Es gibt keine Karten zu kaufen. Im Internet musste sich bewerben, wer "Gottschalk liest?", die neue Literatursendung des Bayerischen Rundfunks, live erleben will, die im Max-Littmann-Saal aufgezeichnet wurde. Der Ordnungsdienst hakt ab. Wer nicht auf der Liste steht, darf nicht hinein. Enttäuschte kehren um.
Sekundengenau getaktet
Thomas Gottschalk , der Name zieht noch immer: Schon eine Stunde vor Saaleinlass ist das Foyer des Regentenbaus dicht bevölkert, denn die Plätze sind nicht nummeriert. Wer zuerst kommt, sitzt in der ersten Reihe. Der Saal wird geradezu gestürmt, als sich die Türen öffnen. Jeder Platz im Parkett ist besetzt. Hinter der Bühne, zwei Stunden vor Aufzeichnungsbeginn, geschäftiges Treiben. Eine gefühlte Hundertschaft - ausgewiesen durch ein umgehängtes Band "Gottschalk liest" - weist an, organisiert, bespricht. Kameraleute, Beleuchter, Maskenbildner, Assistenten, Sendeleitung, dazu der Bedienstete der Staatsbad GmbH, angeführt von Bruno Heynen , Ordnungsdienst, Feuerwehr. Alles muss passen. Die Akteure vor der Kamera, Gottschalk und die Autoren erst in die Maske, dann auf die Bühne zur Beleuchtungsprobe. Nochmals Nase tupfen, Locke aus der Stirn streichen.
Gelegenheit für den Reporter mit den Autoren zu sprechen, um deren Bücher es ja eigentlich geht. Friedemann Karig hat seinen ersten Roman "Dschungel" vorgelegt. "Ganz alleine sitzt man mit einer Idee, aus der ein Buch werden soll", beginnt er. Fast zwei Jahre einsame Arbeit, nur unterbrochen von einer Rucksacktour nach Kambodscha. "Kein Urlaub". Im Zelt mit Moskitonetz vor Ort sich in die Romanfigur verwandeln. Dann ist das Buch fertig, die Eltern haben es gelesen und sprechen noch immer mit mir, lacht er. "Ein schöner Moment" sagt Karig, der sonst für die "Süddeutsche Zeitung" und "Die Zeit" schreibt.
Johanna Adorján hat die Geschichten ihrer Kolumne über Männer in der "Süddeutschen Zeitung" in einem Buch zusammengefasst. " Männer " ist nicht ihr erster Roman: "Eine exklusive Liebe" ist viel beachtet worden, aber sie "findet es großartig, in so einer Sendung zu sein".
Marlene Streeruwitz , österreichische Schriftstellerin und Regisseurin, lebt in Wien, London und New York, geißelt die Ungerechtigkeiten der Welt, der Gesellschaft, der Politik. Besonders die "rechte" österreichische ÖVP-FPÖ Koalition ist ihr ein Graus. Wie recht sie hat, zeigen die aktuellen österreichischen Verhältnisse, das sagt sie im Nebensatz. Sehr selbstbewusst. Sie ist auch bekennende Feministin. Gottschalk wird sie später fragen, ob das ein Beruf ist und sie wird das bestätigen. Den Moderator wird sie nicht schonen, kündigt sie an, denn: "Ich bin eine politische, gescheite Frau". Da ist Zündstoff vorprogrammiert. Dann kommt das "Warm up" vor der Sendung. Das Publikum auf Betriebstemperatur bringen, heißt das. Gottschalk, geschmackvoll hipp gekleidet. Rote Hose, blaues Sacco, blaurote Krawatte, läuft zu großer Form auf. Warm-Upper istein Beruf, aber er braucht das nicht, macht das selbst, bezieht das Publikum mit ein, freut sich über Schüler aus dem Deutsch-Leistungskurs als "erfreulicher Aufheller zum Durchschnittsalter" im Saal: "Heute mal Gottschalk statt Kurkonzert", witzelt er. "Hier ist es sicher, man kann höchstens mal von einem Rollator überfahren werden".
Gottschalk in Hochform
Er nimmt sich aber auch selbst auf die Schippe: "Früher: Guten Abend nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz, heute Grüß Gott nach Unterfranken und Oberfranken". Er fordert Beifall, wenn er hereinkommt, der "bitte so lange anhält, bis ich in der Mitte der Bühne bin". Die Schlagfertigkeit, souveränes reagieren auf jede Situation, die gedankliche Frische und die gute Laune die er verbreitet, lässt die Zuschauer jubeln, bevor die Sendung beginnt.
Ausgestrahlt wird die Folge "Gottschalk liest?" am 18. Juni um 22 Uhr im BR Fernsehen .