Roboter gehören seit Jahrzehnten zum festen Produktionsmobiliar der Industrie. Eine Vorreiterrolle spielte dabei von Anfang an die Automobilbranche mit ihren vielgliedrigen Montagelinien und monotonen Fließbandarbeiten. 1961 setzte General Motors als erstes Unternehmen einen Roboterarm für schwere und gefährliche Arbeiten ein. Nach und nach übernahmen die großen Industrieroboter auch in anderen Branchen immer mehr Aufgaben.
Seitdem sind sie selbstverständliche Handlanger in der Fertigung. Nun vollzieht sich ein erneuter Paradigmenwechsel. Die Autohersteller verändern ihre Produktionsprozesse, wofür sie flexiblere und kostengünstigere Roboter benötigen. Kollaborierende Leichtbauroboter, sogenannte Koboter, die ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt wurden, eröffnen dabei neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine.
Der Beginn einer neuen Ära
Bei ZF in Schweinfurt forscht man seit drei Jahren im Tech Center Robotics an diesen Möglichkeiten. Uwe Wachter leitet die Ideenschmiede, in der gerade einmal vier Mitarbeiter*innen und sieben Studierende beschäftigt sind. Für die Arbeit braucht Wachter nicht besonders viele, sondern besonders gute Leute, die ihre Erfahrung aus verschiedenen Fachbereichen mitbringen, etwa der Informatik, der Elektrotechnik oder des Maschinenbaus.
„Wir suchen kreative Freigeister mit natürlichem Spieltrieb, um neue, zielführende Ideen zu entwickeln.“ Gewinne müssen im Tech Center, anders als in sonstigen ZF-Unternehmensbereichen, nicht erwirtschaftet werden. „Unsere Aufgabe ist es, voraus zu denken und ZF für die Zukunft zu rüsten“, erklärt Wachter. Bislang konnten schon diverse Anwendungen für jeweils unter 50.000 Euro realisiert werden, die sich nach wenigen Monaten ausgezahlt haben.
Mittelfristig sollen die Tätigkeiten von Mensch und Roboter an einem Arbeitsplatz zusammengeführt werden und die strikte Trennung zwischen manueller und automatisierter Arbeit komplett aufgehoben sein. „Der Roboter soll immer mehr zum denkenden und fühlenden Kollegen werden, der gefahrlos mit dem Menschen interagiert. Daran arbeiten wir.“
Das Ende des Schutzzauns
Das Problem: Über Jahrzehnte hinweg durften die Maschinen ausschließlich hinter Schutzzäunen ihre Arbeit verrichten, die Verletzungsgefahr für den Menschen war schlichtweg zu hoch.
Die Koboter sollen diese Trennung durch bessere Schutzmechanismen obsolet machen und dadurch eine beschleunigte Produktion sicherstellen. Intelligent eingesetzt, entlasten sie letztendlich nicht nur den Menschen, indem sie unliebsame Fließbandtätigkeiten übernehmen, sondern tragen auch zu seinem Schutz bei und sorgen so für bessere Arbeitsbedingungen. „Dem Mensch bleibt mehr Zeit für höher qualifizierte Aufgaben.“
„Der Roboter soll immer mehr zu einem denkenden und fühlenden Kollegen werden – ohne Gefahr für den Menschen.“
Uwe Wachter, Leiter Tech Center Robotics & Vision ZF Friedrichshafen AG
Durch seine kognitive Überlegenheit bleibt der Mensch ohnehin der Stratege, der zusätzlich die Präzision, Kraft und Ausdauer des Roboters nutzt. Das Tech Center konstruiert indes keine eigenen Koboter, sondern arbeitet mit Roboterherstellern zusammen. „Wir nutzen die sensorischen Eigenschaften der jeweiligen Modelle für unsere Zwecke und bauen sie unseren Anforderungen entsprechend um.“
Die Berührungssensorik wird bespielsweise beim „Bin-Picking“, also dem Entnehmen von Teilen aus einer Kiste, zur Orientierung genutzt. So wird aus der Not eine Tugend gemacht. Auch andere Sensoren wie Wärmefühler oder Kameras werden eingesetzt und ihrem Einsatzziel angepasst. „Die Herausforderung besteht darin, den Robotern beizubringen, wie sie vor Ort agieren und auf unvorhergesehene Vorfälle reagieren, um eine möglichst hohe Betriebssicherheit und Produktionsstabilität zu gewährleisten.“
Schweinfurt wandelt sich zur Robotik-Metropole
Schweinfurt erweist sich für die Arbeit des Tech Centers als idealer Standort. Nicht nur, weil auf dem ZF-Gelände, wo bereits andere Kompetenzzentren beheimatet sind, ein ganz besonderer Pioniergeist herrscht, sondern auch, weil die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt mit ihrem Center für Robotik ab dem kommenden Wintersemester den ersten Robotik-Studiengang in Deutschland anbieten wird. Die Wälzlagerstadt wandelt sich zur Robotik-Metropole.
Von hier aus betreut das Tech Center rund 100 Forschungsprojekte für die 300 Werke von ZF. Zurzeit entstehen auch sogenannte Application Center in verschiedenen Ländern, die als dezentrale „Satelliten“ die Einführung der Technologien vor Ort übernehmen. Nicht ohne Grund hat Deutschland als Autobauer-Nation die dritthöchste Roboterdichte der Welt. Und sie wächst unaufhörlich. Die Koboter stellen bislang nur einen kleinen Teil der heutigen Gesamtzahl an Robotern dar – doch gehört ihnen die Zukunft. Das Tech Center Robotics & Vision bildet auf diesem Weg die geistige Vorhut.
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