Das Modehaus Wöhrl aus Nürnberg geht schweren Zeiten entgegen. Am späten Montagabend hat das gut 80 Jahre alte Unternehmen entschieden, ein Schutzschirmverfahren zu beantragen, um eine Insolvenz in Eigenregie abzuwenden. Die Zukunft der unterfränkischen Filialen ist indes unklar.
Im Rahmen der Sanierung in Eigenregie hat sich das Modehaus personell neu aufgestellt. Der bisherige Aufsichtsratschef Andreas Mach hat den Vorstandsvorsitz des Familienunternehmens übernommen.
Schock für die 2000 Mitarbeiter
Für die knapp 2000 Mitarbeiter sei die Nachricht von der Schieflage des Unternehmens „ein Schock gewesen“, sagte Mach bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz am Dienstagnachmittag in Nürnberg. Derzeit betreibt das Modehaus bundesweit 34 Filialen, darunter in Würzburg, Schweinfurt, Bad Neustadt und Aschaffenburg.
Mach machte deutlich, dass die Umstrukturierung nicht ohne Personalabbau und Filialschließungen vonstatten gehen wird. In welcher Größenordnung dies geschehen soll, sei aber noch offen.
Vorstandschef: Bis zu 10 Filialen sind auf der Kippe
Mach zufolge könnten bis zu zehn Filialen geschlossen werden. Die Modehäuser in Franken haben derzeit wohl noch am wenigsten zu befürchten. Besonders in Großstädten tue sich das Traditionshaus schwer, räumte Mach ein. Zu einzelnen Standorten wollte sich der neue Vorstandschef noch nicht äußern. Frühestens in vier Wochen solle feststehen, welche Filialen geschlossen werden.
In Unterfranken herrscht Unklarheit
In Würzburg hat Wöhrl zwei Adressen: beim Rathaus und auf dem Marktplatz („Völk“). Wie es dort jeweils weitergeht und wie die Stimmung ist, war am Dienstag nicht zu erfahren. Auskunft gebe allein die Pressestelle der Firmenzentrale sagte die stellvertretende Würzburger Geschäftsleiterin Anja Jung auf Anfrage.
Ähnliche Fragezeichen in Schweinfurt: Geschäftsführer Philipp Stein war nicht im Hause, das für Wöhrl zuständige Medienbüro in München ließ nichts verlauten. Vor gut 13 Jahren hatte die Wöhrl AG Nürnberg das damalige Modehaus Rosa in Schweinfurt übernommen.
Wöhrl-Häuser sollen attraktiver werden
Auch bei Wöhrl in Bad Neustadt herrscht Unklarheit. In dem Geschäft in der Innenstadt sind die Mitarbeiter wegen der aktuellen Nachrichten geschockt. „Wir müssen das erst einmal alle selbst verarbeiten“, sagte ein Betroffener. Konkretes wusste man am Dienstag vor Ort offenbar noch nicht. Geschäftsleiterin Irmtraud Schmitt sei zu Gesprächen in Nürnberg und erst am Mittwoch wieder zu sprechen.
Grundsätzlich will Vorstandschef Mach die Wöhrl-Häuser „attraktiver und moderner“ machen, wie er auf der Pressekonferenz in Nürnberg sagte. Dazu müsse man wieder mehr auf die modischen Wünsche der Kunden eingehen. Das Unternehmen müsse sich wieder auf seine Stärken konzentrieren. Und die liegen laut Mach in der Region, in der Wöhrl groß geworden ist.
Deutschland-Plan von Wöhrl ist offenbar gescheitert
Damit ist der Plan, aus dem Modehaus eine deutschlandweite Marke zu machen, vorerst wohl gescheitert. Mach macht sich keine Illusionen über die Größe der bevorstehenden Aufgabe: Der Finanzierungsbedarf sei enorm. Die aktuellen Gesamtverbindlichkeiten beliefen sich auf rund 45 Millionen Euro. Zusätzlich brauche die Firma frisches Kapital für die Restrukturierung und Neuausrichtung der Unternehmens.
Am späten Montagabend musste sich die Familie Wöhrl offensichtlich eingestehen, dass sie die nötigen Investitionen aus eigener Tasche nicht bezahlen kann und im Rahmen des Schutzschirmverfahrens nach einem Investor gesucht werden muss. Dieser Schritt sei der Familie sehr schwer gefallen, hieß es aus dem Unternehmen. Mit Olivier Wöhrl verbleibt ein Mitglied der Gründerfamilie im Vorstand. Er hat allerdings den Vorstandsvorsitz abgegeben. Wöhrl soll als sich zukünftig um die strategische Ausrichtung kümmern.
Vorstandschef Mach zeigte sich optimistisch, dass die Sanierung in Eigenverwaltung in den nächsten drei Monaten gelingen könne. „Ziel ist es, die Gruppe als Ganzes zu erhalten.“
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass ein Modehaus in der Region in die Schlagzeilen geraten ist. Ende August wurde bekannt, dass K & L Ruppert nach 17 Jahren sein Geschäft in Würzburg im November schließen wird. Grund: Man wolle das Filialnetz harmonisieren, wie ein Firmensprecher sagte.
Hintergrund ist: Der Siegeszug des Online-Handels und die Erfolge internationaler Modeketten machen immer mehr klassischen Modehändlern zu schaffen. Kreditversicherer warnen mittlerweile vor einem deutlichen Anstieg des Insolvenzrisikos in der deutschen Textilbranche.
(Mitarbeit: aug, ir, jsc, fan, ella)