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Ochsenfurt
Ochsenfurt: Wie die Zuckerfabrik das Corona-Virus fernhält
Ein Corona-Ausbruch während der Verarbeitungskampagne wäre eine Katastrophe. Ohnehin ist das Marktumfeld für die Südzucker AG schwierig. Jetzt wurden die Prognosen gesenkt.
Mit allen Mitteln versucht man in der Ochsenfurter Zuckerfabrik, das Corona-Virus fern zu halten.
Foto: Gerhard Meißner | Mit allen Mitteln versucht man in der Ochsenfurter Zuckerfabrik, das Corona-Virus fern zu halten.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:18 Uhr

Das Ochsenfurter Werk der Südzucker AG gleicht einer Festung gegen das Corona-Virus. Lange vor dem November-Lockdown hatte man umfangreiche Schutzmaßnahmen ergriffen, um eine Verbreitung des Virus im Werk während der Zuckerrüben-Kampagne zu verhindern. Bis jetzt ist die Rechnung aufgegangen, der Betrieb läuft sogar ausgesprochen rund, wie Werkleiter Stefan Mondel berichtet. Trotzdem schlägt die Pandemie dem größten europäischen Zuckererzeuger mächtig ins Kontor.

Seit dem 26. September läuft die Fabrik rund um die Uhr und schluckt dabei täglich über 15 000 Tonnen Zuckerrüben, die in einem kontinuierlichen Prozess zu Zucker und Futtermittel verarbeitet werden. Dauern wird die Kampagne voraussichtlich bis um den Jahreswechsel. In jeder der drei Schichten sind rund 30 Mitarbeiter beschäftigt, jedes Rädchen muss exakt ins andere greifen, damit die Produktion läuft. Spielraum, um erkrankte Mitarbeiter zu ersetzen, gibt es kaum. "Wir sind bedingt flexibel, aber wenn in einem Bereich drei Leute ausfallen, haben wir ein Problem", sagt Werkleiter Mondel. Und kurz mal abstellen geht schon gleich gar nicht. "Es dauert 14 Tage, um die Fabrik wieder hochzufahren."

Begegnungen zwischen Mitarbeitern möglichst vermeiden

Umso intensiver sind die Schutzmaßnahmen ausgefallen. Begegnungen zwischen den Mitarbeitern sollen so weit wie möglich vermieden werden. Schichtübergaben finden mit Abstand oder telefonisch statt. Schreibtische und Schaltwarten werden regelmäßig desinfiziert. Die Pausenzeiten sind versetzt und genau geregelt. Maskenpflicht gilt ohnehin auf dem gesamten Werksgelände.

"Wir sind bedingt flexibel, aber wenn in einem Bereich drei Leute ausfallen, haben wir ein Problem."
Stefan Mondel, Südzucker-Werkleiter

Die Kantine hat Südzucker offen gehalten, anders als andere Firmen. "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, weil wir dort ein wirksames Hygienekonzept abbilden können", sagt Stefan Mondel, "lieber wir haben die Leute während der Pause in einem gepflegten und pflegbaren Raum, als irgendwo im Treppenhaus mit der Brotzeit aus der Tupperdose."

Corona-Tests für Mitarbeiter und Angehörige

Auch in eine eigene Teststrecke hat das Werk investiert. Sobald sie Anzeichen einer Erkältung bemerken, sind die Mitarbeiter aufgefordert, sich testen zu lassen. Das Angebot gilt auch für Familienangehörige. "Darum können wir natürlich nur bitten", sagt Stefan Mondel, aber das Angebot werde gut wahrgenommen. "Wir nehmen den Mitarbeitern damit ja auch die Sorge, dass sie Kollegen anstecken könnten." 

Trotz der Corona-bedingten Einschränkungen spricht der Werkleiter der Ochsenfurter Zuckerfabrik Stefan Mondel von einer nahezu störungsfreien Kampagne.
Foto: Gerhard Meißner | Trotz der Corona-bedingten Einschränkungen spricht der Werkleiter der Ochsenfurter Zuckerfabrik Stefan Mondel von einer nahezu störungsfreien Kampagne.

Für Betriebsfremde gilt Betretungsverbot. Ausnahme seien Monteure von Fremdfirmen. Sie müssen jedoch einen aktuellen Corona-Test vorlegen. Zum Glück, sagt Mondel, sei es in der bisherigen Kampagne noch zu keinen größeren Störungen gekommen, die Hilfe von außen erfordert hätte.

