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Bad Kissingen
Priester wegen sexuellen Missbrauchs in Bad Kissingen vor Gericht
Eine Frau wirft einem Priester aus der Diözese Würzburg sexuellen Missbrauch vor. Warum der Prozess am Donnerstag bayernweit eine Sonderstellung einnimmt.
Statue der Justitia: Am Donnerstag findet am Amtsgericht Bad Kissingen der Prozess gegen einen des schweren sexuellen Missbrauchs beschuldigten Priesters statt.
Foto: Arne Dedert, dpa | Statue der Justitia: Am Donnerstag findet am Amtsgericht Bad Kissingen der Prozess gegen einen des schweren sexuellen Missbrauchs beschuldigten Priesters statt.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:57 Uhr

Ein Priester aus dem Bistum Würzburg muss vor Gericht: Eine junge Frau beschuldigt ihn des sexuellen Missbrauchs vor zehn Jahren. Damals war sie zwölf Jahre alt, ein Kind. Sie soll den Geistlichen bewundert haben. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt beurteilt den Fall als schwer und hat Anfang Juni Anklage erhoben. An diesem Donnerstag, 20. August, muss sich der Geistliche, der heute Anfang 40 ist, am Amtsgericht Bad Kissingen den Vorwürfen stellen.

Der Fall ist diffizil - und er nimmt eine Sonderstellung ein. Er ist der einzige in Bayern, bei dem es aufgrund der von der katholischen Kirchen an die Staatsanwaltschaften ausgehändigten Personalakten zur Anklage gekommen ist. Dabei sah es anfangs auch hier nicht danach aus. Die Ermittlungen waren zunächst im März 2019 eingestellt worden.

Der Grund dafür lag laut Leitendem Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht darin, dass aufgrund der in der Akte vermerkten Angaben ein Tatnachweis nicht zu führen gewesen sei. Dann habe die Frau neue Angaben gemacht, die Ermittlungen wurden wieder aufgenommen. Aufgrund der Schwere der Taten – zwei werden dem Priester zur Last gelegt – liege die Verjährungsfrist bei 20 Jahren, so Weihprecht.

Öffentlich bekannt wurde die Beschuldigung Ende Februar dieses Jahres. Da gab das Bistum bekannt, dass Bischof Franz Jung den Geistlichen suspendiert und eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet habe. Der Generalvikar informierte die Gemeinde beim Gottesdienst. Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats sprach damals von "Schock".

Dass überhaupt kirchliche Personalakten den Staatsanwaltschaften vorlagen, hat direkt mit der Missbrauchsstudie (MHG-Studie) der katholischen Kirche tun. Die deutschen Bischöfe hatten sie 2014 in Auftrag gegeben, im September 2018 wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Die Empörung war groß: Laut Studie waren 1670 Kleriker beschuldigt worden, 3677 Kinder und Jugendliche missbraucht zu haben. Untersucht worden waren von den Forschern jedoch nicht alle Akten, denn die Bistümer hatten vorab eine Auswahl getroffen. Auch der Zeitraum war unterschiedlich. Zehn Bistümer stellten Akten von 1946 bis 2015 zur Verfügung, 17 Bistümer von 2000 bis 2015.

Strafrechtsprofessoren stellten Anzeige gegen Unbekannt

Im Dezember 2018 hatte Würzburgs Bischof Franz Jung bekannt gegeben, dass das Bistum Akten über Missbrauchsvorwürfe gegenüber Klerikern an die Staatsanwaltschaft übergebe. Ebenso Dokumente, die gesichtet, aber in der Missbrauchsstudie nicht erfasst wurden, weil sie nicht Teil der Studienvorgabe waren.

Die Weitergabe der Akten an die staatlichen Strafverfolgungs- und vollstreckungsbehörden hatten im Oktober 2018 sechs Juristen gefordert und Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Sie forderten aufgrund der Studienergebnisse in ihrer Anzeige eine Durchsuchung jeder Diözese und die Beschlagnahmung der Dokumente. Dies, so der beteiligte Würzburger Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf damals, sei eine Reaktion auf die defizitäre Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche. Die Staatsanwaltschaften sollten veranlasst werden, Ermittlungen aufzunehmen.

