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Würzburg/Schweinfurt
Warten aufs Geld: Wie die Zahlungsmoral von Firmen in Mainfranken nachlässt
Die befürchtete Pleitewelle in Folge der Corona-Krise bleibt in Mainfrankens Wirtschaft aus. Dafür zeigt sich jetzt ein anderer beunruhigender Trend: offene Rechnungen.
Mahnung droht: Die Unternehmen zahlen ihre Rechnungen deutlich später als noch vor einem halben Jahr - bundesweit und auch in Mainfranken. 
Foto: SymbolJens Kalaene, dpa | Mahnung droht: Die Unternehmen zahlen ihre Rechnungen deutlich später als noch vor einem halben Jahr - bundesweit und auch in Mainfranken. 
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:02 Uhr

Bald wird es eine Pleitewelle wegen Corona geben, lauteten vor einigen Monaten die Kassandrarufe. Die befürchtete Welle ist in Mainfranken bislang ausgeblieben. Doch zeigt sich inzwischen eine andere Folge der Krise: Die Zahlungsmoral der Geschäftskunden wird schlechter.

Das hat die Auskunftei Creditreform jetzt ermittelt. Inwieweit der häufige Zahlungsverzug ein Vorbote von Pleiten ist, bleibt im Unklaren. Sicher ist, dass die Zahl der Privatinsolvenzen im Zuge der Corona-Krise sprunghaft gestiegen ist: Nach Angaben des Informationsdienstes Crifbürgel vom Juni hat es in Deutschland in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres 57 Prozent mehr Privatinsolvenzen gegeben als im ersten Quartal 2020. Insgesamt werde sich die Zahl dieser Pleiten bis Jahresende im Vergleich zu 2020 wahrscheinlich verdoppeln. 

Was Insolvenzen von Unternehmen angeht, gilt das Gegenteil: Ihre Zahl ist bundesweit im Mai um ein Viertel gegenüber Mai 2020 zurückgegangen, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Der rückläufige Trend halte seit Monaten an. Die staatlichen Milliardenhilfen wegen Corona, Kurzarbeit sowie die bis Mai gelockerte Insolvenzantragspflicht werden von Experten immer wieder als Gründe genannt, warum die Pleitewelle bislang ausgeblieben ist.

Warten aufs Geld: Wie die Zahlungsmoral von Firmen in Mainfranken nachlässt
Pleiten in Folge von Corona: Wie ist die Lage in Mainfranken?

Ob in der Region doch noch die befürchtete hohe Zahl an Pleiten kommt? Aus den aktuellen Zahlen seines Hauses zur Zahlungsmoral könne man hier keine Rückschlüsse ziehen, sagt Raymond Polyak, der geschäftsführende Gesellschafter der Creditreform-Niederlassung in Würzburg. Er schätzt, dass 2022 und 2023 "wellige Jahre werden", wahrscheinlich aber ohne den großen Knall.

Wie sieht es mit der Zahlungsmoral der Unternehmen aus?

Bei der Zahlungsmoral zeigt sich nach Angaben von Creditreform eine bedenkliche Entwicklung: Die Kunden im reinen Geschäftsverkehr (B2B), also ohne Endverbraucher, zahlen ihre Rechnungen deutlich später. In Mainfranken müssen im Baugewerbe die Lieferanten im Durchschnitt 50 Tage auf ihr Geld warten, 18 Tage länger als vereinbart. Die Frist von 32 Tagen, innerhalb derer die Rechnung hätte beglichen werden müssen, wird häufig nicht mehr eingehalten.

Diese Frist ist laut Creditreform in den vergangenen Monaten leicht verkürzt. Damit wollten Gläubiger schneller an ihr Geld kommen und "Befürchtungen von steigenden Zahlungsausfällen und Insolvenzen entgegenwirken".

In Mainfranken zahlen Großhandelskunden den Angaben zufolge ihre Rechnungen mit rund zwei Wochen Verzögerung. Noch am schnellsten (5 Tage verzögert) kommen Gläubiger im Bereich Konsumgüter an ihr Geld. Über alle Branchen hinweg ergibt sich laut Creditreform eine Zahlungsverzögerung von 10,3 Tagen bei einem durchschnittlichen Zahlungsziel von 32,5 Tagen. Mit anderen Worten: Im regionalen B2B-Geschäft erhalten Unternehmen erst nach 42,8 Tagen, also nach sechs Wochen, ihr Geld.

Wo steht Mainfranken im Vergleich?

