
Bis zum 12. Mai 2020 hatten im Arbeitsagenturbezirk Schweinfurt 4036 der insgesamt 10 955 Unternehmen in der Region Main-Rhön Kurzarbeit angemeldet. Betroffen davon sind 52 800 Personen. Genaue Zahlen für den Landkreis Bad Kissingen lassen sich nicht so einfach erheben, sagt Arbeitsagenturleiter Thomas Stelzer im Gespräch mit der Redaktion. Die Arbeitslosenquote ist im Mai zwar nur leicht gestiegen, aber auch das sei schon eine Folge der Corona-Krise. "Deshalb ist es wichtig, die Unternehmen mit der Kurzarbeit zu stabilisieren."
Der Gesetzgeber habe "an vielen Schrauben gedreht", um die Situation zu erleichtern, sagt Stelzer. So bekommen Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge für ihre Beschäftigten jetzt zu 100 Prozent vom Staat erstattet. Zudem werde das Kurzarbeitergeld (60 bis 67 Prozent des Netto-Einkommens) jetzt nach drei und sieben Monaten jeweils aufgestockt. Denn schließlich lägen ja auch die Gründe für die Kurzarbeit ganz anders als sonst: Nicht wegen der schlechten Auftragslage im Unternehmen wird Kurzarbeit angemeldet, sondern wegen behördlicher Auflagen, sagt Stelzer. Zudem seien diesmal von Kurzarbeit bundesweit alle Firmen und Geschäfte ähnlich betroffen.

Prognose für die Zukunft schwierig
Stelzer tut sich mit der Prognose für die Zukunft schwer. "Es hängt vom Coronavirus ab. Wir wissen nicht, ob noch eine zweite Welle kommt." Vielleicht gebe es noch einmal striktere behördliche Auflagen und wieder mehr Kurzarbeit, vielleicht gehe auch alles glimpflich aus. Der Arbeitsmarkt-Experte rechnet aber damit, dass die Arbeitslosigkeit ansteigt, denn so lange die Kurzarbeit in den Unternehmen greift, werde dort niemand neu eingestellt. "Der Arbeitsmarkt ist derzeit verschlossen, man bringt niemanden mehr in Arbeit."
Im Landkreis Bad Kissingen ist, laut Stelzer, die HoGa-Branche (Hotel- und Gaststättengewerbe) am stärksten von Kurzarbeit betroffen: Über 90 Prozent der dort Beschäftigten sind in Kurzarbeit. Heinz Stempfle, Kreis- und Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hotel und Gaststättenverbands (Bad Kissingen), wagt nicht vorauszusagen, wie lange man mit der Kurzarbeit über die Runden kommt. Fast täglich sei er mit Inhabern der 120 Hotels und Betriebe im Gespräch, die im Kreisverband organisiert sind. Die Situation sei angespannt, obwohl manche schon wieder geöffnet haben.

Ohne Schwimmbad ist alles nichts
"Aber für viele trägt sich's finanziell noch nicht", weiß der Chef des Bad Kissinger Westpark-Hotels auch aus eigener Erfahrung. Große Häuser wie das Hotel Sonnenhügel und das Cup Vitalis hätten deshalb immer noch zu. Denn so manches Haus lebe von Bustouristen, die aber noch nicht kommen. "Und wenn ich mein Hausschwimmbad noch nicht öffnen darf, wie das zum Beispiel im Sonnenhügel der Fall ist, dann kann ich dem Gast auch nicht den vollen Service bieten", argumentiert Stempfle.
"Aber auch den Geschäften in der Innenstadt geht's schlecht", sagt Stempfle. Alle müssten hohe Mieten zahlen und würden andererseits nichts einnehmen. Jeder habe Beschäftigte in Kurzarbeit und wisse nicht, wie lange er sie noch behalten kann. Und jeder überlege gerade, wie man unter den aktuellen Voraussetzungen im Sommer Gäste in die Kurstadt bringen könnte. "Aber es fällt halt niemandem so richtig was dazu ein." Dennoch zeigt sich Stempfle hoffnungsvoll. "Wenn die Pandemie sich abschwächt und die Menschen weiterhin vernünftig bleiben und sich an die Regeln halten, können wir es schaffen."
Was entscheidet das Kabinett am Dienstag?
"Ob wir öffnen oder nicht, ist eine rein betriebswirtschaftliche Rechnung", sagt Hans Markwalder, Geschäftsführer des Hotels Sonnenhügel. Sobald man das Hotel aufmache, entstünden fixe und variable Kosten – und das auch, wenn keine Gäste da sind. Der Umsatz müsse stimmen, damit sich ein Haus dieser Größenordnung lohnt. Markwalder drückt das in Zahlen aus: "Seit 19. März ist das Hotel geschlossen. Pro Monat fehlen uns 450 000 Euro Netto-Umsatz, damit wir am Ende gut aus der Sache rauskommen."

