Wir sind alle auf Unterstützung angewiesen und abhängig, im Kindesalter, bei Krankheit, im Alter. Manche Menschen eben auch ein Leben lang. Die Frage der gerechten Gestaltung unserer Gesellschaft ist also kein Randproblem.
Könnte man die Thesen so zuspitzen: Eine Gesellschaft ist umso gerechter, je besser sie alte und behinderte Menschen integriert?
Müller: Ja, sie selbst beschreibt ihre Gerechtigkeitstheorie zwar als minimale Gerechtigkeitstheorie, aber ich halte sie sogar für sehr umfassend. Ihre Grundidee ist, dass eine Gerechtigkeitstheorie nur dann überzeugend ist, wenn sie alle Teilnehmer am gesellschaftlichen Leben angemessen berücksichtigt. Auch die ganz schweren Fälle.
Lelgemann: Allerdings habe ich Probleme damit, wenn wir über Fälle sprechen. Ich würde dies lieber Herausforderungen grundlegender und besonderer Lebenssituationen nennen, denen sich Gerechtigkeitstheorien und Gesellschaften stellen müssen. Wobei wir in der Bundesrepublik eine gesellschaftliche Grundstruktur haben, die uns diese Themen auf einem recht hohen Niveau weiterdenken und -entwickeln lässt. Gleichzeitig ist es trotzdem notwendig, ausgesprochen aufmerksam zu bleiben.