Es war ein Donnerhall mit Symbolkraft: Vor knapp eineinhalb Monaten trat das Industrieunternehmen Reich in Mellrichstadt aus dem bayerischen Arbeitgeberverband und damit aus der Tarifbindung aus. Nun haben der Familienbetrieb und die Gewerkschaft IG Metall einen neuen Tarifvertrag unterzeichnet.
Wie Reich in einer Stellungnahme mitteilt, wurde am 31. Mai ein Haustarifvertrag geschlossen. Beide Seiten zeigen sich darin kompromissbereit.
Die Geschäftsführer der Reich GmbH, Nina und André Reich, hatten Mitte Mai in einem Gespräch mit dieser Redaktion als Grund für den Austritt angeführt, dass sie sich im Arbeitgeberverband der tarifgebundenen Unternehmen nicht mehr gut aufgehoben fühlen. Die Abschlüsse seien zu sehr an die Großindustrie angepasst, der mittelständische Betrieb könne dadurch nicht mehr flexibel genug am Markt agieren. Auf den Punkt gebracht: Zu viele Bestimmungen abseits von Lohnerhöhungen schränken laut Geschäftsführung die Wettbewerbsfähigkeit des weltweit agierenden Automobil- und Industriezulieferers ein.
Intensive Verhandlungen zwischen IG Metall und Reich
Die IG Metall hatte in der Folge zu Protestaktionen aufgerufen, da die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie damit ihre Wirkung verloren hätten. Am 1. Mai fand eine Kundgebung mit rund 300 Teilnehmern auf der Streuwiese statt, zehn Tage später ließen Mitarbeitende und Gewerkschaft ein Hupkonzert vor dem Firmengebäude folgen.
Nun kehrt wieder Ruhe ein: Nach "intensiven und emotionalen Verhandlungen", wie es in einer Pressemitteilung der IG Metall heißt, haben sich beide Seiten auf einen Vertrag zur künftigen Tarifbindung verständigt. Der Haustarif hat Bestand bis 2025 und stellt eine für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verlässliche Vereinbarung dar.
Am vergangenen Mittwoch wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter coronabedingt in mehreren Versammlungen gemeinsam von Geschäftsführung sowie Vertretern der IG Metall und dem Betriebsrat über das Ergebnis informiert.
Wie Nina und André Reich mitteilen, wurde ein auf die Reich GmbH und deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugeschnittener, langfristiger Vertrag erarbeitet, der eine weitgehende Bindung an bisher bestehende Verträge beinhaltet, aber auch Abweichungen vom aktuellen Tarif möglich mache.
Was zu betriebsbedingten Kündigungen vereinbart wurde
Laut IG Metall sieht die Einigung vor, dass die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie im Grundsatz wieder eingesetzt werden, Reich also wieder tarifgebunden sei. "Von den Inhalten des Tarifvertrages kann nur mit Zustimmung der IG Metall abgewichen werden", machen die Arbeitnehmervertreter in einer Stellungnahme deutlich.
Allerdings hätten sich beide Seiten aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen, in denen sich das Unternehmen befindet, auf Abweichungen geeinigt. Die Beschäftigten werden laut Information der Gewerkschaft an zukünftigen Tariferhöhungen teilhaben, wenngleich sie bis Ende 2025 dabei Abstriche hinnehmen müssen. Dafür wurde laut Geschäftsführung eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2025 vereinbart: "Betriebsbedingte Kündigungen sind bis dahin allein mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig", heißt es dazu von der Reich GmbH.
Für die Geschäftsführung ein entscheidender Punkt bei der Einigung: "Sollten zukünftig gänzlich neue Tarifverträge in der Fläche geschlossen werden, wird geprüft, ob diese die Zukunftsfähigkeit der Reich GmbH gefährden." Ziel der Regelungen sei es, die Arbeitsplätze auf lange Zeit zu sichern, so die Botschaft von Nina und André Reich.
Derzeit sei die Marktsituation vom Halbleitermangel für Mikrochips beeinflusst, so dass es in der Folge auch bei Reich zu Auftragsschwankungen kommen könne. In einem Brief, der an die Mitarbeiter versandt wurde, heißt es dazu: "Gemeinsam mit Ihnen sind wir uns sicher, diese Schwankungen und Risiken in den Griff zu bekommen und so unseren Platz als starkes Familienunternehmen am Markt zu behaupten."
Neue Verhandlungen in vier Jahren
"Wir haben immer gesagt, dass wir für die Wiedereinsetzung des Flächentarifvertrags stehen. Aber auch, dass wir für Verhandlungen über notwendige Abweichungen aufgrund der wirtschaftlichen Situation bereit sind. Letztendlich entspricht das Verhandlungsergebnis diesem Ansatz", bewertet Thomas Höhn, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt, in einer Stellungnahme den Haustarif.
Laut dem Betriebsratsvorsitzenden Christian Zirk war mit entscheidend für eine Einigung, dass sich die Beschäftigten massiv für den Erhalt der Tarifbindung eingesetzt haben. "Wichtig war aber sicher auch, dass sich beide Seiten nach zu Beginn schwierigen Gesprächen konstruktiv und wertschätzend verhalten haben", so Zirk in einer Pressemitteilung.
Laut Reich GmbH besteht ab August 2025 eine Verhandlungsverpflichtung zur Fortsetzung des Haustarifvertrages. Gewerkschaft und Betriebsrat kündigen an, dass dann auch wieder die schrittweise Rückführung zum Flächentarif Thema sein wird.