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Würzburg/Schweinfurt
Mangel an Baustoff: Was Kunden und Handwerker jetzt wissen müssen
Wer derzeit Handwerker beauftragt, muss mit deutlich gestiegenen Preisen und Verzögerungen rechnen. Was tun? Ein Rechtsanwalt und eine Verbraucherberaterin geben Tipps.
Alles knapp: Der Materialmangel auf dem Bau kann zu Konflikten zwischen Kunden und Handwerksbetrieben führen.
Foto: Oliver Berg, dpa (Symbolbild) | Alles knapp: Der Materialmangel auf dem Bau kann zu Konflikten zwischen Kunden und Handwerksbetrieben führen.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 20:38 Uhr

Das Jammern ist seit Wochen groß: Holz und andere Baustoffe sind rar geworden, teurer auch. Das bringt Handwerksbetriebe in die Klemme, weil sie mitunter Aufträge nicht wie gewünscht ausführen können. Welche Folgen kann das haben? Zwei Experten aus der Region haben Antworten auf die wichtigsten Fragen und sagen, was Kunden und Firmen jetzt beachten müssen. 

Ich baue gerade oder will bauen: Was muss ich als Kunde mit Blick auf den Rohstoffmangel wissen?

Neben steigenden Kosten kann es zu Verzögerungen bei der Bauausführung kommen. Der Würzburger Rechtsanwalt Uwe Luz, der auf Baurecht spezialisiert ist, sagt: Hat der Handwerksbetrieb das Material frühzeitig bestellt, trifft ihn kein Verschulden, wenn sein Lieferant verzögert oder nicht die gewünschte Menge liefert. Muss deswegen zum Beispiel die Baustelleneinrichtung länger vorgehalten werden, habe diese Kosten der Handwerksbetrieb zu tragen.

Experte für Baurecht: Rechtsanwalt Uwe Luz von der Würzburger Kanzlei Ulbrich & Kollegen.
Foto: Felix Luz | Experte für Baurecht: Rechtsanwalt Uwe Luz von der Würzburger Kanzlei Ulbrich & Kollegen.
Mein Hausbau verzögert sich, ich habe aber meine Mietwohnung schon gekündigt. Was tun?

"Wer derzeit bauen möchte, muss sich auf solche Unwägbarkeiten einrichten", lautet der Hinweis von Rechtsanwalt Luz von der Kanzlei Ulbrich & Kollegen. Wer seine Wohnung wegen der Bauverzögerung länger mieten muss, hat diese Kosten selber zu tragen - wenn den Handwerker wegen der Verzögerung kein Verschulden trifft. Der Tipp von Luz: Auftraggeber und Baufirma sollten vorab über solche Risiken miteinander reden. Wenn ein Betrieb von seinen Lieferanten keine Preis- und Liefergarantie bekomme, könne er die mit dem Kunden vereinbarte Termine und Festpreise womöglich nicht einhalten. Ein Kompromiss schaffe in solchen Fällen Kalkulationssicherheit – für beide Seiten.

Der vereinbarte Termin für die Fertigstellung kann nicht eingehalten werden. Was tun?

Luz rät Firmen, einen konkreten Fertigstellungstermin nur dann zu versprechen, wenn sie sicherstellen können, dass das notwendige Material rechtzeitig eintrifft. Betriebe sollten Strafklauseln im Vertrag wegen der momentan unsicheren Lage vermeiden. Im Übrigen sei ein Handwerksunternehmen in der Regel nicht verpflichtet, bestimmte Baustoffe auf Lager zu haben.

Ich habe mir für eine Reparatur vom Handwerker einen Kostenvoranschlag geben lassen. Kann ich trotz ständig steigender Preise darauf verlassen?

Grundsätzlich gilt nach Angaben von Simone Rzehak von der Verbraucherzentrale Bayern in Würzburg: Ein Kostenvoranschlag ist bindend. Und zwar so lange, bis der Handwerksbetrieb in der Regel mit einer Entscheidung des Kunden rechnen könne. Das können laut Rzehak bis zu vier Wochen sein. Meistens gebe der Handwerker im Kostenvoranschlag aber eine Frist vor, wie lange er sich zum Beispiel an den Preis bindet.

Mein Handwerker verlangt Geld für den Kostenvoranschlag. Darf er das?

In der Regel sei der Kostenvoranschlag nicht zu vergüten, sagt Verbraucherberaterin Rzehak. Ausnahme: Es wurde ausdrücklich vereinbart. Hiervon sei Kunden aber abzuraten.

Mangel an Baustoff: Was Kunden und Handwerker jetzt wissen müssen
Was ist, wenn die Reparaturarbeiten des Handwerkers teurer geworden sind als im Kostenvoranschlag vorgesehen?

Bis zu 15 Prozent dürfe der Preis in der Endabrechnung über dem vereinbarten Betrag liegen, sagt Verbraucherrechtsexpertin Rzehak. Es sei denn, es wurde ein Festpreis vereinbart. Überschreitet dieser in der Endabrechnung 15 Prozent, dann muss der Handwerker dem Kunden vorab einen entsprechenden Hinweis geben. Allerdings seien teurer gewordene Rohstoffe normalerweise kein Grund, einen höheren Betrag in Rechnung zu stellen. Ein Preisanstieg sei Bestandteil einer Kalkulation.

