Arnold Berger (Name auf Wunsch der Familie von der Redaktion geändert) wird am Morgen des 12. Dezember ins St. Elisabeth-Krankenhaus in Bad Kissingen eingeliefert. Der 76-Jährige hat zu viel Wasser in den Beinen. Zweieinhalb Wochen später verlässt er das Krankenhaus wieder. "Als er vom Eli weg war, war das mit dem Wasser geregelt", sagt eine seiner Töchter. "Aber dafür hatte er Corona."
Hat Arnold Berger sich im St. Elisabeth-Krankenhaus angesteckt? Sein PCR-Test bei der Einlieferung war negativ. Der PCR-Routinetest einige Tage später in der Klinik aber fällt positiv aus. In der Stellungnahme der Unternehmenskommunikation des Helios St. Elisabeth-Krankenhauses heißt es zu dem Fall von Arnold Berger: "Eine Übertragung des hochansteckenden Virus während eines Klinikaufenthaltes kann trotz all unserer strikten Schutzmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Dieses Restrisiko ist zutiefst bedauerlich."
Sich in einem Krankenhaus mit Corona anzustecken - für viele eine Horrorvorstellung. Auszuschließen ist sie nicht. Auch ein Hausarzt aus dem Landkreis Bad Kissingen sagt, ihm seien Fälle bekannt, bei denen sich Patienten im Krankenhaus mit dem Coronavirus infiziert hätten.
Schutzkonzept sieht Isolation und gesonderte Maßnahmen vor
Arnold Bergers Familie erzählt, dass auch seine Zimmergenossen positiv getestet worden seien. Dazu schreibt das Krankenhaus in seiner Stellungnahme nichts, aber: "Wir haben umgehend alle Wege des Patienten in unserem Haus nachverfolgt und unser Schutzkonzept detailliert überprüft. Hierzu gehören neben dem Besuchsverbot, Maskenpflicht und Hygienemaßnahmen auch das regelhafte Testen aller Patienten bei deren Ankunft."
Das Schutzkonzept erklärt das Krankenhaus so: Bis zur Vorlage des Ergebnisses und bis zur Freigabe durch einen Arzt werden die Patienten isoliert versorgt. "Patienten mit negativem Testergebnis werden im sogenannten grünen Bereich behandelt, Patienten mit unklarem oder bestätigtem Befund im roten Bereich mit gesonderten Schutzmaßnahmen."
Arnold Berger kann zu den Geschehnissen nichts mehr sagen. Er ist im Januar gestorben. Doch sein Fall zeigt, dass das Schutzkonzept nicht lückenlos funktioniert. Und er macht auf weitere Missstände aufmerksam. Die Familie ist noch immer fassungslos über das, was der 76-Jährige bei täglichen Gesprächen am Telefon berichtet hatte. Es sind Berichte, die niemand gerne hört, der einen Angehörigen im Krankenhaus hat.
Falsche Tabletten für den Patienten ausgegeben
Was Arnold Berger seiner Familie geschildert hatte: An einem Morgen stellt ihm jemand falsche Tabletten hin und fordert ihn auf, diese zu nehmen. Berger weist darauf hin, dass er die verordneten Tabletten bereits genommen hat, und weigert sich, zusätzliche "falsche" Tabletten zu nehmen. "Mein Vater war nicht dement", sagt seine Tochter. Er habe erzählt, dass der Pfleger, der wohl nur gebrochen Deutsch sprach, auf seine Einwände nicht eingegangen sei. Er habe immer nur "nehmen, nehmen" gesagt.
Das Krankenhaus bestätigt den Vorfall und schreibt, dass es beinahe zu einer falschen Medikamentengabe gekommen sei. "Wir legen großen Wert auf die Sicherheit unserer Patienten und haben Standardprozesse, mit denen wir eine korrekte Medikamentengabe sicherstellen", heißt es in der Stellungnahme. Trotz dieser eingespielten Mechanismen seien in diesem Fall beinahe falsche Medikamente gegeben worden. Dies sei "umgehend nachvollzogen und besprochen worden".
Verbal angegangen: Vorfall mit Pflegerin
Auch die Wortwahl, mit der eine Pflegerin mit ihm sprach, muss den 76-Jährigen entsetzt haben, schildert seine Tochter. "Er war fix und fertig." Eine Pflegerin soll zu ihm gesagt haben: "Jemanden wie Sie würde man in einem anderen Land verrecken lassen."