So kam ein weiterer Stein ins Rollen. In Bayern gab es laut den übergebenen Kirchenakten 204 beschuldigte Kleriker - davon allein 57 im Bistum Würzburg, die höchste Zahl unter allen sieben (Erz-)Bistümern im Freistaat. Ende Juli teilte das Justizministerium auf eine Anfrage von Landtagsabgeordneten der Grünen zu den strafrechtlichen Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie mit:  148 Fälle seien von den Staatsanwälten geprüft worden, nur in einem Fall erhoben sie Anklage. Etliche Ermittlungen seien wegen Verjährung eingestellt, so das Ministerium. Andere Tatvorwürfe seien bereits bekannt und geprüft gewesen und gegebenenfalls abgeurteilt worden. In 49 Verfahren lag demnach kein hinreichender Tatverdacht vor, sieben wurden an die Staatsanwaltschaften außerhalb Bayerns abgegeben.

Der Fall des beschuldigten Priesters aus dem Raum Bad Kissingen ist somit der einzige, der es in Bayern vor Gericht geschafft hat. Laut denn Angaben von Oberstaatsanwalt Weihprecht im Juni hat der Mann von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Es ist nur ein Verhandlungstag angesetzt. Im Raum steht ein Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft.

Sexueller und schwerer sexueller Missbrauch

Laut Paragraf 176 des Strafgesetzbuchs liegt sexueller Missbrauch von Kindern unter anderem vor, wenn jemand sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren vornimmt oder sich von ihr vornehmen lässt. Wenn dabei in den Körper eingedrungen wird, ist es schwerer Missbrauch (Paragraf 176a).
Diese Handlungen seien immer als sexuelle Gewalt zu werten, selbst wenn ein Kind damit einverstanden wäre, informiert der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. "Um strafbaren Missbrauch handelt es sich, wenn sexuelle Handlungen am Körper des Kindes stattfinden oder der Erwachsene beziehungsweise Jugendliche sich entsprechend anfassen lässt, zum Beispiel die Genitalien des Kindes manipuliert, ihm Zungenküsse gibt, sich vom Kind befriedigen lässt."
Quelle: StGB, UBSKM
 
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  • A. B.
    Ich halte diese Berichterstattung für einseitig und unsachlich.
    1) Laut Studie: 1670 Kleriker beschuldigt Missbrauch: 3677 Kinder/Jugendliche
    2) Diese Zahl beinhaltet auch die Anzahl der Kleriker, die freigesprochen wurden.
    3) Diese Zahl beinhaltet auch jene, die bereits gestorben sind und sich daher gar nicht mehr verteidigen können. Unschuldsvermutung ade?
    4) Warum bringt die MP VOR dem morgigen Prozess diese Infos?
    5) Warum wird mit der Behauptung der "Fall sei der einzige, der es ...vor Gericht geschafft hat" der Eindruck erweckt, es müssten noch mehr vor Gericht gebracht werden?
    6) Personalakten wurden von der Kirche einfach auf Druck ausgeliefert - ohne dass konkrete Verwürfe für eine Person vorlagen - einfach auf Verdacht hin.
    7) Warum geschieht dies nicht auch bei Lehrern/Erziehern der vergangenen Jahrzehnte? Warum gibt es hier kein Interesse?
    8) Leider hinterlassen all diese Fragen - ein mehr als eigenartiges "Geschmäckle".
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  • H. M.
    wenn alle Missbrauchsfälle in der Kirche vor Gericht landen würden, wären die Gerichte überlastet.
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  • M. A.
    Und es gäbe kaum noch unbescholtene Prister
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    Jetzt übertreiben Sie mal nicht. Sicher gäbe es mehr verurteilte Priester. Ich hoffe, daß die Kirche (aber auch andere Institutionen) die notwendigen Reformen einleiten um Mißbrauch zu verhindern.
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  • A. H.
    Sie wissen aber schon, dass sie damit alle Priester unter Verdacht stellen; wollen Sie das wirklich?
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