Mainfranken ist ein Landstrich mit einigen altehrwürdigen Privatbanken. Doch in den vergangenen Wochen ist Unruhe aufgekommen: Die auf betuchte Kunden ausgerichtete Bethmann Bank aus Frankfurt will 2020 eine Niederlassung in Würzburg aufmachen – und hat prompt dafür gesorgt, dass vier Kundenberater der Castell-Bank zu ihr überlaufen. Überhaupt ist Castell in eine Krise gerutscht: Zum Teil hochrangige Mitarbeiter aus diversen Abteilungen haben sich verabschiedet – zuletzt Vorstandsvorsitzender Sebastian Klein.
Und dann die Bank Schilling in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen): Wesentliche Geschäftsbereiche gehen an die Merkur Bank in München. Der Name "Bank Schilling" wird verschwinden. Stellt sich die Frage: Was ist los mit den kleinen Privatbanken in der Region? Bankenexperte Harald Bolsinger von der Hochschule für Wissenschaften in Würzburg schätzt im Interview die Lage ein – und spannt einen schonungslos kritischen Bogen hin zur generellen Frage, wie sauber Banking heute sein muss.
Harald Bolsinger: Da passiert etwas, was die Presse gar nicht transparent machen kann, weil keine Bank natürlich Interesse daran hat, Interna nach außen zu kehren. Gerade mit Blick auf die Klientel, die von diesen kleinen Banken bedient wird: Das sind meistens vermögende Privatkunden. Vertrauen ist da das Allerwichtigste. Das wird zerstört, wenn man irgendwo lesen würde: Eventuell sind Mitarbeiter der Bank gegangen, weil sich deren Umfeld verändert hat in eine Richtung, die sie nicht mochten. Was hier in der Region alles gleichzeitig passiert, ist vielleicht gar nicht so sehr strukturell bedingt, sondern vielleicht einfach nur Zufall.
Bolsinger: Durch das niedrige Zinsumfeld und durch verpasste Hausaufgaben, zum Beispiel bei der Digitalisierung, sind große Herausforderungen entstanden. Sie können dazu führen, dass man meint, man könnte mit mehr Vertrieb und mit mehr Vertriebsdruck die Probleme lösen. Man braucht einfach Ertrag. Und wenn man sich dann Leute ins Haus holt, die versprechen, diesen Ertrag zu liefern und mit den gleichen Kunden noch mehr Umsatz zu machen, dann könnte es in eine ganz ungesunde Richtung gehen – gerade in etablierten Häusern, die schon seit Hunderten von Jahren am Markt sind. Das geht aber vorbei. Diese Häuser werden weiterbestehen, auch nach einem Umbruch. Sie tun gut daran, sich ihre Kundenschicht genau anzuschauen und bewährte Werte zu behalten.
Bolsinger: Ich wage jetzt nicht zu spekulieren, was tief in der Castell-Bank wirklich passiert ist. Was ich weiß, ist, dass die Castell-Bank eine lange Tradition hat mit einem ethisch sauberen Markenkern. Wenn da jetzt etwas angebrannt sein sollte, heißt das noch lange nicht, dass die Bank deswegen vor die Hunde gehen muss.
Bolsinger: Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Diese kleinen Banken haben den tollen Vorteil, dass sie ganz schnell etwas Neues und Attraktives umsetzen können, das funktioniert. Das schaffen die Riesenschiffe unter den Banken fast nicht.
Bolsinger: Wenn man einen Unterschied macht. Wenn man kein schmutziges Geld mehr in die Hand nehmen und verkaufen will.
Bolsinger: Fast alle.
Bolsinger: Dafür können die Einzelbanken oft gar nichts. Das liegt an der Europäischen Zentralbank. Um Liquidität zu schaffen, kauft die EZB mit ihrem Anleiheprogramm alles, was auf dem Markt zur Verfügung steht. Da sind Sachen drin, die mit Menschenrechtsverletzungen, Sklavenarbeit und Umweltzerstörung zu tun haben. Es wird einfach gekauft, weil man so tut, als ob Geld ethisch neutral wäre. Ist es aber nicht. Denn jedes Mal, wenn ich eine Anleihe kaufe, mache ich eine ethische Aussage: Ich will, dass das, was ich da kaufe und finanziere, wächst. Der Fisch stinkt also vom Kopf her. Das sind Dinge, die traut sich ein normaler Bankvorstand niemals zu sagen. Dieses schmutzige Geld muss also gewaschen werden. Geldwäsche in diesem Sinn ist etwas, was wir hier wirklich brauchen. Zentralbanken müssen sauberes Geld produzieren, indem sie Dinge ankaufen, die ethisch korrekt sind.