Warum es zu diesen Worten kam? Ihr Vater sei ein ruhiger Mensch gewesen, sagen die Töchter. Er sei oft guter Dinge gewesen. Auch der Hausarzt bestätigt, dass er seinen Patienten als "wenig aufbrausend erlebt" habe. Die Familie vermutet: "Er ist vielleicht angesichts der Umstände etwas mürrisch geworden."
Als eine der Töchter erfährt, wie ihr Vater von einer Pflegerin verbal angegangen wurde, ruft sie wütend im St. Elisabeth-Krankenhaus an und fordert, die Geschäftsführung zu sprechen. "Unangemessene Sprache oder gar verbale Entgleisungen werden in unserem Krankenhaus nicht toleriert und unverzüglich geahndet – so auch in diesem Fall", heißt es in der Stellungnahme des Krankenhauses. Die Klinikleitung habe sich umgehend nach Bekanntwerden bei dem Patienten entschuldigt, der Pflegedirektor sei dazu persönlich am Bett des Patienten gewesen. "Der Patient hat die Entschuldigung angenommen." Die Klinikleitung habe telefonisch auch mit seiner Frau gesprochen.
Als er das Krankenhaus verließ, war er noch ansteckend
Erlebnisse, die die Familie zwar verärgerten, sie aber noch nicht dazu gebracht hätten, den Fall öffentlich werden zu lassen. Dann aber geschah etwas, das für sie nicht mehr tragbar erschien.
Was geschah: Arnold Berger wurde am 28. Dezember aus dem Krankenhaus entlassen - obwohl er noch ansteckend war. "Weder ihm noch uns war das bewusst", berichten die Angehörigen. "Bist du negativ?", habe ihn seine Frau am Telefon gefragt, bevor die Familie ihn mit dem Auto vom Krankenhaus abholte. Er habe geantwortet: "Sonst würden sie mich nicht rauslassen."
Das Krankenhaus beschreibt in seiner Stellungnahme die Situation anders: "Letztlich haben wir dem mehrfach ausdrücklichen Wunsch von Herrn B. entsprochen, nach Hause entlassen zu werden, da sein Allgemeinzustand soweit stabil war. Er wurde über seinen Corona-positiven Test und die damit verbundenen Quarantänemaßnahmen mehrfach aufgeklärt, so dass wir davon ausgehen durften, dass Herr B. sich seiner Ansteckungsgefahr bewusst ist, sein Verhalten danach ausrichtet und seine Familie in Kenntnis ist."
Patient bei der Abschlussuntersuchung über mögliche Komplikationen informiert
Der Patient sei am 22. Dezember, als das positive Testergebnis vorlag, mündlich durch den behandelnden Arzt darüber informiert worden, heißt es in einer zweiten Stellungnahme des Krankenhauses. Außerdem sei er umgehend auf die Isolierstation verlegt worden. Der behandelnde Arzt habe bei der Visite am folgenden Tag mit dem Patienten über die Erkrankung und die möglichen Komplikationen im Zusammenhang mit seiner schweren Grunderkrankung gesprochen.
Am Tag der Entlassung am 28. Dezember sei die Information, dass Arnold Berger weiter ansteckend sei, vom entlassenden Arzt nochmals im Gespräch mit dem Patienten thematisiert worden. Bei der Abschlussuntersuchung, zu der auch eine Ultraschalluntersuchung eine Stunde nach der Visite gehöre und die einige Zeit in Anspruch genommen habe, habe der Arzt die Information mündlich vorgenommen. Hierbei sei nicht nur über den Befund der Ultraschalluntersuchung, sondern auch über das Risiko, welches von der weiterhin bestehenden Covid-19-Infektion ausgeht, gesprochen worden.
Klinik: "Patient orientiert und entscheidungsfähig"
Außerdem sei Arnold Berger darauf hingewiesen worden, bei einer Verschlechterung des Zustandes umgehend die Notaufnahme der Klinik aufzusuchen. In der Stellungnahme heißt es weiter: "Der Patient war am Tag seiner Entlassung orientiert und entscheidungsfähig und hat auf Nachfrage versichert, dass im heimischen Umfeld Schutzmaßnahmen getroffen werden."
Wer was mit wem gesprochen hat, es ist schwer zu klären. Es scheint kein Dokument zu geben, auf dem Arnold Berger mit seiner Unterschrift versichert, dass er trotz seiner bestehenden Corona-Erkrankung aus dem Krankenhaus entlassen werden will und sich des Risikos einer Ansteckung bewusst ist.
