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Ochsenfurt
Welche Zukunft hat die fränkische Zuckerrübe?
Der neue Südzucker-Chef will den Konzern strategisch neu aufstellen. Dabei kommt es vor allem auf Erzeugnisse an, die Südzucker neben dem Zucker noch produziert.
Die Zuckerfabrik Ochsenfurt im Morgennebel in einer Aufnahme aus der Kampagne 2018. Am 26. September beginnt die neue Verarbeitungssaison.
Foto: Gerhard Meißner | Die Zuckerfabrik Ochsenfurt im Morgennebel in einer Aufnahme aus der Kampagne 2018. Am 26. September beginnt die neue Verarbeitungssaison.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:26 Uhr

Eine durchwachsene, leicht unterdurchschnittliche Ernte, die von großen regionalen Schwankungen geprägt ist, liegt vor den rund 3000 fränkischen Zuckerrübenbauern. Nach zwei Jahren, in denen sich der Zuckerpreis innerhalb der EU - und damit die Erlöse der Erzeuger - auf einem historischen Tief bewegt haben, keimt inzwischen wieder Hoffnung auf auskömmliche Preise. Kurz vor Beginn der neuen Verarbeitungskampagne am 26. September ruhte das Interesse bei der Jahreshauptversammlung des Verbands fränkischer Zuckerrübenbauer VFZ vor allem auf Niels Pörksen, seit März Vorstandsvorsitzender der Südzucker AG. Der promovierte Agrarwissenschaftler will den größten europäischen Zuckerkonzern strategisch neu ausrichten.

Im Januar dieses Jahres hatte Südzucker-Vorstandschef Wolfgang Heer überraschend seinen Rückzug erklärt. Heer stand für die Diversifizierung von Südzucker in Bereichen wie Bioethanol, Zuckerersatzstoffe und Tiefkühlpizza, die den Konzern in der Preiskrise über Wasser gehalten haben. Während das Kernsegment Zucker rote Zahlen schrieb - in den letzten beiden Geschäftsjahren betrug das Minus jeweils rund 240 Millionen Euro - verhalfen die rentablen Töchter dem Gesamtkonzern zu einem positiven Ergebnis von zuletzt 116 Millionen Euro.

"Die Diversifizierung der letzten Jahren wurde durch die Erlöse im Zuckersegment finanziert."
Niels Pörksen, Vorstandsvorsitzender der Südzucker AG

Chefstratege Wolfgang Heer stand aber auch für eine der teuersten Fehleinschätzungen in der jüngeren Unternehmensgeschichte. Um sich nach Ende des geschützten EU-Zuckermarktes am Weltmarkt behaupten zu können, hatte sich Südzucker international ausgerichtet - unter anderem mit einer Beteiligung am britischen Agrarhandelskonzern ED&F Man - und hoffte aufgrund des höheren Kostendrucks zugleich auf eine Bereinigung der europäischen Wettbewerbslandschaft.

Niels Pörksen, neuer Vorstandsvorsitzender der Südzucker AG, bei der Jahreshauptversammlung des  Verbands fränkischer Zuckerrübenbauer.
Foto: Gerhard Meißner | Niels Pörksen, neuer Vorstandsvorsitzender der Südzucker AG, bei der Jahreshauptversammlung des  Verbands fränkischer Zuckerrübenbauer.

Beide Rechnungen gingen nicht auf. Die Exporthoffnungen scheiterte an den sinkenden Preisen am Weltmarkt, die Marktbereinigung an den Subventionen anderer EU-Staaten, die ihre Zuckererzeugung so auch an weniger wirtschaftlichen Standorten am Leben hielten. Südzucker vollzog eine Kehrtwende und wollte sich künftig auf den europäischen Markt konzentrieren. Anfang 2019 wurde die Schließung von fünf Werken angekündigt, zwei davon in Deutschland. Die Kostenersparnis bezifferte Südzucker damals auf jährlich 100 000 Millionen Euro. Zugleich sollten damit 700 000 Tonnen  Zucker vom Markt genommen werden, um die Preise nachhaltig zu stabilisieren.