Bolsinger: Sie können das alles viel leichter machen, weil sie eine Nische besetzen können, nein, müssen. Sie brauchen vermögende Privatkunden, mit denen sie in sauberes Geld investieren können. Sie können diesen Kunden also sagen: Du kannst diese ethischen Aspekte berücksichtigen. Du kannst auch Geld verdienen, indem du etwas Gutes förderst. Du musst keine Anleihen kaufen von Tellerminen-Herstellern. Da gehen die kleinen Banken gerade aktiv rein.
Bolsinger: Das ist meine These. Allerdings machen es einige nicht konsequent genug. Sie müssten vielmehr sagen: Wir machen nur noch Nachhaltiges mit sauberem Geld.
Bolsinger: Spannende Frage. Bei dieser Art der Vermögensverwaltung kommt es sehr viel auf Vertrauen an. Da sind mir aber die Vertriebsmethoden zuwider, muss ich ehrlich sagen. Ich würde niemals versuchen, mich in das persönliche Netzwerk eines potenziellen Kunden einzuschleichen, nur um ihm irgendetwas verkaufen zu können.
Bolsinger: Das geht ganz einfach. Normalerweise bekommt man im Vertrieb diese Schulung: Decke irgendwelche latenten Bedürfnisse auf und liefere zwei Lösungen. Eine davon ist schlechter als die andere – und sag dann dem Kunden sofort, er soll die bessere unterschreiben. Thema durch, abgehakt – nächstes. Nach einer halben Stunde muss es – je nach Anlagesumme – gelaufen sein, denn der nächste Termin wartet. Übelste Methoden, die den Menschen zum Objekt machen. Auch vermögende Privatkunden, die großes Kapital haben, werden oft nur auf ihr Ertragspotenzial reduziert. Mit diesem Kapital geht es ja nicht nur darum, eine hohe Rendite zu erwirtschaften. Jetzt sind wir wieder bei der Ethik: Diese Menschen haben ja auch eine Vorstellung, wie die Welt sein soll. Dann kann ich doch mal erspüren, welche Vision sie für ihr Kapital haben. "Vision for Finance" aus Veitshöchheim geht beispielsweise einen solchen neuen Weg. (Anmerkung d. Red.: Es handelt sich dabei um eine Beratungsagentur von Jens Minnemann.)
Bolsinger: Wenn man schaut, wie viele Millionäre im zweistelligen Bereich sich hier tummeln, gehen Ihnen die Augen auf. Das ist ein spannendes Pflaster hier.
Bolsinger: Ich glaube durchaus, dass der Markt von hier über Nürnberg bis hin nach München stark umkämpft ist.
Bolsinger: Da bin ich hin und her gerissen. Ich komme aus dem genossenschaftlichen Bankensektor. Da war schon immer die Raiffeisen-Idee, das Motto "Einer für alle, alle für einen", in der Ausbildung drin. Grundsätzlich geht es um die Wirkung, die mein Investment und mein Kapital erzeugen. Ich möchte eine gute Wirkung erzeugen und gleichzeitig Ertrag haben – das ist entscheidend. Die gute Wirkung zu erzeugen, dass wird gar nicht geschult. Da sind die wenigsten unterwegs. Klar gibt es zum Beispiel bei Großbanken diese Nachhaltigkeitsschiene. Dann macht man halt auch so einen Bereich auf. Das halte ich aber für zutiefst unehrlich. Da wird auf nachhaltig gemacht, nur um irgendwo profitable Kundengruppen abzugraben. Entweder habe ich diese Ethik, und dann gibt es in meinen Fonds eben überhaupt keine Gazproms, braunen Geschichten oder Umweltzerstörung mehr. Oder ich habe diese Ethik eben nicht. Wenn ich sie nicht habe, sollte ich mich auch nicht grün anmalen.