Was ist, wenn der Handwerker anderes Material einsetzt, weil er das vereinbarte nicht bekommen hat?

Entscheidend ist laut Rzehak, was im Kostenvoranschlag vereinbart worden ist. Wurde dort ein bestimmtes Material - zum Beispiel Eichenholz - niedergeschrieben, dann könne der Handwerker nicht einfach Buchenholz verwenden. Steht im Kostenvoranschlag ein Überbegriff wie "Weichholz", dann habe die Firma freie Hand. Rzehaks Tipp für Kunden: Wer ein bestimmtes Material will, sollte dies im Vertrag ausdrücklich festhalten. Kann der Handwerker das nicht zusichern, sei es besser, den Vertrag erst gar nicht abzuschließen.

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Was ist, wenn mir ein Handwerksbetrieb wegen der Materialnot Geld anbietet, damit ich als Kunde vom  Vertrag zurücktrete?

Das könne ein Unternehmer durchaus versuchen, so Verbraucherrechtlerin Rzehak. Der Kunde müsse sich aber nicht darauf einlassen. Schließlich bestehe Vertragsfreiheit. Unter Umständen sei es mit Blick auf die momentanen Unwägbarkeiten sogar im Sinne des Kunden, wenn der Vertrag nicht ausgeführt wird. Die Frage der Vertragsauflösung stelle sich eher bei Bauunternehmen, sagt Rechtsanwalt Uwe Luz. Wenn sie beispielsweise ein neues Eigenheim zum Pauschalpreis versprochen haben, ihnen jetzt aber die Kosten davonlaufen. Grundsätzlich gilt laut Luz: Baufirmen haben keinen Anspruch auf Auflösung des Vertrags. Treten Verzögerungen auf der Baustelle auf, seien beide Vertragsparteien angehalten, die Probleme gemeinsam zu lösen.

Teures Material, verzögerte Lieferungen: Wo genau liegt das Dilemma? Wie reagieren Baufirmen in der Region?

Rechtsanwalt Luz hat eine prekäre Beobachtung gemacht: Es sei zum Beispiel bei Dämmmaterial oder Baustahl vorgekommen, dass Lieferanten trotz vereinbarter Preisbindung die Handwerksbetriebe geradezu nötigten, bei weiteren Lieferungen einer Verteuerung zuzustimmen. "Das ist zwar vertragswidrig", doch Lieferanten hätten bereits Baubetriebe dahingehend auflaufen lassen und Lieferungen kurzerhand beendet. Handwerksbetriebe und ihre Kunden sollten laut Luz derzeit einkalkulieren, dass sich der Baufortschritt generell "um einige Wochen" verzögern kann. Kommt es mit dem Kunden zum Streit, könne ein Unternehmen die Arbeiten freilich nicht einfach komplett einstellen: Das verbiete die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), ein zum Beispiel im Hausbau häufig vereinbartes Regelwerk. Luz hat indes bei Unternehmen in der Region beobachtet, dass sie sich mit Blick auf die angespannte Materiallage gegenseitig helfen. Außerdem sei es für die meisten Handwerksbetriebe eine Art Ehrensache, einen einmal übernommenen Auftrag auch zu Ende zu bringen.

Wie sich Baustoffe verteuert haben

Bei wichtigen Materialien haben Bauherren im Mai erneut stark steigende Preise zu spüren bekommen. Baustoffe wie Holz, Stahl oder Dämmmaterialien haben sich in der Pandemie rasant verteuert, teilte das Statistische Bundesamt mit. Demnach stiegen die Preise für Konstruktionsvollholz im Mai 2021 zum Vorjahresmonat um gut 83 Prozent, für Dachlatten um 45,7 Prozent und Bauholz um 38,4 Prozent.
Auch die Stahlpreise treiben die Kosten auf dem Bau in die Höhe: Betonstahl in Stäben war im Mai 44,3 Prozent teurer als vor einem Jahr, Betonstahlmatten kosteten 30,4 Prozent mehr. Betonstahl wird unter anderem zur Verstärkung von Bodenplatten, Decken oder Wänden eingesetzt. Hauptgründe für die anziehenden Holz- und Stahlpreise seien wohl die steigende Nachfrage im In- und Ausland in der Corona-Pandemie sowie Probleme in der Rohstoffversorgung, so das Statistische Bundesamt.
Gestiegene Ölpreise wirken sich auf den Baustellen ebenfalls preistreibend aus: Bitumen auf Erdölbasis, das etwa zur Abdichtung von Dächern, Gebäuden und Fundamenten verwendet wird, kostete sich im Mai fast 64 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, Dämmplatten aus Kunststoff wie Polystyrol fast 20 Prozent mehr.
Relativ stabil  sind die Preise - mit nur leichten Zuwächsen im Mai - laut Statistischem Bundesamt bei Kies und Sand (+4,8 Prozent), Mauerziegel (+2,2), Dachziegel (+2,2) und Frischbeton (+1,7).
dpa
 
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