Im Zuge der Corona-Krise hat die Bundesregierung das Insolvenzrecht gelockert - aber zum Teil nur bis Ende September. Die Uhr tickt also: Manche Experten gehen davon aus, dass bald schlagartig eine Pleitewelle übers Land schwappt.
Nicht so dramatisch sieht das Rechtsanwalt und Diplom-Kaufmann Erion Metoja. Der 45-Jährige leitet zusammen mit Helmut Eisner in Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis) ein Sachverständigeninstitut, das seit 2006 bundesweit und im Auftrag von Gerichten Insolvenzverfahren abschließend prüft. Dabei nimmt Metoja jeweils die Schlussrechnungen der Insolvenzverwalter unter die Lupe und hat so einen tiefen Einblick in das Insolvenzwesen.
Im Interview macht Metoja deutlich, dass Corona in einigen Branchen mächtig aufräumen wird. Andererseits sieht er bestimmte Unternehmen gut genug aufgestellt, um in der Krise zu bestehen. Für die Wirtschaft in Mainfranken findet Metoja lobende Worte – und er hat Tipps, auf was Unternehmer und auch Beschäftigte jetzt achten sollten.
Erion Metoja: Im Moment haben wir ja in Folge von staatlichen Hilfen, Stundungsmöglichkeiten und der Aussetzung der Antragspflicht einen Rückgang der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr. Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat jetzt beschlossen, die Aussetzung der Antragspflicht zu verlängern, allerdings nur für die Überschuldung. Die ist in den meisten Fällen kein Insolvenz-Antragsgrund, so dass durchaus mit einer Erhöhung der Fallzahlen zu rechnen sein wird. Auf der anderen Seite sind die Hilfen noch aktiv, insbesondere das Kurzarbeitergeld. Das wird dämpfend auf den Anstieg wirken. Man rechnet allenfalls mit einer Zunahme der Insolvenzen von 20 Prozent. Die große befürchtete Welle wird ausbleiben.
Metoja: Die Wirtschaft in der Region, und damit auch der Mittelstand, ist in einem robusteren Zustand, als man denkt. Die vergangenen Jahre haben gute Erträge abgeworfen, die Eigenkapitalquoten sind hoch. Der Mittelstand ist also gut gewappnet. Allerdings muss er sich den neuen Bedingungen anpassen. Das heißt, er muss innovativer werden, effizienter, kostenbewusster. Er muss dort, wo es geht, digitalisieren. Und er muss sich solide finanzieren. Wir werden mehr Insolvenzen haben - allerdings branchenbedingt.
Metoja: Das wird sein in der Gastronomie, Hotellerie sowie bei Reise- und Eventveranstaltern, Messebauern, Messen- und Kongressbetreibern, im Einzelhandel und bei den Autozulieferern. Einige Branchen hatten schon vorher Probleme, zum Beispiel die Autozulieferer. Andere Branchen wie die Bauwirtschaft oder generell das Handwerk haben derzeit kaum Probleme. Zu beobachten sind auch Umverteilungen: So profitiert die Möbelbranche im Moment von den nicht wahrgenommenen Urlaubsreisen. Das heißt, die Leute investieren das gesparte Geld in Möbel.
Metoja: Richtig. Insbesondere in der Gastronomie und Hotellerie. Die Betreiber dort haben Schwierigkeiten, weil die Corona-Regeln einen wirtschaftlichen Betrieb nicht immer zulassen.
Metoja: Die inhabergeführten Unternehmen haben grundsätzlich den Vorteil, dass dort die Kapitalbasis etwas stärker ist und der Unternehmer selbst alles unternimmt, dass sein Unternehmen am Leben bleibt.
Metoja: Bei Insolvenzen ist es wie bei Krankheiten: je früher handeln, desto besser. Bevor ich zahlungsunfähig bin, habe ich rechtlich nahezu alle Steuerungsmöglichkeiten – sowohl hinsichtlich des Prozederes als auch hinsichtlich der steuernden Personen. Man bleibt also Herr des Geschehens. Ist hingegen die Zahlungsunfähigkeit eingetreten und das Gericht setzt einen Insolvenzverwalter ein, dann sind die Handlungsoptionen sehr eingeschränkt. Und: Das Handeln des Insolvenzverwalters ist naturgemäß nicht immer optimal, weil er am Anfang das Unternehmen nicht so gut kennt. Deshalb ist es für Unternehmer wichtig, sich kompetent beraten zu lassen.
Metoja: Es gibt genügend Anwalts- und Steuerberatungskanzleien, die auf solche Fälle spezialisiert sind.
Metoja: Beschäftigte stehen vor einer schwierigen Entscheidung: kündigen oder dem Unternehmen weiterhin die Treue erweisen? Kündigen sie, kann das für das Unternehmen das Aus bedeuten, weil gute Mitarbeiter gehen. Überstürztes Handeln ist fehl am Platz. Ich rate Beschäftigten zu schauen, ob sie noch an das Geschäftsmodell des Unternehmens glauben und ob sie den steuernden Personen zutrauen, dass sie aus der Krise herauskommen. Hat man dabei kein gutes Gefühl, sollte man sich den Markt anschauen.
Metoja: Wenn die Löhne im Unternehmen nicht mehr im bisherigen Rhythmus bezahlt werden oder gar ein Rückstand eintritt. Bei alledem: Die Auswirkungen einer Insolvenz auf die Mitarbeiter sind durch das Insolvenzgeld abgemildert. Ein Mitarbeiter bekommt bis zu drei Monate lang den Lohn von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt.
Metoja: Insolvenzverwaltung ist ein relativ komplexes Geschäft. Man braucht dafür Strukturen. Langfristig agierende Insolvenzverwalter haben in der Vergangenheit und als die Geschäfte noch nicht so gut gelaufen sind, ihre Strukturen trotzdem aufrecht erhalten und sogar in Personal investiert – auch zu Lasten von Gewinnen. Diese Kanzleien sind auf den Anstieg problemlos vorbereitet. Es hat bei den Insolvenzverwaltern in der Vergangenheit eine gewisse Marktbereinigung stattgefunden.