"Schwäne sind majestätische, stolze Tiere", sagt Siegfried Wolf. Es komme nicht von ungefähr, dass Märchenkönig Ludwig II. eine Vorliebe für Schwäne hatte. Aber so friedlich sie wirken, können sie dem Menschen auch gefährlich werden, sagt der Bad Kissinger. Wenn man sich beispielsweise einer Mutter nähert, die ihre Jungen verteidigen zu müssen glaubt, könnte es kritisch werden, wenn sie ihre großen Schwingen erhebt und zu zischen anfängt. "Da sind Menschen schon schwer verletzt worden." Wolf weiß, wovon er spricht, denn er schaut seit Jahren nach den schwimmenden Saale-Bewohnern und hat die Tiere genau studiert.
Verdienste um den Pegel und um die Schwäne
Schon sein Stiefvater Philipp Bauer hat die majestätischen Schwimmer unten an der Saale intensiv betreut. Er war Haustechniker bei der Kurverwaltung und musste in dieser Eigenschaft den Wasserpegel der Saale am Regentenbau täglich ablesen und die Werte genauestens notieren, erzählt Wolf. Zudem entnahm er regelmäßig Wasserproben, die dann vom Wasserwirtschaftsamt untersucht wurden. Für seine Verdienste (samt Schwanen-Betreuung) bekam er damals sogar die Bürgermedaille der Stadt Bad Kissingen.
Anfang der 1950er Jahre fing Bauer bei der Kurverwaltung an. "Da ging's auch mit den Schwänen los", erinnert sich Wolf, der damals noch ein Steppke war. "Wenn sich dann mal ein Schwan verletzt hatte, waren ich und mein Bruder Joachim gefragt." Die Tiere wurden mit heim gebracht und wieder aufgepäppelt. Wenn der Vater beim Tierarzt anrief, wusste der gleich, dass wieder mal was mit den Schwänen passiert ist, sagt Wolf. Die Schwäne hatten auch alle einen Namen.
Schwanen-Ei unter der Jacke ausgebrütet
Es ist wahrscheinlich 40 Jahre her, dass mal ein Schwanen-Nest, nach einem großen Hochwasser, im Morast stecken geblieben war, weiß Wolf zu erzählen. Waren die Eier noch belebt? Der Vater sei sich damals sehr sicher gewesen, denn er brachte ein Ei, das er aus dem Sumpf hatte retten können, mit heim und steckte es über Nacht unter den warmen Kachelofen. Tagsüber nahm er es mit und trug es unter seiner Jacke am Körper.
Das Küken sei dann auch zu Hause geschlüpft. Als das Gefieder trocken war, brachte Philipp Bauer es zur Mutter an die Saale. "Wir waren natürlich dabei und sehr gespannt, was passieren würde." Würde die Schwanen-Dame das Kleine annehmen? Tatsächlich wandte sich die Mutter nach einer gewissen Zeit dem struppigen Jungen zu und nahm es unter ihre Fittiche.
Sein Stiefvater habe stets dafür gesorgt, dass an der Saale Pärchen zusammenkamen, erzählt Wolf. Er tauschte sogar gelegentlich Schwäne und stand dazu in Kontakt mit dem Hamburger Schwanenvater Harald Nieß. " Dann wurde damals halt ein Schwan per Zug auf die Reise von Hamburg nach Bad Kissingen geschickt. "Ich weiß noch, wie wir mal einen Schwan in Schweinfurt am Bahnhof abgeholt haben."
Etliche Jahre beruflich unterwegs
Wolf hat sehr gute Erinnerungen an diese Zeit. Allerdings bekam er zwischendurch dann auch nicht mehr soviel mit von den Schwänen mit. Denn mit 14 Jahren begann er eine Bäcker-Lehre in Würzburg. 1961 kam er dann zwar zurück und arbeitete in der Bäckerei Halbleib in der Grabengasse, weil die eigene Familienbäckerei Fella in der Hartmannstraße inzwischen verpachtet war – der Vater war nach dem Krieg im Lazarett verstorben.
Später bewarb Wolf sich bei einer Bäckerei in Frankfurt. Seinen Meister machte er in München, bevor er in einer Bäckerei in Werneck anfing. Dann kamen erst mal fünf Jahre bei der Bundeswehr. "Ich war also oft nur am Wochenende in Bad Kissingen."
Manchmal gab's Revier-Kämpfe
Als der Vater 2005 starb, sei die Schwanen-Obhut dann an ihn übergegangen. Damals sei es zwischen ihm und seinem Bruder gleich eine elementare Frage gewesen: Was würde jetzt, wo der Vater nicht mehr da ist, aus den Tieren an der Saale werden? Auch Wolf arbeitete 2005 schon bei der Kurverwaltung, war also ohnehin in der Nähe der Saale und konnte nach den Tieren schauen. Damals seien immer zwei Paare an der Saale gewesen. Die Reviergrenze war das Pegelhäuschen. "Wenn die dann Junge hatten, hat's unten an der Saale oft gekocht, weil die Eltern ihre Reviere verteidigt haben."
So intensiv wie der Vater habe er sich mit den Tieren nicht beschäftigt. "Aber ich habe halt nach ihnen geschaut und sie, wenn nötig, gefüttert – bis heute." Es sind für ihn schöne Erinnerungen, denn er habe sich natürlich an die Schwäne gewöhnt, und sie sich auch an ihn. "Sobald ich mit dem Fahrrad auf dem Schweizerhaussteg ankam, sind die unten ans Saaleufer geschwommen und haben gewartet, bis ich sie füttere." Woher die wussten, dass er das da oben auf dem Fahrrad war? "Keine Ahnung, ich hab mich das auch immer gefragt."
Als dieVogelgrippe vor ein paar Jahren aktuell war und auch einer "seiner" Schwäne erkrankte, habe er aufgehört, die Tiere zu füttern. "Es muss die Elisabeth gewesen sein, denn die war anschließend nicht mehr auffindbar", erzählt er die traurige Geschichte. Er habe das Tier leider nicht mehr gesehen. "Sonst haben die Leute mich immer gerufen, wenn was mit den Schwänen war." Damals habe ihn aber keiner benachrichtigt, bedauert er auch heute noch.
Benno kam auch ums Leben
Elisabeths Gefährte Benno sei kurz darauf ebenfalls umgekommen. Er krachte wohl damals mit vollem Schwung gegen ein Brückengeländer. So die These, nachdem man das verletzte Tier tot aufgefunden hatte. Seitdem habe er aufgehört, nach den Schwänen zu schauen, sagt Wolf. An der Saale im Kurgarten gibt es derzeit auch keine Tiere mehr. Nur an der Nordbrücke, kurz vor Hausen, lebt noch ein Schwanenpaar.
"Aber wenn Polizei oder Feuerwehr mich rufen, weil den Tieren etwas zugestoßen ist, komme ich natürlich", sagt Wolf. So geschehen vor ein paar Monaten, als sich die beiden Schwäne in der Pumpanlage am Gradierbau selbst gefangen gesetzt hatten. Das Becken sei zu klein, erklärt Wolf. So konnten die Tiere keinen Anlauf nehmen, um sich mit ihren großen Schwingen wieder in die Luft zu erheben. Wasserwacht und Feuerwehr mussten erst anrücken und die Schwäne per Karton aus dem Becken hieven.