Es müssen nicht immer Trommeln sein. Man kann dem Publikum auch kräftig einheizen, wenn man mit den Drum-Sticks auf Alu-Leitern hämmert, wie die Jungs und Mädels von KissPercussiva das im Max-Littmann-Saal zu Beginn der Podiumsdiskussion von Saale-Zeitung und Main-Post eindrucksvoll bewiesen. Eine tolle Idee, denn so kamen die drei Oberbürgermeister-Kandidaten, zumindest rhythmisch, gleich voll in die Gänge. Dass sie dann den ganzen Abend über im politischen Fahrwasser bleiben würden, dafür sorgten die Moderatoren Benedikt Borst (Saale-Zeitung) und Siegfried Farkas (Main-Post).
Da war erstens Gerhard Schneider ( CSU ), der 58-jährige frühere Kämmerer und jetzige Geschäftsleiter der Stadt Bad Kissingen , der die Stadtverwaltung nach 30-jähriger Tätigkeit dort wie seine Westentasche kennt. Seiner Ansicht nach hat die Stadt mit der Bewerbung um den Unesco-Titel Weltkulturerbe eine "tolle Chance" ergriffen. Bad Kissingen müsse nun auch "Gesundheitsstandort Nummer eins" werden, und man müsse das Thema Oberzentrum mehr ins Rampenlicht rücken, fordert er und sagt, dass er sich den "Herausforderungen stellen" werde. So müsse beispielsweise der Ausbau der Fußgängerzone unter Beteiligung des Freistaats forciert werden.
Die Kandidaten stellen sich vor
Dann stellte sich Dr. Dirk Vogel ( SPD ) vor. Der Sozialwissenschaftler ist Büroleiter der Stadt Rüsselsheim und auf der Bühne der Einzige mit Wahlkampf-Erfahrung. Denn in Bruchköbel hatte er sich schon einmal als Bürgermeister beworben. Seiner Ansicht nach stehe die Stadt Bad Kissingen nicht gar so schlecht da. Die Schulden seien auf 15 Millionen Euro zurückgefahren worden, während die Gewerbesteuer-Einnahmen sich auf nahezu acht Millionen Euro eingependelt hätten. Aber es herrsche auch allgemeine Unsicherheit und Skepsis, beispielsweise weil die Eishalle zu ist. Er wolle "neue Akzente setzen", die "Knappheitsdiskussion beenden", die Stadt brauche neue Einnahmen.
AfD-Kandidat Peter Eggen setzte sich gleich in die Nesseln, als er sagte, bei dieser Kommunalwahl würden zum ersten Mal drei OB-Kandidaten antreten, denn 2008 hatte es gleich fünf Bewerber gegeben, wie Moderator Farkas schließlich klarstellte. Eggen, der 64-jährige Finanzbeamte a.D., lebt seit 1994 in Bad Kissingen und trat in der Kurstadt bislang nicht politisch in Erscheinung. Auf den Stimmzetteln stehe er "in der Mitte", flankiert von den Kandidaten der SPD und CSU . Aus der Mitte zu agieren, sei auch seine Devise, ließ er wissen und erntete leises Geraune im Publikum. Seine Partei wolle den "Bürger einbinden". Dem "Ausverkauf von städtischem Eigentum" erteilte er eine klare Absage.
Zur Einstimmung gab's erst mal Quizfragen zur Kurstadt: Welches Jubiläum begeht Bad Kissingen 2020? Wie hoch ist der Anteil der Ausländer und der Bad Kissinger über 66 Jahre in der Stadt? Kennen Sie die aktuelle Arbeitslosenquote? Die Kandidaten schlugen sich wacker, wenngleich relativ schnell klar wurde, dass CSU-Mann Gerhard Schneider bis zum Ende punkten würde.
