Bad Kissingen

Ein sozialkritischer Gesellschaftsroman wird zum spannenden Krimi

Spannend wie ein Krimi, sozialkritisch und stellenweise amüsant wie ein guter Gesellschaftsroman, zugleich historisch interessant wie ein Sachbuch ist der kürzlich bei Klett-Cotta erschienene Roman "Die Farben des Feuers" des französischen Bestseller-Autors Pierre Lemaitre (68).
Ein sozialkritischer Gesellschaftsroman wird zum spannenden Krimi

In gewisser Weise ist das Buch eine Fortsetzung seines 2013 veröffentlichten und mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Werks "Wir sehen uns dort oben". Wieder geht es um die Bankiersfamilie Péricourt

War der erste Roman noch in den politisch und gesellschaftlich unruhigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg angesiedelt, spielt der aktuelle Roman nun in den Vorjahren des Zweiten Weltkriegs. 1927 stirbt der alte Patriarch Marcel Péricourt, so dass, nachdem Sohn Édouard schon vor Jahren verstorben ist, seine Tochter Madeleine Alleinerbin des Bankenimperums wird, ohne allerdings - typisch für das klassische Frauenbild jener Zeit - entsprechend ausgebildet, geschweige denn in die Geschäfte eingeweiht zu sein.

In einem gesellschaftlichen Klima von Hass und Neid nutzen nun sowohl Gustave Joubert, langjähriger Prokurist der Bank und einst Vertrauter des Patriarchen, als auch Madeleines verschwenderischer Onkel Charles Péricourt, populistischer Abgeordneter ohne Ehrgefühl, sowie ihr zeitweiliger Liebhaber und Dichter André Delcourt Madeleines Hilflosigkeit schamlos zum eigenen Vorteil aus.

Lemaitre lässt seinen Roman wie einen sozialkritischen Gesellschaftsroman französischer Romanciers des ausgehenden 19. Jahrhunderts beginnen. Doch nachdem es den drei Neidern gelungen ist, Madeleine zu ruinieren und aus ihrer Familienvilla zu vertreiben, sind die Dreißigjährige und ihr Sohn fortan zu kleinbürgerlichem Leben verdammt. Auf sich allein gestellt, entwickelt sich Madeleine in ihrer Not zu einer unberechenbaren Kämpferin und beginnt mit ebenfalls vom Leben benachteiligten Helfern in einer für eine "höhere Tochter" ungewöhnlichen Methodik ihren Rachefeldzug.

An diesem Punkt wandelt sich Lemaitres Gesellschaftsroman unmerklich in einen spannenden Krimi bis hin zum klugen Thriller. Kapitelweise wird der Leser zunehmend gepackt und beobachtet Madeleine bei der intelligenten, teilweise sogar brutalen Ausführung ihrer Rachepläne. Dies alles unternimmt Madeleine bis 1933 unter bewusster Ausnutzung der aktuell herrschenden politischen Umstände bis hin zum vermeintlichen Hochverrat an die Nazis.

 
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