Die kleinen Mädchen in pinkfarbenen Leggings und bunten Kleidchen stapfen ungeduldig von einem Bein aufs andere, sie können es kaum noch erwarten. Dann öffnen sich die Tore, die Augen der Kleinen weiten sich. Kinder und Mütter raunen „Wow“, als ihnen rosafarbenes Scheinwerferlicht entgegenflutet. Die Mädchen stürmen los: Der Weg in Barbies Küche ist endlich frei.
In der Nähe des Berliner Alexanderplatzes hat am Donnerstag das lebensgroße „Barbie Traumhaus“ eröffnet. Auf 2500 Quadratmetern können die Besucher das Heim der berühmten Puppe der Spielzeugfirma Mattel bestaunen. Von außen erstrahlt es als rosarotes Märchenschloss mit kleinen Türmen. Ein riesiger pinker Stöckelschuh steht als Brunnen vor dem Eingangsportal. Von den Außenwänden lächelt das Porträt der blonden und blauäugigen Hausherrin den Besuchern entgegen.
Ein Delfin in der Toilette
Die Farben Pink und Rosa beherrschen auch das Innere des begehbaren Puppenhauses. Pinke Wände in der Küche, ein überdimensionales lilafarbenes Törtchen in der Ecke. Zahlreiche Cupcakes mit grell-bunten Zuckerhauben stehen auf der Anrichte. Wie schafft es Barbie, bei diesen Süßigkeiten ihre Traumfigur zu halten? Oder muss Ken die süßen Köstlichkeiten alleine verputzen?
In Barbies Winter-Wunderland rieseln virtuelle Schneeflocken auf den Monitoren. Ein Mädchen hat sich auf einen Schlitten geschwungen und reitet kichernd durch die weiß-blaue Idylle. Aus den Boxen schrillt Weihnachtsmusik. Sie klingt wie „Jingle Bells“ auf Speed. In Barbies Schlafzimmer bewachen pinke Plastik-Riesenpudel im Ballettröckchen das große Himmelbett. Aus Barbies Badezimmer erklingt ein Pfeifen – die Hausherrin nimmt gerade ein Bad. Durch den pinken Badewannenvorhang schimmert ihre projizierte Silhouette, mit einer Bürste seift sie sich den Rücken ein. Unweigerlich denkt man an die Duschszene aus „Psycho“.
Umgeben von schimmernden Wellen und Muscheln thront: Barbies Toilette. Nicht in Pink, in Ideal-Standardweiß. Beim Druck auf die Spülung öffnet sich der Deckel: Ein lilafarbener Kunststoff-Delfin schaut breit grinsend über den Brillenrand. Zwischen den drei Wohnbereichen des Traumhauses wechseln die Besucher mit einer vibrierenden Aufzug-Simulation – in „Überfunken-Geschwindigkeit“, wie Barbie aus einem Monitor heraus mitteilt.
Kathrin Buckow und ihrer vierjährigen Tochter Flora gefällt das „Barbie Dreamhouse“. „Es ist sehr schön. Meine Tochter ist ein Super-Barbie-Fan“, sagt die Mutter. Die kleine Flora fand das Schminken und den vielen Glitzer am besten. Die Behauptung, dass Barbie für kleine Kinder ein falsches Vorbild sei, hält die Mutter für übertrieben: „Gerade in den Filmen tritt Barbie als selbstbewusste Frau auf.“
Brennende Barbie am Kreuz
Anders sehen das die Aktivistinnen von „Pink Stinks“, einer Initiative gegen Sexismus, die vor den Toren des Traumhauses demonstriert. Sie recken Schilder mit Sprüchen wie „Liebe Barbie, Cupcakes nicht nur backen, sondern auch essen“ in die Höhe. Manche Demonstranten haben sich als Modepüppchen im bunten Fummel zurechtgemacht. Barbie verkörpert für sie ein falsches Ideal: „Sie steht dafür, dass Mädchen sich den ganzen Tag Gedanken um ihr Aussehen machen und dem Mann gefallen sollen“, sagt Sandra Grether von „Pink Stinks“. Mit ihrem Protest will sie auf „blöde und langweilige Rollenklischees“ aufmerksam machen. Eine Freundin der Puppe war sie noch nie: „Ich habe Barbie schon immer gehasst, ich fand die total doof.“
Unter anderem protestierten auch die Berliner Grünen und die Linksjugend gegen das Traumhaus. Nach Polizeiangaben fanden sich am Nachmittag rund 120 Demonstranten ein. Die Veranstalter der Proteste sprachen von mehr als doppelt so vielen Teilnehmern. Am Mittag kam es laut einer Polizeisprecherin auch zu einem Zwischenfall: Eine halbnackte Frau hatte vor dem Haus eine an ein Kreuz gebundene Barbiepuppe angezündet, das brennende Kreuz dann fallen gelassen und sei mit einem Mann geflüchtet. Dieser habe eine Passantin mit Kinderwagen angerempelt. Die Polizei nahm eine Anzeige über Hausfriedensbruch und fahrlässiger Körperverletzung auf, sagte die Polizeisprecherin.
Das „Barbie Dreamhouse“ konzipiert haben Hersteller Matell und die Entertainmentfirma EMS. Christoph Rahofer, EMS-Geschäftsführer, sagte, er halte die Proteste für „überzogen, denn das Traumhaus beeinflusst keine Frau in ihrem Rollenbild“. Sollten Kinder, die die Ausstellung besuchen, unreflektiert das Schlankheitsideal von Barbie übernehmen, seien deren Eltern in der Verantwortung.
Barbie stören Magerwahn- und Sexismusvorwürfe offenbar nicht. Sie lächelt weiter von den Außenwänden ihres Traumhauses auf die Besucher ihrer rosaroten Glitzerwelt hinab. Mit Material von epd
Barbies Traumhaus
Die mobile Installation ist bis zum 25. August in Berlin zu sehen, danach soll es in Deutschland und Europa auf Tour gehen. Die weiteren Standorte sind noch nicht bekannt. Der Eintritt beträgt für Kinder zwölf und für Erwachsene 15 Euro. Wer dort als Model oder Popstar auftreten möchte, muss ein Zusatzticket für zehn Euro lösen. Text: sem