieland kontrolliert, ob die Bremsen des Zuges festgestellt sind, betritt die Fahrerkabine und fährt den Bordcomputer hoch. Knapp eine Viertelstunde und viel Knöpfedrücken später sind der 30-Jährige und der Zug startklar. Bei dem Treffen an seiner Seite: Frank Liebich, Gruppenleiter bei der DB Cargo, der Fracht- und Gütersparte des Konzerns.

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Liebich war Wielands Mentor während der Zeit der Ausbildung, beantwortete all seine Fragen und betreute ihn bei den Fahrten. Für den Quereinsteiger hat er nur lobende Worte übrig: "Bei ihm war das Interesse da und er hat immer mitgedacht – ein absoluter Wunschkandidat." Auch menschlich passte es zwischen den beiden. Nicht unwichtig, wenn man stundenlang zu zweit auf den Schienen unterwegs ist.

Beim Bremsen im Güterverkehr muss Gefühl dabei sein

Ganz selbstverständlich ist das nicht. Unter den 30 bis 35 Quereinsteigern, die er bei der DB bisher betreut habe, seien auch Enttäuschungen dabei gewesen, sagt der Gruppenleiter. Doch die Bahn braucht Nachwuchs und versucht lösungsorientiert zu arbeiten. Passt es zwischen Azubi und Mentor nicht - "dann tauscht man halt den Fahrtrainer", sagt Liebich. 

Wieland vertraue er blind, sagt der Gruppenleiter: "Ich kann mich bei ihm mit geschlossenen Augen danebensetzen und mich darauf verlassen, dass er gut bremst." Das ist wichtig, denn das Anhalten der Lok spielt im Güterverkehr eine große Rolle. Ein Zug braucht, anders als ein Auto, deutlich länger bis er zum Stehen kommt. Und wenn die Lok dann zentimetergenau an die Wagons fahren muss, um sich zu verbinden, ist vor allem eines gefragt: Gefühl.

"Das ist einfach eine Erfahrungssache und kommt mit der Zeit", sagt der Ausbilder. Philipp Wieland hat das längst drauf. Seit drei Jahren ist er nun ausgebildeter Lokführer bei der DB Cargo, fährt von Würzburg bis München, Passau oder Nürnberg. Doch bis dahin war es ein längerer Weg...

Wegen fehlender Familienzeit wechselte er zur Deutschen Bahn

Denn eigentlich fand Philipp Wieland, der aus der Vorrhön stammt, Autos immer interessanter als Züge. Da lag eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker nahe. Doch er habe schnell gemerkt, dass ihm der Beruf nicht so richtig Freude bereitete, sagt der 30-Jährige heute. Zweieinhalbjahre nach der Ausbildung wechselte er in die Industrie, ging auf Montage und wartete Anlagen. Wochenlang sei er da teilweise unterwegs gewesen, vom Familienleben zuhause bekam er nur wenig mit. "Es gab oft Ärger mit meiner Frau und ich habe selbst auch gemerkt, wie das Familienleben an mir vorbeizieht", erinnert sich Wieland.

Frank Liebich (rechts) schaute als Fahrtrainer bei DB Cargo während der Ausbildung immer über Philipp Wielands Schulter.
Foto: Thomas Obermeier | Frank Liebich (rechts) schaute als Fahrtrainer bei DB Cargo während der Ausbildung immer über Philipp Wielands Schulter.

Das Stellenangebot zum Quereinstieg als Lokführer bei der Deutschen Bahn sei damals genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Seit 2007 bietet die Deutsche Bahn Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung den Umstieg und Wechsel in den Konzern an. Denn der Fachkräftemangel setzt auch der Bahn zu, tausende Stellen sind unbesetzt. Und mit bundesweiten Werbekampagnen versucht das Unternehmen, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen – nach eigenen Angaben mit Erfolg.

Quereinstieg bei der Deutschen Bahn ist kein Zuckerschlecken

Zwischen 4000 und 5000 Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger stellt der Konzern nach eigenen Angaben jährlich ein. Insgesamt beschäftigt die Deutsche Bahn 211.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland. Zu den beliebtesten Berufen gehören dabei Triebfahrzeugführer oder -führerin, die Jobs im Bereich Stellwerkdienst, Bordservice und Kundenbetreuung. Und die Deutsche Bahn weiß, wie sie sich als Arbeitgeber attraktiv macht – und verspricht einen zukunftssicherer Arbeitsplatz, Weiterbildungsmöglichkeiten und tarifliche Bezahlung. Auch Wieland haben diese Argumente überzeugt.

Doch nicht für alle, die unzufrieden in ihrem Beruf sind, ist der Jobwechsel empfehlenswert, meint der Lokführer: "Der Quereinstieg bei der Deutschen Bahn ist kein Zuckerschlecken." Wer die psychologische Eignungsprüfung geschafft hat, auf den wartet ein hartes Lernprogramm: Signalzeichen, Gesetzestexte, Behördendeutsch. Die Durchfallquote beim Quereinstieg als Lokführerin oder Lokführer liegt laut des Konzerns bei circa 15 Prozent. 

Für das Ankoppeln der Züge muss Philipp Wieland zentimetergenau bremsen.
Foto: Thomas Obermeier | Für das Ankoppeln der Züge muss Philipp Wieland zentimetergenau bremsen.

Hinzu kommt: Einfach vom Bürojob in die Fahrkabine zu wechseln, das funktioniert nicht. Wer Lokführerin oder Lokführer werden möchte, muss eine abgeschlossene Berufsausbildung mit technischem Hintergrund vorweisen können. Weil gerade diese Fachkräfte schwierig zu finden sind, versucht die Bahn die Einstiegshürden für die Bewerbungen niedrig zu halten. Ein Anschreiben ist nicht mehr notwendig, stattdessen setzt der Konzern auf einen Onlinefragebogen im eigenen Bewerberportal.

Wieland will über das Karriereprogramm Weiterbildungschancen nutzen

Für ihn habe sich all der Aufwand gelohnt, sagt Philipp Wieland. Er kann nun viel mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. "Ich habe zwar oft Wechselschichtarbeit, bin aber am Ende jeden Tages wieder zuhause", freut er sich. Für ihn Luxus im Vergleich zu seinem Montagejob. Auch Nachtschichten schiebe er gerne, sagt der Mann aus Machtilshausen: "Dann kann ich vormittags einkaufen gehen oder Termine wahrnehmen." Die Nachtschichtzulagen bessern das Gehalt zusätzlich auf. Bis zu 53.400 Euro kann man als Lokführerin oder Lokführer bei der DB Cargo verdienen.

Für Wieland soll sein jetziger Job nicht die letzte Station im Konzern sein. Er will mehr aus sich rausholen und hat sich über das Talentförderprogramm weitergebildet. "Ich arbeite aktuell zur Hälfte als Lokführer und zur Hälfte als Disponent", erzählt er nicht ohne Stolz. Zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben koordiniert er nun noch Personal und Zugverkehr. Und nicht genug: Der Familienvater will irgendwann einmal selbst Mentor werden - und in Frank Liebichs Fußstapfen treten.

 
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  • Heribert Mennig
    Respekt und allzeit gute Fahrt!
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