Schließlich ging's ans Eingemachte, als Farkas und Borst aktuelle politische Themen aufs Tapet brachten. Was passiert zum Beispiel an der Brache, wo einst das Kurhaushotel stand? Laut Vogel sei "von heute auf morgen" dort sicher nichts zu machen, da dieser Standort nicht im eigenen Wirkungskreis der Stadt liege. Eggen schrieb es ab, dass in der kommenden Amtsperiode dort etwas passiert. "Wir müssen dranbleiben", sagte hingegen Schneider. Die Situation sei schwierig, aber es dürfe dort "keine Alternativ-Projekte" geben.
Was soll der Berliner Platz in Zukunft darstellen? Der Platz solle so bleiben, man müsse ihn etwas verschönern, aber mit wenig Geld, befand Eggen. "Er muss wieder die Visitenkarte unserer Stadt werden", konterte Schneider. Vogel fand die bisherige Diskussion im Stadtrat zum Berliner Platz "unproduktiv". Man sollte auch die Bürger beteiligen. Bauliche Maßnahmen seien jedenfalls wichtig, sagte Vogel, denn dort müsse schließlich der " Verkehr der Zukunft abgewickelt" werden.
"Angenommen, bei der Wahl der Bürgermeister-Stellvertreter käme ein Ratsmitglied der CSU mit AfD-Stimmen ins Amt, was machen Sie da, Herr Schneider?", spielte Moderator Farkas auf die jüngsten Ereignisse in Erfurt an. "Ob mir das gefällt oder nicht, ist egal", sagte Schneider, unterstrich jedoch, dass er in diesen Dingen nicht per se mit der AfD zusammenarbeiten wolle. Es gebe aber ein Kommunalwahlrecht , das ein bestimmtes Prozedere vorschreibe. Deshalb müsse man solche Ergebnisse hinnehmen. "Die Demokratie muss das aushalten."
Erfurt im Bad Kissinger Spiegel
Vogel hielt "nichts von Dämonisierungen". Man müsse vielmehr aus den Ereignissen in Thüringen lernen. Seiner Ansicht nach werde es künftig immer wieder solche Abstimmungsergebnisse geben. Der Appell an Eggen lautete: Die AfD müsse ihre "Worthülsen in Berlin lassen" und zusehen, was sie konkret in Bad Kissingen bewegen könne. Ihn persönlich habe es jedenfalls geärgert, dass die FDP in Thüringen mit knapp fünf Prozent überhaupt auf die Idee gekommen sei, einen Ministerpräsidenten-Kandidaten zu stellen. Das habe, laut Vogel, nichts mehr mit Volksmehrheiten zu tun.
Eggen hatte bereits in einem Interview mit dieser Redaktion geäußert, dass er das Stimmverhalten der AfD in Erfurt für einen "genialen Schachzug" hält. Ob man in der Kurstadt auch mit so etwas rechnen müsse, wollte der Moderator wissen. "Ja, denn die AfD steht in der Mitte", sagte Eggen. Er beschwerte sich über die Medien, die den "Hass gegen die AfD" verursachen würden. "Herr Schneider, Sie müssen mit der AfD zusammenarbeiten", sagte Eggen erregt. Die Menschen müssten nun mal akzeptieren, dass die AfD aus der Bundestagswahl 2017 als drittstärkste Kraft hervorgegangen sei.
Auch OB Blankenburg mischte mit
Es sei nicht fair, dass im Littmann-Saal landes- und bundespolitische Verhältnisse angesprochen werden, denn es gehe an diesem Abend schließlich um Bad Kissingen , sagte Eggen. Und falls es in Bad Kissingen zur Stichwahl käme, werde die AfD freilich auch eine Wahlempfehlung abgeben, kündigte er an. "Akzeptieren Sie uns doch mal!", rief er empört, an Moderator Farkas gewandt, aus. "Wenn wir Sie nicht akzeptieren würden, säßen Sie nicht hier", entgegnete dieser und machte darauf aufmerksam, dass er eine "legitime Frage" an Eggen gestellt habe. "Das Thema beschäftigt die Leute nun mal."
