Wenn jemand Rat braucht, dann sucht er sich Hilfe. Dann redet man miteinander. Wenn Unternehmer das tun, dann wird das gerne "Netzwerken" genannt. Wie andernorts gibt es auch in Mainfrankens Wirtschaft dafür eine Reihe von Adressen. Für den Mittelstand seit rund einem Jahr eine spezielle: die Regionalgruppe im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW).
Führt man sich vor Augen, dass in Mainfranken die Großindustrie nicht ausgeprägt ist, wird im Umkehrschluss die Rolle des Mittelstandes klar. Für die Region gelten die bundesdeutschen Dimensionen analog: 99 Prozent aller Unternehmen in der Republik seien Mittelständler, so das Bundeswirtschaftsministerium. Sie stellten 59 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland.
Diese Zahl macht klar: Hat der Mittelstand einen Husten, dann liegt fast die ganze Wirtschaft der Region krank im Bett. Freilich kann man im Moment wegen der übervollen Auftragsbücher nicht von Husten sprechen. Doch ist es gerade der Mittelstand, der sich mit den Riesenhürden der Gegenwart herumplagen muss: Fachkräftemangel, Digitalisierung, Unternehmensnachfolge.
In dieser Hinsicht sieht sich die mainfränkische Regionalgruppe im BVMW gefordert. Es sei ihr "wesentlicher Arbeitsschwerpunkt" herauszufinden, was die Mittelständler in der Region bewegt, sagt Christine Seger aus Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen). Die 53 Jahre alte Geschäftsführerin einer Spedition führt zusammen mit Personalberater Stephan Behringer (37) aus Würzburg die Regionalgruppe, der etwa 50 Firmen angehören.
Das Ziel der Gruppe: Mit etwa 50 Veranstaltungen pro Jahr soll Unternehmern die Gelegenheit gegeben werden, sich über spezielle Themen schlau zu machen - oder sich einfach untereinander auszutauschen. Netzwerken eben.
In der Tat ist nach Segers und Behringers Worten der Fachkräftemangel das, was den mainfränkischen Mittelständlern am meisten auf den Nägeln brennt. Das werde bei den Treffen deutlich. Seger hat dabei beobachtet, dass sich Firmenchefs immer wieder gegenseitig wechselwillige Mitarbeiter empfehlen. "Dafür ist Netzwerken ja da."
Ratlosigkeit unter den Mittelständlern hat Stephan Behringer bei einem anderen Top-Thema festgestellt: der Digitalisierung. Mancher Unternehmer sei hier überfordert, andere wüssten nicht einmal im Ansatz, um was es eigentlich geht. Woher auch, fragt Behringer. "Jedes größere Unternehmen hat dafür Spezialisten", kleinere hingegen nicht.
Doch gerade der Mittelstand müsse bei der Digitalisierung mächtig aufholen, war von Experten in den vergangenen Monaten zu hören. So will die HypoVereinsbank in einer im Dezember präsentierten Analyse herausgefunden haben, dass in Mainfranken nur jeder fünfte Mittelständler in die digitale Zukunft investiere. Schon gut ein Jahr davor hatte der Internet-Vordenker Sascha Lobo kritisiert, dass der Mittelstand in dieser Hinsicht schlafe.
Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt die Zeit: In Abwandlung dieses Spruches aus Goethes Faust hat BVMW-Regionalgruppenleiterin Christine Seger genau jene Not bei Mittelständlern beobachtet. Da viele von ihnen zurzeit mit Arbeit regelrecht zugeschüttet werden, bleibe ihnen für wegweisende Gedanken über die Zukunft ihres Betriebes "extrem wenig Zeit". Die Digitalisierung falle darunter.
Damit der Austausch unter den Mitgliedern des BVMW schnell geht, nutzt Regionalgruppenleiter Behringer eine verbandsinterne Chat-Funktion auf dem Smartphone. Mit ihr könne zum Beispiel die Info gestreut werden, dass ein Unternehmer irgendwo in der Republik einen Nachfolger suche. In Mainfranken wird laut Behringer das Netz des Miteinanders bald noch engmaschiger werden: Am 5. Februar stehe in Würzburg die Gründung der Gruppe "Der junge Mittelstand" an, eine mit den Wirtschaftsjunioren vergleichbare Organisation für Selbstständige bis 45 Jahren.