Mit Gefechtsstäben, wie sie im Krieg aufgebaut wären, üben Bündnispartner noch bis 30. November den Schulterschluss. Wie klappt das nationenübergreifend?
Multinational geht es derzeit in der Rhönkaserne in Wildflecken zu. Noch bis zum 30. November üben bei der Simulationsübung "Schneller Degen 2023" die Führungsstäbe der beteiligten Brigaden an vernetzten Computern. Gefechtsfahrzeuge sind für dieses Training nicht erforderlich. Dafür gibt es Geländeerkundungen. "Es ist ganz spannend, weil die Brigaden in ihrem Charakter höchst unterschiedlich sind. Aber die können alle was", lobte Divisionskommandeur Generalmajor Ruprecht von Butler das Potenzial bei einem Medientag.
An der Übung vornehmlich in beheizten Zelten und Containern nehmen Soldatinnen und Soldaten aus den NATO-Staaten Deutschland, Niederlande, Litauen, Norwegen, Frankreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Belgien, Luxemburg und USA sowie aus den Partnerländern Österreich, Singapur und Südkorea teil.
Die 10. Panzerdivision soll binnen 30 Tagen einsatzfähig sein
Die Beteiligten trainieren in dem Szenario dafür, sich als Teil einer NATO-Eingreiftruppe einem Angriff auf die fiktive Region "Franconia" entgegenzustellen. Gefragt ist der Einsatz auch, weil Deutschland der NATO zur Bündnisverteidigung bis zum Jahr 2025 mit der 10. Panzerdivision einen Großverband versprochen hat, der binnen 30 Tagen vornehmlich in Osteuropa einsatzfähig sein soll.
Deshalb wird die Division in dem angenommenen Übungsszenario mit der Panzerbrigade 12 (Cham), der Panzergrenadierbrigade 37 (Frankenberg/Sachsen), der 13. niederländischen Leichte Brigade (Oirschot) und der litauischen Infanteriebrigade "Iron Wolf" aus Rukla nach "Franconia" verlegt.
Der Medientag vermittelte den Journalistinnen und Journalisten in der Rhönkaserne das Zusammenspiel der digital vernetzten Brigadestäbe. Mit Einschränkungen zeigten die Soldaten und Soldatinnen, wie sie auf den Bildschirmen die Truppen gegen den simulierten Feind bewegen.
In vielen der Zelte und Container war das Fotografieren verboten. Eindrücke gab es auch davon, wie schwierig es in einem Kriegsgebiet ist, die Gefechtsstände zu verstecken. Darin werden im Ernstfall lebenswichtige Entscheidungen für 30.000 unterstellte Soldaten getroffen.
Moderne Funkgeräte fehlen bei der Bundeswehr, räumt von Butler ein
Moderne Kommunikation ist beim Führen der Truppen unerlässlich. Auf Nachfragen räumt Generalmajor Butler ein, dass der Bundeswehr - anders als anderen Bündnispartnern - moderne Funkgeräte fehlen. Neue Geräte würden gerade angeschafft. "Wichtiger als das Material sind die Menschen, die dahinter stehen", beschwört der Vorgesetzte die Motivation seiner Truppe: "Wir sind jetzt schon einsatzbereit", sagt der Generalmajor.
Gezeigt werden auch die sogenannten vorgerückten Gefechtsstände. Aus schnell beweglichen Radpanzern geben die Kommandeure der Verbände daraus nach Auswertung vieler eingespielter Informationen ihre Befehle.
Eine Lanze für Kradmelder: Wieder mehr Motorräder bei der Truppe?
Ein fast vergessenes Kommunikationsmittel ist am Gefechtsstand der 12. Panzerbrigade (Cham) zu sehen. Brigadegeneral Alexander Kron bricht eine Lanze für Kradmelder zur Überbringung von Nachrichten. Ausdrücklich plädiert er wieder für mehr Motorräder in der Truppe. Am holländischen Gefechtsstand nimmt sich Brigadegeneral Gert-Jan Kooij Zeit für die Journalisten. Erstmals ist seine der 10. Panzerdivision neu unterstellte 13. Leichte Brigade beim "Schnellen Degen" dabei.
"Ich bin glücklich über diese Kooperation, wir können voneinander lernen", sagt Kooij. Sein leichter Verband mit Radpanzern sei für schnelle Einsätze prädestiniert, um beim auf sich selbst gestellten Vorrücken Zeit für den Anmarsch schwerer Waffen der Verbündeten zu gewinnen.
Auf die Frage dieser Redaktion, was die Bundeswehr besser könne als seine Armee, übergibt der Niederländer das Wort diplomatisch an Divisionskommandeur Butler. Der Generalmajor springt gerne bei: "Innovationsfähigkeit", umreißt Butler ein Plus bei den Niederländern. Die Bundeswehr neige dazu, sich an feste Prozeduren zu halten, räumt der Generalmajor ein. Die niederländische Brigade sei da etwas flexibler. Eine gute Mischung liege im Mittelweg. Man ergänze sich gut. Es sei eine Freude, die Brigaden in ihrer Unterschiedlichkeit zu erleben.
Und nach dem etwas augenzwinkernden Nationenvergleich wird Butler wieder ernst. Bei aller Leichtigkeit und Innovation müsse einem bewusst sein, dass Kooij im Ernstfall Verantwortung für 5000 und er selbst für 20.000 Soldatinnen und Soldaten trägt. Das wiegt dieser Tage schwer. Nie hätte man sich träumen lassen, mit welcher Brutalität Russland den Angriffskrieg in der Ukraine führt, gibt der Generalmajor zu bedenken.