
Wer den Blues tief inhaliert, kennt auch Abi Wallenstein. Und wer ihn kennt, weiß, dass der Gitarrist mit dem Händchen für acht Saiten schon mit bekannten Größen wie Inga Rumpf, Joja Wendt, Axel Zwingenberger und Vince Weber auf der Bühne stand. Joe Cocker, Fats Domino und Eric Burdon hatten ihn einst im Vorprogramm.
Nicht jeder weiß vielleicht auf Anhieb, dass Abi Wallenstein in Israel geboren ist und erst seit 1960 in Deutschland, genauer gesagt in Hamburg lebt. Am Samstag, 9. April, kommt der 76-Jährige im Rahmen der Jüdischen Kulturtage Bad Kissingen nach Bad Bocklet in den Großen Kursaal. Bereits 2002 war er bei dieser Veranstaltungsreihe dabei. Denn er hat zur Kurstadt Bad Kissingen biografischen Bezug.
Familiäre Wurzeln in Bad Kissingen
Seine Mutter Judith Wallenstein wurde 1911 in Bad Kissingen geboren und verbrachte hier Kindheit und Jugend. Sie soll übrigens 1927 als eines der ersten Mädchen an der Bad Kissinger Realschule höchst erfolgreich ihren Abschluss gemacht haben, schreibt Hans-Jürgen Beck in seinem Buch über Moses Löb Bamberger, Judiths Großvater.

Im Jahr 1934 emigrierte sie mit ihren Eltern Mendel und Rachel Bamberger nach Palästina. "Die Familie gehörte zu den wenigen jüdischen Familien in der Kurstadt mit zionistischer Überzeugung, die sich frühzeitig für eine Flucht aus Deutschland entschieden", heißt es hierzu im "Biografischen Gedenkbuch der Bad Kissinger Juden während der NS-Zeit", das man digital auf der Website der Stadt Bad Kissingen aufschlagen kann.
Judiths Großvater Moses Löb Bamberger – also Abi Wallensteins Urgroßvater - war in der Kurstadt einst recht angesehen, denn er war von 1867 bis 1899 Rabbiner des Distriktsrabbinats Bad Kissingen. In seine Amtszeit war seinerzeit, Anfang der 1890-er Jahre, der Beschluss gefallen, in der Kurstadt eine neue, repräsentativere Synagoge an der Maxstraße zu errichten. Bamberger starb allerdings noch vor deren Fertigstellung. Sie wurde am 14. Juni 1902 eingeweiht.
Doch zurück zu Abi Wallensteins Wurzeln: In Jerusalem hatte sich seine Mutter Judith in den praktischen Arzt Dr. Stephan Wallenstein verliebt, der bereits 1933 aus Neuss am Rhein emigriert war. Die beiden heirateten. Im Dezember 1945 kam ihr Sohn Abi zur Welt und im Mai 1950 Tochter Hanna.

Bereits 1958 kehrte die Familie nach Neuss zurück und wurde dort mit offenen Armen aufgenommen. Der Vater eröffnete seine alte Praxis im selben Haus wie früher. Abi und Hanna akklimatisierten sich rasch in der neuen Heimat, fanden in Neuss schnell Freunde und verlebten dort eine glückliche Kindheit, schreibt Beck in seinem Buch.
Den Geburtsort der Mutter bei Besuchen kennengelernt
Abi Wallenstein lernte Bad Kissingen, die Heimatstadt seiner Mutter und deren Familie, dann später bei regelmäßigen Familienbesuchen kennen, wie er 2018 in einem Interview sagte. Während seine Schwester Hanna dann in die Fußstapfen des Vaters trat und Medizin studierte, war Abi Wallensteins Leidenschaft recht früh die Musik.
Doch zunächst trennten sich die Wege der Familienmitglieder: Denn als Ende der 1960-er Jahre in Deutschland die NPD und mit ihr rechtsradikale, antisemitische Kräfte neu erstarkten, entschlossen sich die Eltern und Abis Schwester Hanna, im Jahr 1969 nach Israel zurückzukehren.

Abi Wallenstein blieb in Deutschland. Welch ein Mut, als 24-Jähriger solch einen Entschluss zu fassen. Zwei Jahre zuvor, im Jahr 1967, hatte Abi Wallenstein bereits in Hamburg ein Soziologie-Studium begonnen, schreibt Beck über das Leben des Musikers. Abends trat er als Sänger und Gitarrist in Rhythm-and-Blues-Formationen in den Kneipen der Stadt auf, die damals das Zentrum der deutschen und europäischen Blues- und Boogie-Woogie- Musik waren.
Statt studieren einfach gute Musik machen
Doch dann gab er das Studium auf, schreibt Beck. Wallenstein arbeitete zunächst nebenher als Siebdrucker, bis er von der Musik leben konnte. Heute zählt Abi Wallenstein zu den bekannten europäischen Bluesgrößen und ist auf den großen Blues-Festivals genauso zu Hause wie in Kneipen oder bei Straßenfestivals. Inzwischen wurde er dreimal - das letzte Mal 2021 - mit dem German Blues Award ausgezeichnet.
Und auch das ist Abi Wallenstein: Im Dezember 2001 trat er mit zwei Freunden anlässlich einer Weihnachtsfeier in der legendären Hamburger Übernachtungsstätte Pik As in der Neustädter Straße 31a auf. Das Publikum bestand ausschließlich aus Hamburger Obdachlosen, denen Wallenstein mit dem Auftritt eine Freude machen wollte, ohne dafür eine Gage zu verlangen.
Karten zum Konzert "Rocking Blues und Boogie Woogie" am 9. April gibt es ausschließlich im Vorverkauf in den Touristinfos in Bad Kissingen, Tel. (0971) 8048-444 und Bad Bocklet, Tel. (09708) 707 030 sowie unter kissingen-ticket@badkissingen.de; Infos auch unter: www.badkissingen.de und www.museum-obere-saline.de