Auf die Nachfrage der Redaktion, ob solch eine schriftliche Versicherung vorliege, heißt es in der ersten Stellungnahme der Klinik nur: Die angeführten Probleme im Zusammenhang mit der Entlassung des Patienten würden im Moment intern aufgeklärt.
Wie handhaben andere Krankenhäuser solche Fälle? Beim Leopoldina in Schweinfurt, bei dem die Redaktion stellvertretend nachfragte, lautet die Antwort: Infektiöse Patienten, die keine stationäre Behandlung mehr benötigen, könnten nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt in die häusliche Quarantäne entlassen werden. Das weitere Management übernehme dann das Gesundheitsamt.
Durch den Hausarzt erfuhr die Familie, dass der Vater noch ansteckend ist
Das Tragische im Fall von Arnold Berger bleibt: Niemandem seiner Angehörigen war bewusst, dass der 76-Jährige noch das gefährliche Virus in sich trug. Nicht der 54-jährigen Tochter, die an Brustkrebs erkrankt ist und auf der Heimfahrt von der Klinik mit ihm im Auto saß. Nicht seiner Frau, die ihn pflegte und mit ihm in einem Bett schlief. Nicht dem Sohn, der seine Urlaubstage im Elternhaus verbrachte.
Dass der Vater noch ansteckend ist, erfuhr die Familie am nächsten Tag durch den Hausarzt. Dieser wollte Arnold Berger auf die Bitte seiner Frau hin untersuchen und die Medikamenteneinnahme abklären. Der Vater hochgradig ansteckend? "Wir sind aus allen Wolken gefallen", sagt die Tochter.
Befund nur aus den Laborwerten ersichtlich
Seine Praxis habe einen Anruf vom Krankenhaus erhalten, mit dem Hinweis, dass der Patient positiv sei, berichtet der Hausarzt. Da sei Arnold Berger aber schon entlassen gewesen. Im schriftlichen Bericht, der ihm vorliege, sei mit keinem Wort erwähnt, dass Arnold Berger positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden war. Dieser Befund, sagt der Hausarzt, sei "in den Laborwerten versteckt".
Das Bad Kissinger Krankenhaus teilt mit, dass im Fall Berger am 29. Dezember die elektronisch übermittelte Meldung der Entlassung an das Gesundheitsamt erfolgte. Mit dem Gesundheitsamt sei inzwischen vereinbart worden, dass künftig bei ähnlichen Fällen eine zusätzliche, direkte Information erfolge.
Die Ehefrau und der Sohn haben sich schon infiziert
Als die Nachricht vom weiter positiven Befund schließlich die Familie erreicht, ist es schon zu spät: Die 76-jährige Ehefrau hat sich infiziert und erkrankt sehr schwer an Covid-19. Vollständig erholt hat sie sich bis heute nicht. Der Sohn hat sich auch angesteckt und leichte Erkältungssymptome. Es folgen drei Wochen Quarantäne für die beiden.
Am 4. Januar verschlimmert sich die Situation. Arnold Berger wird mit massiver Atemnot ins St. Josef Krankenhaus in Schweinfurt eingeliefert. Die Diagnose: doppelseitige Lungenentzündung. Der Zustand des Patienten verschlechterte sich von Tag zu Tag. Am 9. Januar bricht er zusammen und kommt auf die Intensivstation.
Seine Frau kann sich nicht am Sterbebett von ihm verabschieden
Ein paar Tage später ruft das Krankenhaus die Familie an. Es zeichne sich ab, dass es der 76-Jährige nicht schaffen werde. Die Töchter dürfen zu Arnold Berger ins Zimmer. In Schutzmasken und Schutzkittel gehüllt sehen sie ihren Vater das letzte Mal und verabschieden sich von ihm. Seine Frau darf nicht zu ihm, da sie noch Corona hat. 56 Jahren waren die beiden verheiratet. Sie wäre so gerne noch bei ihm gewesen, sagen die Töchter.
Das St. Elisabeth-Krankenhaus hat der Familie im Nachgang der Ereignisse ein Gespräch angeboten. Die Töchter lehnten es ab, weil sie sich nichts davon erwarteten: "Das bringt nichts. Man kann es nicht mehr rückgängig machen."
