Für Unternehmer wie Christian Reifenscheid in Kitzingen könnte alles so einfach sein: Der Gesetzgeber fordert den Schutz der Umwelt, Reifenscheid will das auch. Die Wiederverwertung zum Beispiel von Beton auf Baustellen ist im allgemeinen Öko-Sinn, Reifenscheid ist dabei. Aber: Der Unternehmer bleibt auf lange Sicht auf den Abbau von Sand und Kies aus der Natur angewiesen. Diese Gruben jedoch stoßen vermehrt auf Widerstand in der Bevölkerung. Und: Die Wiederverwertung von Beton aus Bauschutt hat für Reifenscheid einen Haken.
In großen Teilen Mainfrankens "ist die Nachfrage nicht da", nennt der Chef der LZR Lenz-Ziegler-Reifenscheid GmbH den Grund. Das liegt aus seiner Sicht unter anderem am Preis: Handelsüblicher Beton koste pro Kubikmeter rund 150 Euro, wiederverwerteter Beton aus Bauschutt liege bis zu 15 Euro drüber.
Für Geschäftsführer Bernhard Kling vom Bayerischen Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden (BIV) kommt ein weiterer Grund hinzu: Die technischen Normen für den Einsatz von sogenanntem R- oder RC-Beton zum Beispiel beim Hausbau seien zu streng, als dass der wiederverwertete Baustoff eine große Nummer auf dem Markt werden kann. "Es ist aber ein tolles Material im Straßenbau", ergänzt LZR-Chef Reifenscheid.
Weiteres Problem: Kling zufolge werden in Bayern pro Jahr 150 Millionen Tonnen Baumaterial à la Beton, Sand und Kies gebraucht. Zehn Millionen Tonnen kommen über Abbruchmaterial. Es werden im Freistaat also schlicht und einfach zu wenig Bauwerke abgebrochen, damit eine nennenswerte Wiederverwertungsquote erreicht wird.
Recycling auf dem Bau: Was der Gesetzgeber will
Das steht im Widerspruch zu dem, was der Gesetzgeber will. Sowohl im Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes als auch im bayerischen Abfallwirtschaftsgesetz steht, dass zumindest die öffentliche Hand bei Bauvorhaben angehalten sei zu prüfen, ob zum Beispiel R-Beton eingesetzt werden kann.
Bleiben somit die bisherigen Eingriffe in die Natur, um an die Rohstoffe Kies und Sand als wesentliche Bestandteile von Beton zu kommen. Doch auch da ziehen dunkle Wolken auf: Kies in Deutschland werde knapp, meldete schon vor gut einem Jahr die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.
Diese Not spüren Unternehmen auch in Mainfranken. So kämpft die Baufirma Glöckle aus Schweinfurt im benachbarten Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) darum, auf 85 Hektar Sand und Kies abbauen zu dürfen, um den Bedarf langfristig zu sichern. Die Bevölkerung ging auf die Barrikaden. Jetzt dürften es für Glöckle wohl noch 45 Hektar werden, auf denen der dringend benötigte Rohstoff aus der Erde geholt werden kann.
LZR kennt solchen Gegenwind: 2015 stießen vielen Menschen in Nordheim (Lkr. Kitzingen) Abbaupläne des Unternehmens sauer auf. Derlei Widerstand plus die Genehmigungsprozedur der Behörden sieht Firmenchef Reifenscheid als hohe Hürden an. Wieder verfüllte Kiesgruben seien wegen der Tiere und Pflanzen dort mitunter ökologisch wertvoller als die Landschaft vor dem Kiesabbau, gibt er zu bedenken.
Bliebe die Möglichkeit, Sand und Kies aus entfernteren Abbauregionen zu den Baustellen zu fahren. Das sei ökologisch und wirtschaftlich ein Unding, sind sich Reifenscheid und BIV-Geschäftsführer Kling einig. In einem Radius von etwa 20 Kilometern ab Werk sei der Transport von Sand, Kies und Beton zu den Baustellen sinnvoll. Alles darüber vervielfache die Kosten.
Deshalb ist für Reifenscheid der Handel mit den Baustoffen ein Geschäft allein in der Region. Doch wie lange dort die Sand- und Kiesvorkommen für sein Unternehmen ausreichen, könne er nicht sagen. Das hänge davon ab, wie LZR an die Grundstücke kommt und wie die Behörden den Abbau genehmigen.
Das 115 Jahre alte Unternehmen hat nach eigenen Angaben in Mainfranken vier Kiesgruben in Betrieb, 21 wurden aufgelassen. Auf dem Firmengelände in Kitzingen gibt es zudem ein eigenes Labor, das diverse Beton-Rezepturen entwickelt und auf Qualität prüft.
Unterm Strich hofft Reifenscheid auf den Aufschwung des R-Betons. "Ich sehe hier Potenzial." BIV-Mann Kling geht davon aus, dass im kommenden Jahr die technischen Normen gelockert werden, so dass die Nachfrage anzieht.
Für LZR mit seinen 90 Beschäftigten in Mainfranken wäre das allein schon finanziell ein Segen: Bei etwa 20 Millionen Euro pro Jahr liegt der Gesamtumsatz, zehn Millionen Euro kommen über das Geschäft mit klassischem Beton. Gerade mal 300 000 Euro und damit 1,5 Prozent vom Gesamtumsatz macht hingegen der R-Beton aus, hauptsächlich über die Verwendung im Straßenbau.
Dass derlei Zahlen und damit der Öko-Effekt größer werden, ist auch im Sinne der Interessensvereinigung "Baustoff Recycling Bayern" in München. Nach deren Angaben werden im Freistaat von den 50 Millionen Tonnen Abbruch-Abfall und Bodenaushub pro Jahr 32 Prozent in Anlagen wiederverwertet oder auf den Baustellen gleich wieder verwendet. Der weitaus größere Teil lande in Gruben in der Landschaft.
Rohstoffe für den Bau: Wo es auch Engpässe gibt
Indes gibt es auf dem Bau Engpässe auch in anderen Bereichen. So klagen Handwerker darüber, dass der Holzmarkt wegen massiver Aufkäufe aus den USA und China leergefegt und die Preise in die Höhe geschnellt seien.
Was Gips als wichtigen Baustoff angeht, steckt der Weltmarktführer Knauf aus Iphofen (Lkr. Kitzingen) in der Zwickmühle: Der aus der Rauchgasentschwefelung von Kohlekraftwerken stammende und in der Branche populäre REA-Gips verschwindet vom Markt, weil der Bund aus der Kohleverstromung aussteigt.
Deswegen muss auch Knauf in die Natur eingreifen: Bei Altertheim im Westen von Würzburg plant der Konzern einen großflächigen Gipsabbau. Es wird voraussichtlich das größte Bergwerk Bayerns.