Dass es die Kurzarbeiterregelung gibt, helfe in einer solchen Situation schon weiter. 101 Beschäftigte sind im Sonnenhügel in Kurzarbeit, sagt Markwalder. Davon sind 94 von der Regelung Kurzarbeit Null betroffen, das heißt, sie arbeiten gar nicht. Der Rest sei zu 50 Prozent beschäftigt.
Dass das Hotelschwimmbad nicht geöffnet werden kann, macht Markwalder mit am meisten Sorgen, weil inzwischen 60 Prozent der Sonnenhügel-Gäste Familien mit Kindern sind. "Wir brauchen gar nicht zu öffnen, wenn wir das Schwimmbad und die Sauna nicht anbieten können." Er hofft jetzt auf eine Kabinettsentscheidung, die für kommenden Dienstag angekündigt ist. Dann soll es nämlich auch um die Hallenbäder gehen.
Hoffnung auf die Touristen im Sommer
Auch in der Bad Kissinger Gastronomie tut man sich schwer, das Alltagsgeschäft ohne auswärtige Gäste lukrativ zu gestalten. "Ich habe am 18. Mai aufgemacht und Ende Mai 67 Prozent Verlust verbucht", gibt Emmanuel Papadopoulos eine Dimension der gegenwärtigen Situation. Eigentlich wäre am vergangenen Wochenende die Off-Road-Messe gewesen und er hätte eine Woche lang ein super Geschäft gemacht, sagt er. Aber wenn niemand in den Hotels und Pensionen übernachtet, komme auch kein Auswärtiger in seine Gaststätte.
In Emmanuels Restaurant und Bar arbeiten vier Beschäftigte in Kurzarbeit, zwei haben gekündigt. "Ich habe noch sechs Aushilfen, die brauche ich zur Zeit gar nicht." Die Kurzarbeit sei zur Überbrückung gut, doch man wisse ja nicht, wie lange diese Situation dauert. Seit er sich 1986 selbstständig machte, sei dies die schlimmste Krise, die er je erlebt hat, sagt der Gastronom. Zum Glück habe er etwas an Rücklagen. Froh ist er, dass auch der Eigentümer der Bar ihm mit der monatlichen Pacht großzügig entgegenkommt. Papadopoulos hofft jetzt auf den Sommer und zahlreiche Urlauber.

Steuerfrei oder nicht?
Die Situation der Arbeitgeber ist die eine Seite der Medaille, die der Kurzarbeiter die andere. Ein Herz für Beschäftigte, die aktuell mit 60 Prozent ihres Nettolohns ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, zeigt Ebba-Karina Sander. Die Geschäftsführerin des Ayurveda-Zentrums Deutschland (Bad Bocklet und Bad Kissingen) hat in ihrem Unternehmen 21 Menschen in Kurzarbeit. Für viele Beschäftigte in Deutschland sei die finanzielle Situation derzeit sehr angespannt, vor allem, wenn sie kein üppiges Gehalt haben und eine Familie ernähren müssen, sagt sie.
Für Kurzarbeiter komme aber dann im nächsten Jahr der zweite große Schock, glaubt Sander. Denn im nächsten Lohnsteuerjahresausgleich muss das Kurzarbeitergeld als Einkommen angegeben und als "Progressionsvorbehalt" versteuert werden. Dass das Kurzarbeitergeld vom Netto-Einkommen berechnet wird, der Arbeitnehmer aber dann im darauffolgenden Jahr dafür zur Kasse gebeten wird, findet Sander ungerecht. Denn es werde von Seiten des Staates stets propagiert, dass das Kurzarbeitergeld "steuerfrei" sei.
Briefe an die Politik
In zwei Brandbriefen an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) macht Sander nun auf den ihrer Ansicht nach "massiven Systemfehler" aufmerksam: "Es ist ungerecht, denn Netto heißt eben Netto, das heißt, davon sind Steuern bereits abgezogen. Und vom Netto gibt es sowieso nur 60 Prozent. Man kann doch darauf nicht im Folgejahr über die Hintertüre dann doch Steuern erheben und damit das Kurzarbeitergeld noch einmal schmälern."
ich habe Hauswirtschaft in HoGa gelernt (3Jahre) und immer nur gerade so mit Lohn in Vollzeitbeschäftigung überlebt.
Über "Trinkgeld" mußte ich mit Finanzbeamten streiten- welche Kosten ich für bügeln, Anschaffung der benötigten Klamotten hatte, es gab immer Abstriche seitens der Finanzbehörde!
Zu teures Hobby! In Zeiten von Mindestlohn weiß ich nicht , wie meine Kollegen die Monate mit Kurzarbeitergeld überstehen sollen?
LG und haltet durch!