
Seit Monaten hört man die Kassandrarufe: Die Corona-Hilfsgelder des Staates führen dazu, dass eigentlich tote Unternehmen künstlich am Leben gehalten werden. Das dicke Ende komme bald.
Fakt ist: Es kam noch nicht. Doch die Mahner werden lauter. Vor wenigen Tagen legte das bundesweite Inkassounternehmen Creditreform einen Bericht vor, wonach sich die Zahl der "lebenden Toten" in der Wirtschaft seit 2010 verdreifacht habe.
Schlimmer noch: Die Zahl dieser "Zombie-Unternehmen" sei allein im Corona-Jahr 2020 noch einmal um 13 Prozent größer geworden. Creditreform stützt sich dabei auf eine weltweite Analyse der US-Unternehmensberatung Kearney.
Das Institut der deutschen Wirtschaft ging schon vor gut einem halben Jahr davon aus, dass es in Deutschland etwa 5000 Zombie-Unternehmen gibt. Wenngleich für Mainfrankens Wirtschaft hierzu keine Zahlen existieren, wird die Eiterbeule nicht geleugnet. Im Gegenteil: Es werde in der Region wie im Rest von Deutschland zukünftig "zu einer steigenden Zahl von Insolvenzanträgen kommen", teilte Philipp Bauer am Mittwoch auf Anfrage mit.
Der geschäftsführende Gesellschafter der Würzburger Creditreform-Niederlassung weist darauf hin, dass in den vergangenen drei Monaten die Zahl der Pleiten im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat gestiegen sei. Freilich werde das Niveau von 2019 - also dem Jahr vor Corona - noch nicht erreicht.
Auch Sascha Genders zeigt ein mulmiges Gefühl: "Ja, da wird was kommen", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt gegenüber dieser Redaktion.
Welche Rolle die Gewerbeabmeldungen spielen
Auch Genders hat keine Zahlen vorliegen, sieht aber einen Indikator der Lage: Die Gewerbeabmeldungen seien in Mainfranken zwischen 2020 und 2021 um 15 Prozent zurückgegangen. Was zunächst positiv klingt, lasse den Schluss zu, dass einige Unternehmen künstlich über Wasser gehalten und eben nicht abgemeldet würden. "Es ist auffällig", so Genders.
"Auch im mainfränkischen Mittelstand gibt es Zombi-Unternehmen", wenngleich deren Zahl nicht zu ermitteln sei, fügt Creditreform-Geschäftsführer Bauer hinzu. Der aktuelle Material- und Rohstoffmangel sowie die hohen Energiepreise seien wie ein Katalysator, der die Misere in Folge von Corona verschärfe. Das alles komme zum ungünstigsten Zeitpunkt, meint Genders von der IHK.
Wer kriselte, kriselt jetzt erst recht
Wie es in dem Creditreform-Bericht weiter heißt, greife diese Misere insbesondere im Handel und unter den Autozulieferern um sich. Auch die Gastronomie sowie die Dienstleister in den Bereichen Tourismus und Veranstaltungen seien die Leidtragenden, so Genders. All diese Branchen werden schon von Beginn der Corona-Krise an als die Hauptverlierer angesehen.
Zumal es ihnen bis dahin offenbar auch nicht wesentlich besser ging: Vor der Pandemie seien "besonders hilfsbedürftige Sektoren wie das Gastgewerbe oder die Dienstleister in Kunst, Unterhaltung und Erholung zu 17,5 beziehungsweise 27,7 Prozent fortlaufend ohne Erträge" gewesen, heißt es in dem Creditreform-Bericht weiter. Insofern sei die Frage erlaubt, ob hier die Unterstützung durch den Staat noch Sinn mache.
IHK-Experte: Viele griffen das Eigenkapital an
Gefährlich werden könnte Unternehmen gerade im Mittelstand ein weiterer Effekt in Folge von Corona: Viele gingen während der Krise ans Ersparte. Das jedenfalls hat IHK-Experte Genders beobachtet, ohne für Mainfranken Details nennen zu können. Das Fachmagazin "Markt und Mittelstand" meldete schon im Juli eine ähnliche Beobachtung: Mit einem "deutlichen Rückgang an Eigenkapital navigieren viele Firmen mit wesentlich weniger Wasser unter dem Kiel".
Dass die Pandemie noch nicht zum großen Knall in der Wirtschaft geführt hat, aber zum Teil subtile Folgen zeigt, wurde in Mainfranken zuletzt Mitte August deutlich: Damals meldete die Creditreform-Niederlassung in Würzburg, dass die Zahlungsmoral der Geschäftskunden binnen weniger Monate schlechter geworden sei.
BVMW-Gebietsleiter: Mainfrankens Wirtschaft ist stabil
Alles in allem aber sei die Wirtschaft in der Region stabil, betonte am Mittwoch Christian Göwecke aus Winterhausen bei Würzburg, Gebietsleiter im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Über Zombie-Unternehmen in Mainfranken habe er noch nichts gehört.
Allerdings sei das Thema in seinem Verband auf Bundesebene "total geläufig". In strukturschwachen Gebieten "könnte es akuter sein", in Mainfranken "ist es aber nicht so groß". Noch nicht? Schließlich haben Zombi-Unternehmen nach Darstellung von IHK-Experte Genders eine Eigenart: "Man sieht sie nicht."