Die Corona-Krise zieht die Verbraucher in Deutschland nicht in den finanziellen Abgrund - noch nicht. Das schlimme Ende wird wohl noch kommen, wie der am Dienstag vorgestellte Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigt. Die gute Nachricht: Mainfranken steht stellenweise noch gut da.
So befindet sich der Kreis Schweinfurt im bundesweiten Vergleich in der Spitzengruppe jener Stadt- und Landkreise, in denen die Überschuldung der Bevölkerung am geringsten ist. 4,95 Prozent sind es heuer, vor fünf Jahren waren es noch 5,03 Prozent gewesen. Spitzenreiter in Deutschland ist der Kreis Eichstätt mit lediglich vier Prozent, gefolgt vom Kreis Erlangen-Höchstadt mit 4,77 Prozent.
Auf Platz sechs in der Liste mit 401 Kommunen liegt der Kreis Würzburg, mainfränkische Schlusslichter sind die Städte Würzburg (Rang 100) und Schweinfurt (251). In der Industriestadt ist jeder zehnte Verbraucher überschuldet. Zum Vergleich: In Bremerhaven, dem Schlusslicht auf Bundesebene, ist es fast jeder vierte.
Hinter all den Zahlen verbergen sich oft heftige Schicksale von Menschen. Dass sich die Lage in Folge der Corona-Krise zuspitzen könnte, machte Geschäftsführer Stephan Vila von der Creditreform-Tochter Boniversum deutlich: "Die staatlichen Hilfsmaßnahmen haben die schlimmsten sozialen Auswirkungen abgemildert." Dennoch sei die Lage besorgniserregend, weil Hunderttausende im Land wegen Kurzarbeit oder Jobverlust in Folge der Krise in finanzielle Not geraten seien.
Creditreform schätzt, dass in Deutschland mit seinen 83 Millionen Einwohnern derzeit zwei Millionen Freiberufler und Soloselbstständige wegen der Corona-Krise am Rande der Überschuldung stehen. Der aktuelle Lockdown verschärfe das, ein zeitlich versetzter Anstieg der Überschuldungsfälle sei zu erwarten.
Dramatisch ist dem Schuldneratlas zufolge die Lage gerade für alte Menschen. Demnach gibt es in Deutschland im Vergleich zu 2013 heuer vier Mal so viele Verbraucher im Alter ab 70 Jahren, die überschuldet sind. Insgesamt sind es 470 000. Zahlen für Mainfranken legte Creditreform hierzu nicht vor.
Altersarmut: Tafeln müssen immer häufiger helfen
Die Gründe für die gewachsene Altersarmut sind dem Schuldneratlas zufolge vielfältig. Die Rentenstruktur habe dazu genauso beigetragen wie etwa die Tatsache, dass es immer mehr Jobs mit Niedriglohn gebe.
Wie schwierig der Alltag für alte Menschen im Land geworden ist, macht Vorsitzender Jochen Brühl vom Verein "Tafel Deutschland" in dem Schuldneratlas deutlich. So habe es 2019 im Vergleich zum Vorjahr 20 Prozent mehr Senioren gegeben, die auf die Lebensmittelausgabe der Tafeln angewiesen waren. Beunruhigend sei aber auch der mittlerweile große Anteil von Alleinerziehenden und Kindern, die die Unterstützung in Anspruch nehmen.
Warum die Zahlen gefährlich verschleiern
Im Gegensatz dazu steht die Tatsache, dass gemäß den Creditreform-Zahlen die Fälle von Überschuldung heuer gegenüber 2019 leicht gesunken ist. Deutschlandweit liegt sie bei 9,87 Prozent und damit das erste Mal seit 2015 unter der 10-Prozent-Marke. In Bayern sind es aktuell 7,14 Prozent.
Fast in allen Bundesländern ist die Quote zurückgegangen – und das trotz Corona. Das sei aber eine gefährliche Verschleierung der Lage, meint Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. "Der vermeintlich positive Befund ist kein Zeichen für Entspannung." Das dicke Ende komme noch. Denn "durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise haben die Verbraucher in Deutschland weniger Geld zur Verfügung.
Creditreform legte am Dienstag auch Zahlen vor, die die Überschuldungsquoten einzelner Gemeinden und Stadtbezirke in Mainfranken zeigt. Demnach klafft die Schere zum Teil weit auseinander. So sind in der Schweinfurter Innenstadt fast 15 Prozent der Verbraucher überschuldet, während es in den Randlagen mitunter nur fünf Prozent sind.
Generell fällt auf, dass die Menschen auf dem Land eher seltener im finanziellen Schlammassel stecken als in der Stadt. So haben zum Beispiel Rannungen, Fuchsstadt (beide Lkr. Bad Kissingen), Bischbrunn (Lkr. Main-Spessart), Burglauer (Lkr. Rhön-Grabfeld) oder Sommerach (Lkr. Kitzingen) Werte von drei Prozent oder weniger. Andere mainfränkische Orte abseits der Städte liegen im Schnitt bei fünf bis sechs Prozent.
Schon zu Beginn der Pandemie im März war der Würzburger Creditreform-Chef Raymond Polyak davon ausgegangen, dass die Überschuldung in Städten wie Würzburg und Schweinfurt mittelfristig zunehmen wird. Ein Grund dafür sei, dass dort viele Unternehmen sitzen, die im Zuge der Krise in große wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen könnten. Eine Pleitewelle hat es in Mainfranken allerdings bislang noch nicht gegeben.