Als Wilhelm Conrad Röntgen am 1. Oktober 1888 den Ruf der Würzburger Universität auf den Lehrstuhl für Physik annahm, hatte er bereits eine wissenschaftliche Karriere hinter sich. Diese hatte ihn schon vorher einmal nach Würzburg geführt, und zwar im Jahr 1870 zusammen mit seinem Lehrer August Kundt. Auf seinem Weg bis zum Lehrstuhlinhaber in Würzburg musste Röntgen aber erst einmal einige Hindernisse überwinden.
Geboren wurde Wilhelm Conrad Röntgen am 27. März 1845 in Lennep, das heute ein Stadtteil von Remscheid ist. Sein Vater Friedrich Conrad war Händler und Kaufmann in der Tuchbranche, seine Mutter Charlotte Constanze stammte aus Amsterdam. In Lennep verbrachte W. C. Röntgen nur seine drei ersten Lebensjahre, allerdings pflegt man dort die Erinnerung an ihn sehr ausgiebig - mit dem Deutschen Röntgen-Museum und seinem Geburtshaus.
Röntgens Schulnote in Physik: Sehr schlecht
1848 zog die Familie Röntgen mit dem dreijährigen Sohn aus wirtschaftlichen Gründen ins holländische Appeldoorn, wo der Vater es als Tuchhändler zu Reichtum brachte. Dort besuchte der junge Wilhelm Conrad zunächst die Volks- und anschließend die Sekundarschule. 1861 wechselte er dann auf die technische Schule von Utrecht über. Über seine schulische Laufbahn schreibt Hans Leicht in seiner 1994 erschienenen Röntgen-Biografie: „Für Studium und Beruf schienen die besten Voraussetzungen gegeben zu sein: Die Zeugnisse sprachen von einem ganz hervorragenden Schüler. Nur in Chemie und Physik konnten seine Leistungen nicht zufriedenstellen“. Ausgerechnet im Fach Physik erhielt der spätere Physik-Nobelpreisträger die Note „sehr schlecht“.
Das alleine wäre noch zu verkraften gewesen, doch machte die Schulleitung dem jungen Röntgen einen Strich durch die Rechnung, so Hans Leicht in seinem Buch. Das geschah allerdings nicht wegen schlechter schulischer Leistungen, sondern wegen eines Schülerstreichs.
Kleiner Schulstreich, große Wirkung
Wie Leicht berichtet, hatte ein mit Röntgen befreundeter Mitschüler auf den Ofenschirm im Klassenzimmer mit Kreide ein Konterfei des Lehrers gezeichnet. Als der „Porträtierte“ das Klassenzimmer betrat, stand der junge Röntgen, der selbst gar nicht gut zeichnen konnte, vor dem Bildnis und bestaunte es. Der als sehr humorlos bekannte Lehrer versuchte unverzüglich den „Künstler“ ausfindig zu machen. Um seinen Freund zu schützen, gab sich Röntgen als Urheber des Bildes aus. Er rechnete mit einer milden Strafe, doch es kam ganz anders: Er wurde von der Schule verwiesen. Damit war ihm der Weg zum Abitur und zu einem Studium versperrt.
Doch es gab noch eine Chance: Durch ein Privatstudium konnte man sich als auswärtiger Schüler auf das Abitur vorbereiten. Diese Gelegenheit nutzte Röntgen – und hatte Pech. Einen Tag vor der Prüfung wurde der ihm wohlgesonnene Prüfungsleiter krank und an seine Stelle trat ausgerechnet jener Lehrer, der Röntgen als Bösewicht des Schulstreichs ausgemacht hatte. Die Folge: Röntgen bestand die Prüfung nicht. Eine Wiederholung war nicht möglich.
Doch der 20-Jährige gab nicht auf. An der Universität Utrecht belegte er als Gasthörer die Fächer Mathematik, Physik, Chemie, Zoologie und Botanik. Durch einen Zufall erfuhr er davon, dass es am Züricher Polytechnikum möglich sei, auch ohne Reifezeugnis Maschinenbaukunde zu studieren. Aufgrund seiner ausgezeichneten Leistungen in Utrecht, wurde er in Zürich ohne Aufnahmeprüfung zum Studium zugelassen. Im August 1868 war Röntgen am Ziel: Er erhielt das Diplom als Maschinenbauingenieur. 1869 wurde er in Zürich mit seiner Arbeit „Studien über Gase“ zum Dr. phil. promoviert.
In Würzburg durfte Röntgen nicht Professor werden
Ein Jahr später begleitete Röntgen den noch jungen, aber renommierten Physikprofessor August Kundt, den er in Zürich kennengelernt hatte, als dessen Assistent nach Würzburg. Röntgen arbeitete wie besessen im Physikalischen Kabinett in der Domerschulstraße und Kundt war so angetan von seinem Assistenten, dass er der Fakultät vorschlug, ihn zur Habilitation zuzulassen. Doch diese lehnte ab, weil Röntgen kein Abitur vorweisen konnte. Kundt wertete das als persönlichen Affront und machte seine Drohung, Würzburg deshalb zu verlassen, bald wahr. 1872 nahm er einen Ruf nach Straßburg an und nahm Röntgen, der inzwischen seine langjährige Verlobte Bertha Ludwig geheiratet hatte, gleich mit. Bevor er in Straßburg zusagte, ließ er sich zusichern, dass Röntgen sich dort habilitieren kann, was dann 1874 auch der Fall war.
