
Die riesige Marketing-Kampagne der US-amerikanischen Firma Mattel macht's möglich, dass man derzeit auf Internet-Plattformen und Social-Media-Kanälen kaum noch an Barbie vorbeikommt. Schon weit im Vorfeld des am 20. Juli gestarteten Barbie-Films soll der US-Konzern mit gut 100 Unternehmen Partner-Aktionen vereinbart haben.
Das heißt, es gibt jetzt im Internet unter anderem Rollschuhe, Spielekonsolen, Zahnbürsten, Kosmetik, Burger mit rosa Sauce und Klamotten mit dem Barbie-Logo zu kaufen. Ist Barbie nur ein digitales Phänomen, das im Zuge des Kinofilms von Firmen und Influencern gepusht wird? Oder reicht der Hype um das langbeinige Plastik-Girl bis ins reale Leben hinein? Wir hörten uns in Bad Kissingen um.
"Von einem Trend merke ich noch nichts", stellt Steffen Ahlert, Inhaber des Bad Kissinger Spielzeuggeschäfts, nüchtern fest. "Vielleicht weil viele Leute gerade im Urlaub sind." Nein, wegen des Barbie-Films habe er sein Lager nicht aufgerüstet. "Wir haben immer ein gut gefülltes Sortiment."

Der aktuelle Run auf die kultige Modepuppe Barbie bringt ihn nicht gerade aus der Fassung. "Wir verkaufen sowieso jeden Tag ein bis zwei Barbies", entgegnet er fast stolz. Warum die ganze Welt verrückt ist nach dieser kleinen Plastikfigur mit den knickbaren Beinen und auswechselbaren Perücken, ist für Ahlert klar.
"Die Puppe ist zeitlos und die verschiedenen Typen sind mittlerweile realistischer", sagt er und nimmt als Beweis ein fülliges Curvy Model aus dem Regal. Dann deutet er auf die Barbie im Rollstuhl, "Inklusion ist auch ein Thema". Sehr gefragt seien mittlerweile zudem die schicken Puppen-Girls mit Migrationshintergrund.
"Für die Kinobranche ist der Barbie-Film ein Segen", sagt hingegen Peter Hofmann, Inhaber des Universum Kinopalast in Bad Kissingen. "Es kommen sehr, sehr viele Menschen, um den Film anzuschauen. Was die Auslastung des Kinosaals angeht, sind wir manchmal am Limit."

Da kämen unter der Woche täglich allein mehr als hundert Menschen ins Universum, um sich Barbie anzusehen, erzählt der Kinobetreiber. In früheren Zeiten seien das untertags höchstens mal 20 Leute pro Film gewesen.
Es gibt Popcorn in der Barbie-Tüte
Die Gäste des Barbie-Films decken alle Altersklassen und Schichten ab. Und die meisten kaufen zuerst mal Popcorn, nicht zuletzt deswegen, weil die aufgeploppten Maiskörner an der Kino-Theke von den Hofmanns in großen Pappbehältern mit Barbie-Aufdruck serviert werden. "Die Schlange ist manchmal 15 bis 20 Meter lang", sagt Hofmann.
Mia Dawydow zum Beispiel genießt es sichtlich, den frisch gerösteten Mais von der Barbie-Tüte aus in den Mund zu balancieren. Die Fünfjährige ist zusammen mit ihrer Mama Michelle und einer Freundin aus Premich nach Bad Kissingen gekommen. Ja, Barbies liebt sie sehr, wie sie sagt. Sie hat etwa zehn bis 20 Stück zu Hause, darunter auch ein paar aus Mamas früherem Puppenbestand.
Teenager kommen in Barbie-Outfit ins Kino
Sie habe damals nicht so viele Barbie-Puppen besessen, sagt die 28-jährige Michelle Dawydow. Aber sie habe Barbie geliebt. Ihr Vater habe ihr damals sogar selbst ein Barbie-Puppenhaus gebaut.