Nach der anberaumten Pause durfte auch der amtierende Oberbürgermeister Kay Blankenburg ein bisschen auf der Bühne mitmischen, als die drei Kandidaten auf die "Behauptungen" der Moderatoren hin den Daumen hoch, runter oder seitwärts halten sollten, um ja/nein, beziehungsweise richtig/falsch oder unentschieden zu antworten. Da ging es zum Beispiel darum, ob das Projekt Neue Altstadt heuer noch losgeht oder nicht, oder ob der künftige OB wegen der geringeren Schuldenbelastung nun mehr Spielraum habe oder nicht.
Stadt als Wohn- und Arbeitsraum
Ein spaßiges Zwischenspiel zum Thema "Mut und Vertrauen", bei dem die Kandidaten mit Augenmasken ein paar Kissinger Spezialitäten verkosten und erkennen sollten, lockerte die Atmosphäre auf, bevor schließlich Fragen aus dem Publikum beantwortet wurden: Dabei ging es sowohl um Lapidares wie den Plastikblumen-Schmuck am Rathaus, aber auch um zukunftsträchtige Themen, wie zum Beispiel um das Für und Wider einer Geburtshilfestation in Bad Kissingen oder um die Frage, wie man den finanziellen Spielraum der Stadt künftig erweitern könnte.
"Wie wollen Sie die Stadt als Wohn- und Arbeitsraum für junge Leute attraktiv machen?", wollte jemand aus dem Saal wissen. Bad Kissingen müsse sein Potenzial als Wissenschafts- und Labor-Standort besser nutzen, das könne junge Leute anziehen, sagte zum Beispiel Schneider. Aber auch Wohnraum müsse geschaffen werden, und man müsse Kitas und Schulen in ihren Kapazitäten ausbauen. Eggen pflichtete im Wesentlichen bei. Arbeitsplätze in den Labors und auch in der Pflege könnten Arbeitskräfte binden, sagte er, bezweifelte jedoch, ob das junge Leute generell locken könne.
Maßnahmen zum Klimawandel
Auf die Zuschauer-Frage, was der neue OB denn für Familien tun wird, kamen dann von den Kandidaten eher Allgemeinplätze wie ein gutes Angebot in Schulen vorhalten, Arbeitsplätze schaffen, die Kitas ausbauen und die Sportstätten in gutem Zustand halten.
Etwas konkreter wurden die Diskussionsteilnehmer beim Thema Klimawandel. Die "klimaneutrale Stadt" als Sammelbegriff für theoretisch formulierte Ziele, die dann möglicherweise gar nicht einzuhalten sind, lehnte Vogel ab und sprach sich eher für "konkrete Maßnahmen" aus, wie zum Beispiel beim Ausbau des Berliner Platzes den " Verkehr der Zukunft" im Blick zu haben, oder ein klimafreundliches Gebäude-Management zu betreiben. Schneider setzte auf die innovativen Kräfte der Stadtwerke. Er würde zum Beispiel gern die "Wasserstoff-Wirtschaft" ankurbeln und überall in den historischen Gebäuden der Stadt auf Blockheizkraftwerke umrüsten.
Alte Ölheizungen austauschen
Als Zuschauer hatte man den Eindruck, dass Eggen bei der Frage etwas ins Schwimmen kam: Ja, die Stadtwerke könnten innovativ tätig werden, was Gewerbebetriebe angehe. Aber auch die Privathaushalte müssten sich künftig von den alten Ölheizungen verabschieden. Einer der Zuhörer wollte übrigens von Eggen noch wissen, ob er ein "gemäßigter AfD-ler" sei und sich von den Aussagen des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke distanziere. Jede Partei habe, so Eggen, mehrere Lager. "Bei uns ist es der Flügel", sagte er, ohne näher darauf einzugehen, was er damit meinte. Dazu muss man wissen: Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke gilt als Hauptfigur dieser Gruppierung von äußersten Rechten innerhalb der AfD. Eggen weiter: "Höcke ist nicht unbedingt mein Freund. In gewissen Dingen distanziere ich mich." Isolde Krapf