1879 erhielt Röntgen einen Ruf an die Universität Gießen. Dort erfüllte man ihm seinen Wunsch nach einem größeren Institut. Hier hatte Röntgen nicht nur bessere Forschungsvoraussetzungen, sondern er scharte auch bald einen großen Freundeskreis um sich, mit dem er seinen Hobbies Wandern und Jagen nachging. Zudem war Röntgen auch ein begeisterter Fotograf.
1888: Die Rückkehr Röntgens nach Würzburg
Als ihn 1888 die Universität Würzburg rief, die ihm Jahre vorher noch die Habilitation verweigert hatte, nahm Röntgen an. Die Uni hatte damals speziell in Naturwissenschaften und Medizin einen außergewöhnlich guten Namen. Röntgen wurde in Würzburg Professor für Experimentalphysik und gleichzeitig Direktor des Physikalischen Instituts.
In seinem Institut hatte Röntgen alles unter einem Dach. Dort befanden sich der Hörsaal, dessen Einrichtung heute in einem Rückgebäude eingebaut und zu besichtigen ist, sein Forschungslaboratorium und weitere Arbeitsräume. Im Obergeschoss hatte er eine Wohnung, die er mit seiner Frau Bertha bewohnte. Als seine Forschungen an den Kathodenstrahlen immer intensiver wurden, ließ er sich oft wochenlang sein Bett ins Laboratorium stellen.
Und dann kam der 8. November 1895, der die Welt der Wissenschaft und die Welt im Allgemeinen gravierend verändern sollte. Bei nächtlichen Experimenten entdeckte Röntgen zufällig eine neue Art von Strahlen, die imstande waren, feste Materialien zu durchleuchten und im Bild festzuhalten. Die ersten Aufnahmen zeigten Röntgens Hand und ein kleines Holzkästchen, in dem sich Gewichte befanden, die er mit den neuen Strahlen sichtbar machen konnte.
Der Trubel um die Entdeckung nervte Röntgen
Als Röntgen zum Jahresanfang 1896 seine Abhandlung „Über eine neue Art von Strahlen“ als Sonderdruck der Würzburger Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft an Kollegen verschickte, sorgte er für große Aufregung in der Fachwelt. „Die Reaktionen aller 91 Empfänger reichte von Faszination über Zweifel an der Vernunft Röntgens bis an die Grenze des Unwahrscheinlichen und Unvorstellbaren“, schreibt Hans Leicht in seiner Biografie. Röntgen selbst konnte dem ganzen Trubel nichts abgewinnen und wäre am liebsten dem Rummel um seine Person aus dem Weg gegangen.
Stattdessen wurde er am 13. Januar 1896 bei Kaiser Wilhelm II. vorstellig, der sich aus erster Hand von der neuen Entdeckung informieren lassen wollte. Zehn Tage später hielt er in Würzburg einen Vortrag und wurde schon beim Betreten des völlig überfüllten Hörsaals mit Beifall empfangen. Anschließend demonstrierte Röntgen, wie die neuen Strahlen verschiedene Materialien (Papier, Blech, Holz und seine eigene Hand) durchdringen können. Zum Abschluss fragte er den berühmten Anatomen Albert von Koelliker, ob er dessen Hand mit den neuen Strahlen fotografieren dürfe. Als das Ergebnis gezeigt wurde, waren alle Anwesenden aus dem Häuschen. Anschließend schlug Koelliker vor, die X-Strahlen nach ihrem Entdecker zu benennen, was von der Versammlung mit großem Applaus begrüßt wurde.
Röntgen verweigerte die Nobelpreis-Rede
Röntgen ging in Würzburg weiter seinen Forschungen nach, hatte natürlich auch Kritiker und Neider, doch in der Welt der Wissenschaft wurde er mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen überhäuft. Schnell wurde auch klar, dass seine Entdeckung nicht nur für die Medizin einen Durchbruch bedeutete.
Am 1. April 1900 nahm Röntgen schließlich einen Ruf an die Münchner Universität an, wo er Vorstand des Physikalischen Instituts wurde. Dort erreichte ihn 1901 die Nachricht, dass die schwedische Nobelpreis-Stiftung ihm die hoch dotierte Auszeichnung verleihen wolle. Es war das erste Mal, dass ein Nobelpreis für die Sparte Physik verliehen wurde. An dem hochoffiziellen Festakt hatte Röntgen nur wenig Interesse. Das Preisgeld von 50 000 Kronen stiftete er der Universität Würzburg. Röntgen hielt nur eine kurze Dankesrede und machte sich davon, ohne die eigentlich vorgeschriebene ausführliche Rede zu halten. Außerdem verzichtete er darauf, seine Entdeckung als Patent anzumelden.
Röntgen im Würzburger Stadtbild
Das Jahr 1919 bedeutete für den Wissenschaftler einen schweren Einschnitt, denn in diesem Jahr starb seine Ehefrau Bertha. 1920 wurde Röntgen von seiner Lehrtätigkeit in München emeritiert. Am 10. Februar 1923 erlag er im Alter von 77 Jahren einem Krebsleiden. Testamentarisch hatte er verfügt, in Gießen beigesetzt zu werden, wo auch seine Eltern begraben waren.
Im Würzburger Stadtbild ist Röntgen gleich mehrfach vertreten. Ein Gymnasium ist nach ihm benannt; die große Straße, an der das ehemalige Physikalische Institut steht, in dem Röntgen seine Entdeckung machte, trägt seinen Namen, und ein ehemaliger Profi-Basketballclub nannte sich X-Rays. Schließlich gibt es im ehemaligen Physikalischen Institut eine Röntgen-Gedächtnisstätte am Original-Schauplatz seiner Entdeckung.