Zahlreiche Teenager kommen mit Barbie-Accessoires oder in pinker Kleidung ins Kino, hat Peter Hofmann beobachtet. Nahla Reinmann, Marie Arnold und Jasmine Sopper (alle aus Langenleiten) zum Beispiel haben sich auch eigens für die Vorstellung im Universum herausgeputzt: Pink und Weiß herrschen in der Kleidung vor – dazu tragen sie alle drei ganz stolz ihre neuen Barbie-Handtaschen zur Schau.
Freilich spiele den Kinobetreibern derzeit auch das relativ kühle Regenwetter in die Hände, sagt Kinobetreiber Hofmann. Denn was gibt‘s da Schöneres als sich im Trockenen einen warmherzigen Film anzusehen. Weil umliegende Kinos den Barbie-Film nicht oder nicht regelmäßig anbieten, habe der Universum Kinopalast in Bad Kissingen bei diesem Film ein größeres Einzugsgebiet.
Dann kämen Leute zwischen sechs und 65 Jahren, Kinder und Jugendliche mit Eltern oder Großeltern, schlüsselt Hofmann auf und lächelt: "Die Kinder schaffen es, die Älteren mal wieder ins Kino zu bringen. Man kann schon sagen, dass Barbie die Generationen verbindet."

Auch der Nüdlinger Künstler und Kurator Roland Halbritter hat gerade intensiv mit Barbie zu tun. Denn rechtzeitig zum Start des Films eröffnete er in der Gebrüder-Grimm-Stadt Steinau (Hessen) die Ausstellung "Märchenhaftes Plastik", bei der die trendige Spielzeug-Figur eine führende Rolle spielt. Halbritter konnte zuvor bereits zweimal in Bad Kissingen mit einer Barbie-Ausstellung punkten.
Barbie stellt Zeitgeschichte dar
Zu sehen sind in Steinau nicht nur die Kultpuppen des Spielzeugherstellers Mattel, sondern zum Beispiel auch die deutsche Inspiration für Barbie, die Bild Lilli, und die Steffi-Puppe, die in der früheren DDR erhältlich war.
Wie er sich den Hype um Barbie erklärt? "Es ist ein Marketing-Spektakel. Mattel hat da Millionen reingebuttert, das muss ja gut laufen", stellt er sachlich fest. Natürlich stelle die Barbie-Puppe auch ein Stück Zeitgeschichte dar. "Jeder kann mit Barbie seine Kinderzeit nacherleben."
Die Plastikpuppe mit der Wespentaille habe schon in den 1960er und 70er Jahren jeden modischen Trend abgebildet. "Wenn Jackie Kennedy ein schwarzes Kleid trug, hatte Barbie kurze Zeit später auch eins an", sagt Halbritter.

Dass Frauen auch in Männerberufen bestehen können, ist in der Barbie-Welt längst Alltag. Schon 1964 gab es die erste Barbie-Astronautin, dann die Designerin, die Feuerwehrfrau, die Pilotin und wie sie alle heißen. Die Emanzipation sei in der Barbie-Welt wohl umgesetzt, gesteht Halbritter zögerlich zu.
Kann Ken ohne Barbie bestehen?
Die Maße der Frauen-Puppe würden aber immer wieder kritisiert: "Sie ist zu dünn, sie ist zu spitzbrüstig." Also wie steht's jetzt mit der Gleichberechtigung? In der Barbie-Welt hat die Frau doch offensichtlich die Vorherrschaft und der sportliche Ken ist eher ein "Quoten-Mann".
Das liege daran, dass die Männermode nicht so aufsehenerregend sei und dass man Kens Haare nicht so intensiv frisieren kann, glaubt Halbritter. An dem, was manche Kritiker sagen, scheint also was dran zu sein: Barbie kann ohne Ken, aber Ken kann nicht ohne Barbie.