Wer Schuhe kauft die etwas zu klein sind - besonders Frauen neigen dazu - der muss mit schmerzhaften Blasen, die dadurch entstehen können, leben. Wie komfortabel dagegen hatten es Adelige in vergangenen Zeiten: Sie ließen tragen. Wenn der Schuh drückte, wurde er einige Wochen von einem Hausangestellten eingelaufen. Andreas Koch, Orthopädieschuhmacher, erzählt die Anekdote, während er an einem Holzmodel in seiner Werkstatt mitten in der Stadt das Leder eines Stiefels vernagelt.
Bernhardiner zogen Karren
Ruhig ist es hier, der Duft von Kleber und Leder liegt in der Luft, auf den Arbeitsflächen herrschen akkurate Ordnung ebenso wie kreatives Chaos. Koch kennt viele Geschichten rund um sein Handwerk, sein Urgroßvater Adam zog bereits vor über 150 Jahren mit einem von Bernhardinern gezogenen Karren durch die Rhön und verkaufte Stiefel , er selbst arbeitet seit über 33 Jahren mit den berühmten Leisten, die im Volksmund verewigt sind.
Aussehen, Herstellung und der Preis wandelten sich im Lauf der Zeit. Anfang des 19. Jahrhunderts wechselte ein ordentliches Paar Schuhe für rund 10 Mark den Besitzer, das wären heute gerade mal fünf Euro. "Bedenkt man aber, dass eine ganz normale vierköpfige Familie damals nur 100 Mark im Monat verdiente", so Koch, "dann gewinnt dieser Betrag eine ganz andere Bedeutung." Er rechnet um auf eine vierköpfige Familie heute, die rund 3000 Euro zur Verfügung hat: Dann würden die Schuhe mit 300 Euro zu Buche schlagen. Viel Geld!
Die schweren Truppenstiefel, die Kochs Urgroßvater in Handarbeit für das Militär herstellte, zeigen Ähnlichkeit mit dem, was man auch heute kennt. Genäht wurden sie allerdings mit einem Pechdraht, bestehend aus Flachs, Hanf, Wachs und Pech und, "das Leder war drei Millimeter dick und pflanzlich gegerbt", erklärt Koch und schwärmt vom Einsatz der Pflanzentechnik. Heute kommen Metallsalze als Gerbstoffe zum Einsatz, das Leder ist gerade mal einen Millimeter dick oder das Obermaterial gleich aus Kunstfaser.
Kunststoff statt Naturkautschuk
Als Sohle galt früher Naturkautschuk - heute ein Nebenprodukt der Reifenhersteller - als Standard. Heute verwenden Großfabrikanten einfache Kunststoffsohlen, sie kosten im Vergleich zum Naturprodukt ein Vielfaches weniger. Nur so ist es möglich, dass Stiefel und andere Schuhe ab rund 30 Euro im Regal stehen können. Für deren Reparatur, wenn die Sohle nach einigen Monaten schlaff herunterhängt, oder Nässe eindringt, gibt keiner einen Cent aus. Bei Modellen die teurer sind, schon. Es gibt Sportschuhe , die gelten als besonders hip, wenn man ihnen ansieht, wie oft sie getragen werden und, falls die Sohle sich löst, kleben ihre Träger sie mit Panzertape, um sich bloß nicht trennen zu müssen.
"Für einen handgearbeiteten Schuh , der natürlich individuell angepasst ist", klärt der Fachmann auf, "blättert man bis zu 2000 Euro hin." Dafür sitzt der Schuster, je nach Anspruch des Käufers in Sachen Material, Muster oder Dekoration am Schuh , bis zu 20 Stunden und länger. Der Billigschuh dagegen saust in einer guten halben Stunde von einer Näherin zur anderen, hinein in die Sohlenklebemaschine und dann fix und fertig vom Band.
Von Sandalen bis High Heels
Nicht nur Kochs Urgroßvater, auch die alten Römer würden staunen, wenn sie heute durch die Geschäfte wandelten: darüber, was aus ihren einfach geschnürten und mit einer Ledersohle versehenen Sandalen oder grob geschusterten Fellstiefeln im Lauf der Jahrhunderte an Schuhwerk entstanden ist: Ballerinas, High Heels, Laufschuhe, Pumps, Halbschuhe , Schnürschuhe , Schuhe mit Klettverschluss, Slipper , Stiefel , Wanderschuhe und jede Menge Variationen von Sportschuhen .
Aus dem Sandalenfertiger entwickelte sich im Lauf der Zeit der Ledernäher, es gab Flickschuster, die nur Ausbesserungen vornahmen und natürlich den echten Schuster, den "Sutor". Sie nahmen Maß und nähten, noch später kamen Orthopädieschuster, die sich auf Fußwerk konzentrieren, das für Menschen mit Problemfüßen gedacht ist.
Alles Handarbeit
"Bis zur Zeit der Industrialisierung galten Schuhe als wertvoll", erklärt Koch. Es gab sie nicht an jeder Ecke zu kaufen oder einfach online zu bestellen und teuer waren sie obendrein, denn der Schuster fertigte sie alle mit seinen Gesellen oder allein in der Werkstatt in Handarbeit. Lange Zeit schlüpften die Menschen sogar nur in eine Form: rechts und links gab es bei Schuhen nicht. Schönheit spielte ebenfalls keine Rolle, die Puschen mussten nicht mit Kleid, Rock, Hose oder Jacke (oder allem zusammen) harmonieren, sondern möglichst gut passen und robust sein.
Wobei, das mit dem passen ist relativ, denn Kinder erhalten heute noch häufig Treter, in die sie hineinwachsen können - was nichts anderes heißt, als dass die Schuhe für die kleinen Füße zu groß gekauft werden. Damit wollen Eltern vor allem eines: Geld sparen. Und in einer Zeit, in der Kinderfüße wahnsinnig schnell wachsen, erscheint das auf den ersten Blick sinnvoll. Manche Buben und Mädchen schaffen es auf drei Größen innerhalb eines halben Jahres. Das kann teuer werden. Ein Dauerzustand sollte das nicht werden, denn wer auf zu großem Fuß - im wahrsten Sinn des Wortes - lebt, der stolpert irgendwann und kann stürzen.
Aschenputtel
Was das passende Fußwerk anrichten kann, verpackten die Brüder Grimm als Märchen: Aschenputtel bekommt den Prinzen. Sie trug garantiert High Heels oder zumindest schicke Tanzschuhe mit einem höheren Absatz. Sie machen den Fuß schlanker, lassen die Trägerin größer erscheinen und auch die Haltung ändert sich mit dem Tragen eines hohen Schuhs - es müssen ja keine 20 Zentimeter sein. Auf diese Höhe brachte ein britischer Schuh-Designer von ihm kreierte Stilettos, versehen mit Glitzersteinchen. "Rucke di guh! Kein Blut im Schuh . Der Schuh ist nicht zu klein, die rechte Braut, die führt er heim!" gurren die Tauben am Ende des Märchens und zeigen die Weitsichtigkeit der Erzähler auf: Ein passender Schuh bereichert das Leben - auch ohne Prinz und Prinzessin.