In der Koch- und Kristallisationsstation, wo es normalerweise wohlig warm ist, herrscht heuer Durchzug. "Meine Sorge war, dass die Leute durch das intensive Lüften häufiger krank werden", so der Werkleiter, "aber das ist nicht eingetreten." Im Gegenteil: "Das Niveau der normalen Erkältungskrankheiten, die uns in dieser Jahreszeit stark treffen, ist sogar merklich reduziert." Die Hygieneregeln schützen eben auch vor einem harmlosen Infekt.

"Meine Sorge war, dass die Leute durch das intensive Lüften häufiger krank werden, aber das ist nicht eingetreten."
Stefan Mondel, Südzucker-Werkleiter

Grippeschutzimpfungen bietet die Zuckerfabrik ohnehin seit Jahren schon über den werksärztlichen Dienst an. In diesem Jahr hätten besonders viele Mitarbeiter von dem Angebot Gebrauch gemacht. An Desinfektionsmittel mangelt es ebenfalls nicht. Die Konzerntochter CropEnergies stellt es aus Bioethanol her, das in Zeitz (Sachsen-Anhalt) produziert wird. "Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie wir im Konzern zusammenarbeiten", sagt Stefan Mondel.

Auch von der technischen Seite kann der Werkleiter Positives berichten. "Es ist wirklich eine schöne Kampagne", sagt er. Ein durchschnittlicher Zuckergehalt von rund 18 Prozent erleichtert die Verarbeitung. Die Rüben sind verhältnismäßig sauber. Der Erdanteil ist mit knapp über fünf Prozent nur halb so hoch wie am Ende der Kampagne 2019. "Man darf sich nicht zu früh freuen, aber so kann es weiterlaufen, dann wären wir glücklich."

Durchschnittliche Erträge und schwieriges Umfeld

Weniger glücklich sind der Südzucker-Konzern und die rund 3000 fränkischen Rübenbauern über das Marktumfeld. Mit durchschnittlich 70 Tonnen pro Hektar liege der Rübenertrag im fränkischen Anbaugebiet leicht unter dem langjährigen Schnitt, sagt Simon Vogel von der Rohstoffabteilung des Ochsenfurter Werks. Wie im Vorjahr sei die hohe Schwankungsbreite zwischen 50 und 100 Tonnen pro Hektar auffällig. Verantwortlich dafür seien die Trockenheit im Frühjahr, die den Aufgang der Rüben verzögert habe, und die sehr punktuellen Niederschläge im Sommer.

Nach Schließung von fünf europäischen Südzucker-Werken - davon zwei in Deutschland - und der Entlastung des Zuckermarktes um 700 000 Tonnen hatte man in der Mannheimer Konzernzentrale auf eine nachhaltige Preiskonsolidierung gehofft, zumal auch die Zuckerproduktion weltweit seit zwei Jahren unter dem Verbrauch liege. Erste Anzeichen für anziehende Preise seien im Oktober 2019 bereits erkennbar gewesen, sagt Konzernsprecher Dominik Risser. Die Pandemie hat den Hoffnungsschimmer wieder verblassen lassen. Vor allem der Verkauf an industrielle Verarbeiter wie die Getränke- und Backwarenindustrie sei im Sommer stark zurückgegangen.

Ergebniserwartungen gesenkt

Angesichts der anhaltenden Unsicherheit hat der Südzucker-Konzern am Montag in einer Adhoc-Meldung seine Ergebniserwartungen für den Gesamtkonzern im laufenden Geschäftsjahr um rund 100 Millionen Euro auf eine Bandbreite zwischen 190 und 240 Millionen Euro gesenkt. Risser glaubt aber, dass die Konsumzurückhaltung nur von kurzer Dauer sein wir. "Angesichts der Mengensituation erwarten wir dennoch, dass es, wenn auch zeitverzögert, zum einem Preisanstieg kommen wird", sagt der Konzernsprecher. Seit Jahresbeginn hat sich der Zuckerpreis innerhalb der EU bei rund 380 Euro pro Tonne stabilisiert. Als Wirtschaftlichkeitsgrenze gelten Preise von mindestens 400 Euro.

Belastet werde die deutsche Zuckerproduktion zusätzlich durch unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen innerhalb der EU, so Dominik Risser. So würden einige Länder, darunter Polen als drittgrößter Erzeuger, ihren Landwirten weiterhin flächenbezogene Prämien für den Zuckerrübenanbau zahlen. Andere Staaten wie Frankreich und Österreich erlauben nach wie vor mittels einer Notfallzulassung den Einsatz von Neonicotinoiden zur Behandlung des Rübensaatguts, während Deutschland die Anwendung dieser Pestizide grundsätzlich untersagt hat. 

 
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