Namen darf Helmut Eisner nicht nennen. Aber im Vertrauen erzählt er dann doch, dass sie fast alle schon bei ihm auf dem Tisch lagen. Gemeint sind die Unterlagen zu den spektakulärsten Firmenpleiten im Land. Man kann sich denken, wen Eisner meint.
Der 63-Jährige ist im positiven Sinne ein Firmenpatriarch wie aus dem Bilderbuch. Edler Zwirn, erhabene Gestik und Mimik, Diskretion in den Genen – ganz im Sinne dessen, was Eisner mit seinem Sachverständigeninstitut im 5000-Einwohner-Städtchen Lauda (Main-Tauber-Kreis) geschaffen hat. Es ist eine Top-Adresse in Deutschland, wenn es um den finalen Akt bei Insolvenzverfahren geht. Die Josef-Schmitt-Straße 10 in Lauda: ein Ort, an dem es um viel Geld geht. Um sehr viel Geld.
Was das Institut von Eisner macht, geschieht stets im Stillen. Die schrillen Schlagzeilen, die eine Insolvenz gerne auslöst, sind da längst Schnee von gestern. Denn das Institut wird von Insolvenzgerichten beauftragt, am Ende des oft jahrelangen Verfahrens die Unterlagen noch einmal auf seine Richtigkeit zu prüfen. Eisner ist der Mann mit dem letzten, wichtigen Stempel.
Institut nennt sich Marktführer
Diese Abschlussprüfung ist gesetzlich vorgeschrieben. Sie muss von den Insolvenzgerichten gemacht werden. Doch die sind damit meistens in mehrfacher Hinsicht überfordert. Also geben sie die Abschlussprüfung in Auftrag – an Eisners Institut zum Beispiel.
Helmut Eisner schätzt, dass von den rund 150 Insolvenzgerichten in der Republik 100 diese Arbeit an Dritte vergeben. Und von diesen 100 Gerichten geben wiederum 70 bis 80 den Auftrag an Eisner, wie er selbst ermittelt hat. Marktführer nennt sich deshalb sein Institut.
Das geht in diesem Fall freilich schnell: Eisner weiß von gerade mal drei oder vier weiteren Adressen in Deutschland, die eine ähnliche Dienstleistung anbieten wie sein Institut. Im Umkreis von 150 Kilometer jedenfalls sei kein Konkurrent zu finden.
400 bis 500 Aufträge bekomme sein Haus pro Jahr, sagt der im nahen Grünsfeld geborene Eisner. 400 bis 500 Aufträge aus ganz Deutschland: Das löst stets eine Logistik aus, die im digitalen Zeitalter äußerst verstaubt daherkommt. Denn fast jedes Mal müssen Speditionen Berge von Akten zu Eisners Institut in der engen Laudaer Altstadt fahren.
Damit nicht genug: Zum Teil sind es zehn stattliche und vor allem sackschwere Umzugskartons mit Aktenordnern, die die Speditionsfahrer in die vier Stockwerke des Eisnerschen Institutes tragen müssen.
Berge von Aktenordnern
Jeden Tag komme eine solche Ladung an, erzählt Erion Metoja. Der 40 Jahre alte Rechtsanwalt und Diplom-Kaufmann ist im Institut neben Eisner der Sachverständige. Dazu kommen zehn Mitarbeiter. Sie haben eine Aufgabe, die wahrlich nicht unter die Vergnügungsteuer fällt: Sie müssen all die Berge von Aktenordnern sichten, die Tag für Tag im Institut angeliefert werden.
Wenn es das nur wäre: In den engen Räumen des ehemaligen Wohnhauses ist eine ausgeklügelte Logistik das A und O. Die Ordner wandern nach einem genauen System erst vom Flur auf die Schreibtische und in die Schränke. Da darf nichts durcheinander und schon gar nichts abhanden kommen. Schließlich geht es um genaues Arbeiten – und vor allem um Millionen Euro.