Mainfranken liegt laut Creditreform im bundesweiten Trend. Verspätet gezahlt wird schon seit längerem: Lag der Zahlungsverzug in Deutschland Mitte 2017 bei 10,1 Tagen, stieg er bis Mitte 2020 kontinuierlich auf 10,8 Tage. Wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs in Folge von Corona zahlten die Unternehmen im zweiten Halbjahr 2020 aber wieder schneller. Dass der durchschnittliche Verzug nun von zuletzt 9,8 auf 10,2 Tage gestiegen ist, liegt laut Creditreform am Auslaufen der staatlichen Corona-Hilfen: "Die Geschäftsrisiken steigen wieder." 

'Wellige Jahre': Geschäftsführer Raymond Polyak von der Auskunftei Creditreform in Würzburg geht davon aus, dass Mainfrankens Wirtschaft wegen der Corona-Krise unruhige Zeiten erleben wird.
Foto: Creditreform | "Wellige Jahre": Geschäftsführer Raymond Polyak von der Auskunftei Creditreform in Würzburg geht davon aus, dass Mainfrankens Wirtschaft wegen der Corona-Krise unruhige Zeiten erleben wird.
Welche Unternehmen der Region zahlen am spätesten?

Offenbar haben gerade die kleinen Unternehmen Probleme, ihre offenen Rechnungen zu begleichen. So sind laut Creditreform Freiberufler im Bereich Architektur, Ingenieurwesen oder Kultur im Durchschnitt mit 24 Tagen im Verzug. Aktiengesellschaften oder GmbHs liegen bei 6 bis 9 Tagen Verzug.

Trotzdem sehen Kunden der großen Unternehmen in Mainfranken ihr Geld erst nach 51 Tagen, bei mittleren und kleinen Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten sind es 38 Tage bis Zahlungseingang. Den Großen werde deutlich länger Zeit eingeräumt für die Zahlung, erklärt Creditreform: Die Frist liege im Schnitt bei 42 Tagen, bei kleineren Firmen seien es 27. Für Geschäftsführer Polyak ist das ein Indiz dafür, dass es die kleinen Unternehmen nicht geschafft haben, mit ihren Lieferanten längere Fristen auszuhandeln.

Zahlungsmoral: Um wie viel Geld es geht

1992 Euro beträgt in Deutschland der durchschnittliche Wert der Rechnungen, die im ersten Halbjahr 2021 von Geschäftskunden mit Verzögerung bezahlt wurden. Im zweiten Halbjahr 2020 hatte der Durchschnittswert verspätet gezahlter Rechnungen 1970 Euro betragen. Die Auskunftei Creditreform hat nach eigenen Angaben knapp vier Millionen Rechnungen ausgewertet.
4148 Euro (10,4 Prozent mehr als vor einem halben Jahr) betragen demnach bundesweit die offenen Rechnungen im Schnitt in der Chemie- und Kunststoffbranche – das ist der Spitzenwert. Im Bereich Elektro/Metall geht es um einen durchschnittlichen Rechnungsbetrag von 2765 Euro (plus 5,9 Prozent), im Einzelhandel um 1873 Euro (plus 8,6 Prozent).
aug
 
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Kommentare
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  • R. A.
    Wir nehmen 75 % Vorkasse. Bei jedem Kunden. Auch bei Öffentlichen. Seit Jahren und fahren bestens damit. Ich bezahle meine Liefereanten immer mit Skonto. Mehr kann ich nicht einsparen. Alles eine Frage der AGB
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Neben der schlechten Zahlungsmoral bei Arbeitsauftragsgebern Handwerkern gegenüber,ist das oft unverschämte Verhalten,die charakterlose Einstellung beim Begleichen der Miete , durch Mieterverein und Gerichte gestützt,von Mietern gegenüber dem Vermieter,zu beklagen.Rücksichtlose Zerstörung von Gemietetem und unverschämtes Verhalten(dein ist mein und unser,meines geht keinen was an)scheint bei der modernen Mietergeneration üblich zu sein.
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  • H. H.
    Nach meiner Kenntnis, sind öffentliche Auftraggeber hier seit vielen Jahren ein schlechtes Vorbild. Ich kenne Handwerker, die aus diesem Grund hier keine Aufträge mehr annehmen.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Vergessen sie bitte auch nicht die Kirchen und die jeweiligen "Dependancen" als Auftraggeber. Deren Zahlungsmoral deckt sich nicht mit der sonst geforderten Moral.
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  • J. N.
    Stimmt. Jeder Handwerker überlegt es sich zweimal, bevor er einen Auftrags des Bischöflichen Ordinariats annimmt.
    Bevor die durch alle Instanzen eine Zahlung freigeben, wird man alt und grau.
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