Anfang 2020 hatte man noch für Pflegekräfte geklatscht. Jetzt wo die Welle wesentlich schlimmer war und auch belastender für jeden Mitarbeiter im Krankenhaus war/ist schert sich keiner darum. Man findet jetzt wieder einen Dummen auf den man herum hacken kann, obwohl man gar nicht weiß, ob diese Gesichte, die in der Zeitung steht überhaupt so stimmte. Aber das ist ja auch egal.
Total verantwortungslos war die Vorgehensweise jedenfalls.
Jedes Kind weiss mittlerweile, dass Corona Infizierte in Quarantäne gehören.
Und einen 76 jährigen Patienten mit dieser Diagnose einfach so zu entlassen ist unmenschlich. Frühzeitig richtig behandelt könnte er eventuell noch leben.
Sie wurde nach dem Eingriff dann als Corona positiv auf die Intensiv verlegt.
Nach 2 zwei Tagen wurde Sie mit einer anderen Patientin, die positiv war auf ein Zimmer verlegt. 3 Tage später als negativ entlassen. Sie haben meine Mutter einfach und ohne Ankündigung vom Rk nachhause bringen lassen und vor der Tür abgeladen.
Meine Mutter wohnte mit meiner Schwester und ihren Mann in einem gemeinsamen Hausalt, aber in einer separaten Wohnung. Nach ca 5 Tagen ging es meiner Mutter so schlecht das Sie ins Leopoldina nach Schweinfurt kam. 2 Tage später starb sie an Organversagen. Meine Schwester, Ihr Mann haben sich trotz Vorsichtsmaßnahmen infiziert. Mein Bruder, der meiner Schwester zur Hilfe kam, als meine Mutter eingeliefert wurde hatte einen schweren Verlauf.
Wir beerdigen unsere Mutter am Samstag und ich bin fassungslos über soviel Inkompetenz und Leichtsinn!
Wenn Sie mir Ihre Geschichte erzählen möchten, dann schreiben Sie gerne an: c.wittnebel-schmitz@infranken.de
Bitte schicken Sie Ihre Kontaktdaten mit.
Charlotte Wittnebel-Schmitz, Autorin des Artikels
Wenn das alle tun würden, dann müssten sich einige doch mal Gedanken machen.
Dann der Finanzer, der es arg offensichtlich mit der Klinik gut meint. Dem würde ich anraten, sich mit solchen Verdrehungen der Tatsachen zurück zu halten.
Ich bin froh, dass die Main Post das Thema gedruckt hat und kann mich nur bei der Redaktion bedanken.
Den Opfern, denn das sind sie, spreche ich mein Beileid aus.
Komisch dass diesbezüglich nichts unternommen wird. Man will wohl den wirtschaftlichen Betrieb nicht gefährden.
Leider hat Bericht dieser Zeitung nur Bild-Zeitung-Niveau. Um so einen Bericht formal richtig zu schreiben gehören immer zwei Seiten dazu. Leider hat man von der zweiten Seite nicht alles geschrieben, nur vielleicht das, was man schreiben wollte!
Herzliche Grüße
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
Sie mussen sort arbeiten, aber nixht als med. Mitarbeiterin, sondern in einer Positon der Geschäftsführung. Anders kann ich mir Ihr positves Verhalten zu Helios nicht vorstellen.
Selbstverständlich haben wir die Stellungnahmen des Krankenhauses vollständig berücksichtigt. Sollten Sie im Krankenhaus arbeiten und Ihnen liegen Informationen vor, die von den offiziellen Stellungnahmen des Krankenhauses abweichen, wenden Sie sich gerne an: c.wittnebel-schmitz@infranken.de.
Charlotte Wittnebel-Schmitz, Autorin des Artikels
Danke nein, wenn man hier schon auf Kommentatoren einwirken tut: " Wenn Sie mir Ihre Geschichte erzählen möchten, dann schreiben sie mir. Fehlt nur noch, dann gebe ich ihnen einen Euro und sie können erzählen. Sorry da kommt mir schon das Würgen. Das Niveau ist ganz schön gesunken. Guter Journalismus sieht denke ich anders aus! Vielleicht liegt es auch an Corona, da es auch nix mehr anderes gibt.
Es gibt aber dennoch Leute, die in diesem KH arbeiten und jeden Tag mit dem Risiko leben sich zu infizieren. Denen es eventuell auch nicht egal ist, wie über ihre Arbeitsstelle/-platz berichtet wird! Sie machen das schon richtig so und dann kommt wieder mal der Tag, dass man über die Pflege wieder schreiben kann, klatschen kann, wie super die doch waren in der 2. Welle. Daumen hoch!