Diesmal scheint die Rechnung aufzugehen. Während der Preisindex am Weltmarkt nach leichter Erholung seit Herbst 2019 mit Beginn der Corona-Pandemie zurück unter die 300-Euro-Marke purzelte, stieg die Notierung innerhalb der EU weiter auf zuletzt rund 375 Euro. Der EU-Verbrauch lag im vergangenen Jahr mit 18 Millionen Tonnen rund eine Million über der Erzeugung. "Zucker ist wieder zu einem gefragten Produkt geworden", resümiert VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler. Das wird auch auf dem Kapitalmarkt honoriert. Seit Anfang März stieg der Kurs der Südzucker-Aktie von unter elf Euro auf über 17 Euro. Davon profitieren wiederum auch die Rübenbauern, die über die Süddeutsche Zuckerrüben-Verwertungs-Genossenschaft SZVG knapp 60 Prozent der Anteile halten.

"Zucker ist wieder zu einem gefragten Produkt geworden."
Klaus Ziegler, Verband fränkischen Zuckerrübenbauer

Allerdings hat Südzucker innerhalb der EU mit neuen Problemen zu kämpfen. Angetrieben durch Ernährungstrends und den schlechten Ruf des Zuckers als Dickmacher sinke der Konsum jährlich zwischen einem und drei Prozent, wie Vorstandschef Niels Pörksen konstatiert. Weil Getränkehersteller zu den größten Abnehmern zählten, hat die Corona-Pandemie zusätzlich Spuren hinterlassen, weil durch den Lockdown auch der Absatz von Erfrischungsgetränken eingebrochen ist.

Die Konzernsparten besser vernetzen

Um weiter wachsen zu können, setzt Pörksen darauf, die eigenständigen Sparten besser zu vernetzen und so neue Synergien zu heben. Als kleines Beispiel nennt er die Zusammenarbeit von Hellma, spezialisiert auf Zucker-Portionspackungen, und dem Bioethanol-Hersteller Crop Energies. Während der Pandemie haben sich die beiden Südzucker-Töchter zusammengetan und stellen nun einzeln verpackte Desinfektionstücher her, die künftig unter anderem in den Zügen der Bahn ausliegen. Gleichzeitig forscht man in den Laboren nach neuen technischen Anwendungsfeldern für den Zucker und seine Nebenprodukte.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat das Segment Spezialitäten mit den Bereichen Ethanol, Zuckerersatzstoffe und Tiefkühlpizza mit einem operativen Ergebnis von 190 Millionen Euro am meisten zum Konzernergebnis beigetragen und damit auch im Umsatz erstmals das defizitäre Zuckersegment überflügelt. "Die Diversifizierung der vergangenen Jahren wurde durch die Erlöse im Zuckersegment finanziert", stellt Niels Pörksen fest. Trotzdem fragte sich mancher Rübenbauer auch bei der jüngsten VFZ-Versammlung, wie lange die Zuckerrübe in Zukunft noch im Mittelpunkt des Geschäftsmodells stehen wird.

Konstante Anbaufläche in Franken

In Franken halten die Landwirte der Südzucker AG weiterhin die Stange. Auch während der Preiskrise blieb die Anbaufläche weitgehend stabil. Aufgrund der bereits geschlossenen Kontrakte wird sie im kommenden Jahr auf dem diesjährigen Niveau von 23 300 Hektar verharren, sagt VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler.

Entscheidend bleibt dabei der wirtschaftliche Vorteil gegenüber anderen Ackerfrüchten. Noch liege der bei durchschnittlich rund 400 Euro pro Hektar gegenüber dem Qualitätsweizen.  "Diesen Abstand brauchen wir auch", sagt Ziegler. Sonst droht die Gefahr, dass Landwirte abspringen und sich auf andere, weniger aufwendige Kulturen konzentrieren. Damit stünde langfristig auch die wirtschaftliche Auslastung der Ochsenfurter Zuckerfabrik auf dem Spiel, und die gilt bisher als Standortgarant.

 
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