Die Deutschen hängen am Bargeld, heißt es in Finanzkreisen gerne. Scheine und Münzen: Da weiß man, was man hat. Künstliches Geld: Lieber nicht. Zu riskant, zu kompliziert, höchstens was für digitale Spinner.
Derlei Klischees sind hartnäckig, aber überholt. Denn das unter der Bezeichnung Kryptowährung bekannte Kunstgeld hat auf der Welt längst seinen festen Platz als Alternative beim Bezahlen. Zum Beispiel in Nigeria mit seinen gut 200 Millionen Einwohnern nutzen nach Angaben des Statistikportals Statista 32 Prozent der Menschen im Alltag Bitcoin und ähnliches Kryptogeld. In der Türkei sind es 13, in China 8, in den USA 7 und in Deutschland 6 Prozent.
Zugegeben, Nigeria ist weit weg und 6 Prozent in Deutschland nicht viel. Doch der digitalen Alternative zum herkömmlichen Geld wird eine große Zukunft vorausgesagt. Dennoch sind Kryptowährungen hierzulande noch nicht bei Otto Normalverbraucher angekommen. Das kann sich bald ändern, wie am Samstag in Schweinfurt zu erleben war.
Dort steht in einer unscheinbaren Agentur in der Friedrich-Ebert-Straße ein Gerät, das wie ein herkömmlicher Geldautomat aussieht. Im Grunde ist das Gerät auch einer, doch Geld in Form von Scheinen bekommt man dort nicht. Der neue "Cryptomat" verwandelt vielmehr Bargeld innerhalb weniger Minuten in Bitcoin-Guthaben.
Solche Automaten gibt es auch an anderer Stelle in Deutschland. Allerdings sind sie nach Darstellung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in der Regel illegal. Das Besondere am Automaten in Schweinfurt: Er ist nach den Worten von Peter Marggraff der erste im Land mit einer Bafin-Lizenz. Der Ex-Banker Marggraff leitet in Schweinfurt die IT-Firma Crypto Supply, in deren Räumen der "Cryptomat" steht.
Bitcoin im Vorbeigehen, Bitcoin to go: Dieser Effekt des Gerätes stößt in der Tat eine neue Tür auf. Wird der Handel mit Kryptowährungen bislang meist via PC, Tablet oder Smartphone und damit rein auf digitalem Weg abgewickelt, so rückt die Verwendung von Bargeld am "Cryptomat" das künstliche Geld näher an die Bevölkerung.
Genau das sei auch Sinn und Zweck, erläuterte am Samstag Björn Pusch von der cpi Crypto Payment International GmbH in Berlin. Kryptogeld solle in die breite Bevölkerung getragen werden und "nicht nur den Nerds oder Programmierern" vorbehalten bleiben.
Hinter dem Automaten in Schweinfurt steht ein Dreiecksverhältnis, das vor wenigen Monaten entstanden ist: Crypto Supply stellt den Raum zur Verfügung, cpi betreibt die Software und die CM-Equity AG (CME) in München hält als Finanzinstitut aus eigenem Bestand jene Bitcoins vor, die am "Cryptomat" gekauft werden können. Deshalb gehe das Bargeld im Gerät an CME, erläuterte cpi-Experte Pusch. Alle drei Häuser verdienen an der Gebühr in Höhe von 5 Prozent pro Transaktion.
Nach Bafin-Angaben hat CME seit Anfang 2010 eine Zulassung zum Eigenhandel im Sinne des Kreditwesengesetzes. Damit unterliegt CME und somit auch der Schweinfurter "Cryptomat" der staatlichen Aufsicht. Wie eine Bafin-Sprecherin auf Anfrage sagte, sei ihr kein weiterer Fall einer solchen Konstellation in Deutschland bekannt. Die Bafin-Erlaubnis gilt als Beweis für eine weiße Weste, verwenden Kriminelle Kryptowährungen wegen der anonymen Vorgänge doch gerne für Geldwäsche.
Der "Cryptomat" in Schweinfurt ist für Björn Pusch von cpi erst der Auftakt. Bis Jahresende will er weitere 20 Geräte aufstellen, unter anderem in München und Stuttgart. Zudem werde das Angebot der Automaten erweitert: Kann man in Schweinfurt momentan nur Bitcoin kaufen, so sollen bald auch andere populäre Kryptowährungen wie Ethereum, Dash oder Litecoin zu haben sein. Auch der bargeldlose Bitcoin-Kauf via EC-Karte werde in absehbarer Zeit möglich sein, so Pusch.
Wie Peter Marggraff von Crypto Supply am Samstag mit einem Testkauf demonstrierte, kann der Handel innerhalb weniger Minuten abgewickelt werden. Voraussetzung ist, dass der Nutzer einen digitalen Geldbeutel ("Wallet") von cpi hat. Darüber kann er sich am Automaten mit Hilfe einer cpi-App, seiner Telefonnummer und Mail-Adresse sowie eines einzuscannenden QR-Codes anmelden.
Dann erscheint auf dem Bildschirm des Automaten, wie viel ein Bitcoin aktuell wert ist. Schiebt der Nutzer einen Euro-Schein in den Schlitz des Gerätes, ist wenige Augenblicke später abzulesen, wie viele Bitcoins auf das Wallet gebucht worden sind. Ein ausgedruckter Bon bestätigt den Handel.
Diese Schnelligkeit sei ein weiterer Vorteil des Automaten, sagt Marggraff. "Man muss nicht Stunden oder Tage warten." In der Tat gilt als Nachteil von Kryptowährungen, dass beim herkömmlichen Handel die Gutschrift beim Käufer aus technischen Gründen eine Weile dauern kann.
Freilich: Wer am "Cryptomat" in Schweinfurt mit seinem Bargeld schlagartigen Reichtum erzielen will, hat mitunter ein Problem. Denn das Gerät ist nur zu den üblichen Öffnungszeiten von Crypto Supply erreichbar, also montags bis freitags von 8.30 bis 17.30 Uhr. Sollte außerhalb dieser Zeiten der Bitcoin-Kurs schlagartig besonders günstig sein, ist das schnelle Geld nur auf dem herkömmlichen Weg zu machen.