Die Unterlagen in den vielen Ordnern sind das, was die Insolvenzverwalter im Rahmen ihrer Arbeit gesammelt haben. Denn laut Gesetz müsse jeder Verwalter eine eigene Buchführung in dem betreuten Unternehmen aufbauen, erklärt Eisner. „Interne Rechnungslegung des Insolvenzverwalters“ nennt sich das. Zu erkennen an eben jenen vielen Belegen aus Papier und den unzähligen Aktenordnern am Ende in Eisners Büro. Digital arbeiten hier die wenigsten Insolvenzverwalter, sagt Eisner.
Zehn Jahre wird sein Institut heuer alt. Gefeiert wird am 7. und 8. April mit einer hochrangig besetzten Insolvenzrechtstagung. Und das an keinem geringeren Ort als dem Congress Centrum in Würzburg.
Zehn Jahre: Nach Helmut Eisners Worten sind seither 2600 Schlussrechnungsprüfungen im Institut in Lauda zusammengekommen. Macht unterm Strich 26 000 Umzugskartons mit zusammen 260 000 Aktenordnern.
Freilich ist das alles grob geschätzt. Die Menge an Ordnern, Belegen und Daten schwanke stark, erzählt Eisner. Das hänge in der Regel von der Größe des insolventen Unternehmens ab, dessen Unterlagen Eisner zu prüfen hat.
Es geht um viel Geld
In jedem Fall geht es um viel Geld. Mit wie vielen Millionen Euro es Eisners Institut in den vergangenen zehn Jahren schon zu tun hatte, weiß der Firmenchef nicht. „Wahrscheinlich sind es sogar Milliarden“, meint der 63-jährige Pferdeliebhaber schmunzelnd.
Genau genommen prüfen Eisner, Metoja und Co. nicht das Pleite-Unternehmen, sondern den jeweiligen Insolvenzverwalter. Ob er seine Arbeit korrekt gemacht hat, das steht dann am Ende in einem 20 bis 30 Seiten dicken Gutachten, das Eisner an das Insolvenzgericht zurückschickt, von dem er den Prüfungsauftrag bekommen hat.
Und auch da kann es um Millionen gehen. So haben die Laudaer schon so manches Schwarze Schaf der Branche entdeckt. Etwa einen Insolvenzverwalter in Norddeutschland, der für zehn Wochen Arbeit fast 15 Millionen Euro Honorar kassieren wollte.
Eine Ausnahme, wie Eisner festhalten will. „Das ist keine kriminelle Branche.“ Zugegeben, die Arbeit seines Instituts habe eine gewisse reinigende Wirkung für die ungefähr 2000 Insolvenzverwalter in Deutschland. Doch wichtiger sei, so Eisner, dass mittlerweile viele Insolvenzverwalter es als eine Art Gütesiegel ansehen, wenn sie von seinem Institut eine einwandfreie Arbeit bescheinigt bekommen.
Weitere Kanzleien im Haus
Dieses Institut ist freilich nicht das einzige Büro in dem Haus in Lauda. Dort hat Eisner auch eine Steuerberatungskanzlei mit zehn Mitarbeitern sowie eine Kanzlei mit 18 Rechtsanwälten.
Sie sind teilweise auch auf Insolvenzverfahren spezialisiert. Doch das Institut sei hiervon strikt getrennt, betont Eisner. Es komme also nicht vor, dass das Institut ein Verfahren abschließend prüft, das zuvor von einem Insolvenzverwalter des eigenen Hauses begleitet wurde.
Rechtlich ist das Institut eine Aktiengesellschaft, bezahlt wird dessen Dienstleistung nach Stundenhonorar, das wiederum im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) geregelt ist. Im Aufsichtsrat des Instituts sitzt juristische Prominenz: Gerhard Kreft, Gero Fischer und Hans Gerhard Ganter – allesamt ehemalige Richter am Bundesgerichtshof.