Seit Tagen sind Baggerfahrer damit beschäftigt, das Regenrückhaltebecken am Embach auszuheben. Der feuchte Aushub wird dann auf einem Areal unmittelbar an der Albertshausener Straße abgelagert. Die teils sehr breiige Masse stinke zum Himmel, sagen Hausbesitzer nebenan. Zudem kritisieren sie, dass das Becken ein Biotop gewesen sei, das nun zerstört wurde.
Das Becken müsse unbedingt umgebaut werden, um das Grundwasser rein zu halten, argumentiert man hingegen von Seiten der Stadt Bad Kissingen. Das Wasserwirtschaftsamt machte dazu offensichtlich die Vorgaben: "Grundwasser und Abwasser dürfen bei Regenereignissen nicht miteinander in Berührung kommen", sagt der stellvertretende Behördenleiter Uwe Seidl auf Anfrage dieser Redaktion.
Die Bauarbeiten an der Albertshausener Straße begannen am 3. August 2020. Was die Anwohner in den darauf folgenden Wochen beobachteten, brachte sie aus der Fassung: Das Areal, das sie in der Vergangenheit als Biotop wahrnahmen - dort wuchsen Wasserpflanzen und es tummelten sich seltene Tiere - wurde vor ihren Augen dem Erdboden gleich gemacht, erzählen sie. "Dass uns die Stadt den Dreck nebenan hinkippt und der womöglich jahrelang liegt, bis er getrocknet ist, regt uns ganz schön auf", sagt einer der Nachbarn. Ihn, wie auch die anderen Anlieger, habe in der Vergangenheit begeistert, dass man auf der Wiese gegenüber öfter Eisvögel, Störche und Graureiher hatte beobachten können. Jetzt sei alles weg.
Teichhuhn-Familie wurde umgesiedelt
"Es stinkt einfach, was man uns da vor die Nase kippt", sagt Anwohnerin Beate Schuhmann. Bei der Besichtigung des Aushubs habe man sogar Damenbinden und Toilettenpapier entdeckt. Das könne doch nicht so ohne Weiteres länger liegenbleiben, finden sie und ihr Mann Jochen. Immerhin habe die Stadt veranlasst, dass das Nest eines an dem Biotop brütenden Teichhuhn-Paares umgesiedelt wurde. Das Teichhuhn flattere jedoch immer noch am Rückhaltebecken herum.
Auch Fische wurden aus dem Becken abgefangen, beobachteten die Anwohner. Allerdings nicht alle, sagt Nicole Vieth-Brand. So dass die Nachbarn dann selbst am Abend aktiv geworden seien und dort weitere Tiere abfischten. "Sonst hätten sie uns mit dem Aushub auch noch tote Tiere vor die Tür gelegt, die bei der Hitze übel gestunken hätten."“
Albertshausen hat zwei Regenrückhaltebecken
Die Bürger der Albertshausener Straße kritisieren die städtische Informationspolitik. "Es hieß, es solle Termine geben, wo alles besprochen wird." Aber es habe nur ein Treffen mit OB Kay Blankenburg im Jahr 2019 gegeben, zu dem die Bürger eingeladen waren. Zwar habe die Stadt jetzt, vor Beginn der Maßnahme, einen Info-Brief an die Anlieger verschickt. Aber niemand habe angekündigt, dass der stinkende Aushub auf dem Nachbar-Acker liegenbleiben soll.
Regenrückhaltebecken sind Bestandteile jeder Mischwasserbehandlung, sagt der stellvertretende Leiter des Wasserwirtschaftsamts, Uwe Seidl, im Gespräch mit dieser Redaktion. In Albertshausen gibt es zwei solcher Becken. Das Becken vor der früheren Kläranlage am Gewerbegebiet wurde bereits runderneuert und im September 2018 in Betrieb genommen.
Sohle wird angehoben
Die Anlage an der Albertshausener Straße am Embach gibt es in ihrer jetzigen Form seit 2007. Nun müsse sie, zum Schutz der Bürger, umgebaut werden, sagt Seidl. Denn eigentlich dürfe sich in einem Rückhaltebecken, ohne Regenereignis, gar kein Wasser befinden. In der Anlage am Embach stehe das Grundwasser jedoch über der Sohle. Jetzt soll diese angehoben, das Becken um ein Drittel größer werden, um das Grundwasser vor Verunreinigungen zu bewahren.
Bei Regenereignissen fließt stets jede Menge Wasser in die Kanalisation. Damit die Schachtdeckel im Ort nicht von den Massen hochgedrückt oder Keller überflutet werden, braucht man unter anderem auch Regenrückhaltebecken, erklärt Alexander Pusch, der Leiter des Abwasserbetriebs und des Hochwasserschutzes der Stadt Bad Kissingen. Sie sind sozusagen die letzte Instanz, bevor das Mischwasser gedrosselt in den Embach abgegeben wird. Zuvor sollen sich in den Becken jedoch Sedimente aus Abwasser und Regenwasser ablagern, damit sie nicht in den Bach gelangen, erklärt Pusch die Feinheiten der Regenrückhaltung.
Eine Verbindung zum Grundwasser darf in den Becken aber auf keinen Fall bestehen, sagt auch Pusch. Deswegen werde das Becken an der Albertshausener Straße jetzt ertüchtigt. Man hebe die Sohle an und müsse dann das Becken verbreitern, um das Volumen zu erhalten. Das Wasserwirtschaftsamt berät die Stadt dabei als Fachbehörde. Die Planungen übernahm das Ingenieurbüro Hahn (Bad Kissingen). Das Landratsamt musste für das Vorhaben auch eine Betriebserlaubnis erteilen.
Die Rettung des Tierlebens in dem sogenannten Biotop am Regenrückhaltebecken habe die Stadt schon im Vorfeld mit der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt besprochen, so Pusch weiter. Es sei eigens ein Mann vom Landesbund für Vogelschutz angereist und habe das Umsetzen des Teichhuhn-Nests begleitet. Dazu sei sogar eine Ausnahmegenehmigung der Regierung notwendig geworden. "Das Nest ist nun am Embach in Höhe des Kindergartens und die Jungen sind wohlauf", weiß Pusch. Derzeit schicke man alle paar Tage Fotos an die Obere Naturschutzbehörde der Regierung von Unterfranken, um alles zu dokumentieren.
Fische zum Hurlacher See gefahren
Die Fische seien, in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt (Naturschutzbehörde), abgefischt und in großen Wassertonnen an den Hurlacher See bei Euerdorf transportiert und dort ausgesetzt worden. Weil man an einem Abend nicht alle einfangen konnte, sei man am Morgen noch einmal ans Werk gegangen und habe erneut drei Wassertonnen mit Fischen nach Euerdorf gefahren, schildert Pusch das Prozedere.
Lange liegenbleiben soll der feuchte Aushieb nicht, sagt der städtische Pressesprecher Thomas Hack auf Anfrage. Man habe zunächst gedacht, das Material etwas austrocknen zu lassen, bevor es weggefahren wird. Aber jetzt habe man gesehen, dass es zeitnah entsorgt werden muss. Nach Angaben des stellvertretenden Wasserwirtschaftsamtschefs Seidl wurden von dem Aushub Bodenproben gezogen. Das Ergebnis: Er enthält keinerlei Schadstoffe. "Wir arbeiten fieberhaft an einer Lösung", sagt Betriebsleiter Pusch in Bezug auf den Abtransport der schlammigen Masse und macht Hoffnung, dass bald eine Firma gefunden ist.